Er schnarcht immer und in jeder Stellung, sei es im Sessel, in Rücken-, Seiten- oder Bauchlage. Sobald seine Augenlider auch nur schwer werden, beginnt das Horrorkonzert.
Nicole ist nicht alleine. Mit zunehmendem Alter schnarchen 60 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen. „Man kann mit allem schnarchen, was es im Rachen gibt“, sagt Dr. Robert Pavelka, Vorstand der HNO-Abteilung am Landesklinikum Wiener Neustadt. Meist flattern Gaumensegel oder Zäpfchen im Wind, aber auch Mandeln, Kehlkopfdeckel, Zungengrund oder die seitlichen Rachenwände können zum Klangobjekt werden. Extrem lautes Schnarchen ist ein Warnzeichen, das einen Arztbesuch einmahnt. Schlaflabors wie jenes im Landesklinikum Hochegg sind die Anlaufstelle der Verzweifelten. „Gut 30 Prozent gehen auf Druck des Partners ins Labor“, sagt dessen Leiter Dr. Rudolf Pokorny. Er zeichnet bei seinen Patienten Parameter wie Schlaftiefe, Bewegungsmuster, Herz- und Atemrhythmus auf. Danach ist klar, ob es sich bei der Sägerei um harmloses Primärschnarchen oder um die wesentlich ernstere Schlafapnoe handelt. Bei Ersterem kommt es zu keiner Störung des Atemrhythmus oder der eigenen Schlafqualität. Zweitere ist ein ernsthaftes Krankheitsbild.
Windstille
Bei der Schlafapnoe erschlafft der Rachenraum bis zum völligen Verschluss. Atempausen von bis zu zwei Minuten sind die Folge. Das führt zu einer Weckreaktion des Körpers und dadurch zu massiven Schlafstörungen. Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Reizbarkeit, Potenzstörungen, Bluthochdruck, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Depressionen können die Folge sein. Die einzige verlässlich wirksame Therapie ist der Einsatz eines CPAP-Gerätes. Mit dieser speziellen Atemmaske wird der Innendruck des Rachenraums so erhöht, dass er nicht mehr zusammenfallen kann.
Mehr Kilos, mehr Schnarchen
Bisweilen hilft es aber auch abzuspecken, zumal jeder Fettpolster auf den Rachen drückt, sagt Schlafexperte Pokorny. „Je mehr Übergewicht, desto mehr Atemstörungen in der Nacht.“ Diese Faustregel gilt für das normale Schnarchen ebenso wie für die Schlafapnoe. Weil immer mehr Menschen immer dicker werden, hat Dr. Pokorny alle Hände voll zu tun.
Ein wenig Disziplin würde oft helfen: Übergewicht reduzieren, auf fettes Essen, Alkohol und Zigarette am Abend verzichten, Schlaf- und Beruhigungsmittel meiden, keine heißen Vollbäder vor dem Schlafengehen nehmen, einen regelmäßigen Schlafrhythmus einhalten und vor allem nicht am Rücken liegen. All das kann nutzen – muss es aber nicht.
Gegen Schnarchen werden unter anderem Nasenstrips, Gels, Salben, Sprays und Schnuller angeboten. „Die meisten dieser Wundermittel sind Nonsens“, sagt der Leiter der HNO-Abteilung im Krankenhaus Wiener Neustadt, Dr. Robert Pavelka. Da aber der Leidensdruck mit jeder durchwachten Nacht steigt, entscheiden sich viele Patienten zu operativen Eingriffen: Operationen an Nasenscheidewand oder Nasenflügel, Vorziehen des Zungenbeins, Fixieren der Zunge am Unterkiefer, Erweitern des Gaumens bis hin zur kompletten Neuarchitektur des Kieferraumes. „Es erfordert extrem viel Erfahrung, die richtige Methode für den Patienten zu finden“, warnt Dr. Rudolf Pokorny. Vergleichsweise harmlos sind die Verkleinerung des Gaumensegels und des Zäpfchens, der Einsatz einer Schiene zur Vorverlagerung des Unterkiefers und ganz banale Nasenpflaster, die den Nasenquerschnitt erweitern. Aber was, wenn all das auch nichts nützt?
Schnarchen ist Folter. Extremschnarcher erreichen mit bis zu 90 Dezibel den Geräuschpegel eines LKW. Das gefährdet jede noch so stabile Beziehung. Gerade Frauen neigen dazu, lieber zu leiden, als zu handeln – bis hin zum völligen Zusammenbruch. „Bevor die Aggressionen zu groß werden, lieber getrennt schlafen“, rät der Psychotherapeut Dr. Peter Stöger zum Schnarch-Exil. „Da muss man pragmatisch sein.“ Psychische Ursachen hat Schnarchen nie. Aber umgekehrt kann es die Psyche schwer beeinträchtigen.
Fritz Kalteis
September 2009
Foto: Bilderbox, privat
Kommentar
„Die Patienten in den Schlaflabors werden mehr. Zum einen, weil die Bevölkerung und die Ärzte dem Schnarchen gegenüber sensibler geworden sind, und zum anderen wegen des Faktors Körpergewicht.“
OA Dr. Rudolf Pokorny
Leiter des Schlaflabors am Landesklinikum Hochegg, NÖ