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Ruck, flugs, Reflux

Ruck, flugs, RefluxSodbrennen, also das Zurückfließen des Magensaftes in die Speiseröhre, macht in westlichen Industrienationen immer mehr Menschen zu schaffen. Auch Österreicher leiden zunehmend unter dem gastroösophagealen Reflex. Das Gefährliche: der chronische Verlauf des Sodbrennens kann zu Speiseröhrenkrebs führen.

Ein saftiges Geselchtes zur Mittagszeit, garniert mit ein, zwei kühlen Blonden, zur Verdauung ein kleiner Schwarzer, Schokolade ermöglicht ein kulinarisches Intermezzo am Nachmittag, aber zum Abend gönnt sich der rotweißrote Genießer nur eine Kleinigkeit in Form einer Gulaschsuppe – und ruck, flugs, Reflux: die Völlerei stößt sauer auf.

Aus dem Lot

"Der gastroösophageale Reflux bezeichnet Verdauungsstörungen“, erklärt der Linzer Gastroenterologe Dr. Rainer Hubmann. „Im Magen befindet sich Salzsäure, die beim Aufsteigen die empfindliche Schleimhaut der Speiseröhre entzündet.“ Dabei ist der gastroösophageale Reflux keine Krankheit, sondern ein Symptom dafür, dass etwas aus dem Lot geraten ist.

Der Magensaft enthält 0,5 prozentige Salzsäure. Ihre Aufgabe ist es, die Speisen zu verdauen und Keime in der Nahrung unschädlich zu machen. Um die aggressive Substanz zurückzuhalten, kleidet eine Schutzschicht die Magenwand aus und Schließmuskeln dichten die Magenöffnung zur Speiseröhre und zum Zwölffingerdarm ab.

Hauptursache: Übergewicht

Enzyme in der Magenschleimhaut produzieren die Magensäure hauptsächlich nachts, tagsüber wird sie in der Schleimhaut gespeichert. Viele Faktoren, etwa fetthaltiges Essen oder Stress, beeinflussen, welche Menge an Säure die Magenschleimhaut abgibt. Einer der Hauptursachen ist jedoch Übergewicht. Sich beim Essen zurückzuhalten, fällt da vielen Menschen schwer. Die Folge sind oft nicht nur lästige Kilos auf der Waage, sondern auch ein rebellierender Magen, der sich mit Refluxbeschwerden wehrt. Kommt es dann zu Fehlfunktionen bei den Verschließmuskeln des Magens – der so genannten Refluxbarriere - dringt die Magensäure in den unteren Teil der Speiseröhre ein. Da die Schleimhaut dort sehr empfindlich ist, sind Beschwerden die Folge.

Symptome

Zirka 10 bis 15 Prozent der Österreicher leiden regelmäßig unter Sodbrennen. Es äußert sich in einem brennenden, stechenden Schmerz hinterm Brustbein, der meist von unten nach oben zieht. Die Symptome treten meistens auf, wenn es sich der Mensch bequem machen will und auf dem Rücken liegt.

Durch das Aufstoßen gelangt Magensäure bis in die Mundhöhle und von dort in die Atemwege und die Luftröhrenäste. Schmerzen im Bereich der Speiseröhre können Herzkrankheiten vortäuschen, weil diese Organe mit demselben Nervensystem verbunden sind. Chronischer Husten, Heiserkeit, asthmatisch ähnliche Beschwerden, Reizhusten, vor allem nachts, können die Folgen von Reflux sein.

Kein Herzalarm

Oft empfinden die Patienten zusätzlich noch ein Druckgefühl im Brustkorb. „Das erfordert eine sehr genaue Untersuchung, denn die Symptome sind am ersten Blick jenen eines Herzinfarkts sehr ähnlich“, sagt Hubmann.

Krebsrisiko

Der Reflux muss jedenfalls behandelt werden. Zum einen leidet die Lebensqualität des Betroffenen, zum anderen kann die ständig aufsteigende Magensäure das Gewebe verätzen und es besteht die Gefahr für Speiseröhrenkrebs.

Mundgeruch

Der saure Magensaft setzt auch der Mundhöhle und den Zähnen gehörig zu. Sodbrennen-Patienten sollten gezielt vorbeugen, um Schäden am Zahnschmelz, Reizungen des Zahnfleisches und Mundgeruch zu verhindern.

Therapie

Die Therapie erfolgt schrittweise. „In vielen Fällen lassen sich die Symptome mittels Nahrungsumstellung und Medikamenten, die die Magensäureproduktion hemmen, sehr gut behandeln“, sagt Hubmann. Besonders übergewichtige Menschen sind vom Reflux oft betroffen, eine Ernährungsumstellung und eine damit einhergehende Gewichtsreduktion packt das Übel an der Wurzel. Unterstützend kann man Protonenpumpenhemmer einnehmen, die den PH-Wert des Magens anheben und damit die Beschwerden lindern. Das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper wirkt dem Rückfluss der Magensäure entgegen (Erhöhung um 20-30 cm, z.B. mit Hilfe eines Schaumstoffkeils unter der Matratze am Kopfende). Damit kann in einem hohen Prozentsatz eine Beschwerdefreiheit erreicht werden.

Lebenswandel ändern

„Es ist jedenfalls wichtig, dass der Patient versucht, durch einen entsprechenden Lebenswandel die Ursachen für den Reflux zu vermindern“, appelliert Hubmann an die Eigenverantwortung. „Auch zu viel Alkohol, Nikotin und Kaffee fördern den Reflux.“

Schlüsselloch-Chirurgie

Die minimalinvasive Chirurgie (auch Schlüsselloch-Chirurgie) bietet durch einen operativen Eingriff die Möglichkeit, die gestörte Schließfunktion und damit den Reflux zu beheben. „Wichtigste Voraussetzung für den Eingriff ist, dass neben der großen Erfahrung des Chirurgen oder der Chirurgin eine genaue und umfassende Untersuchung des Patienten durchgeführt wird“, betont Hubmann. „Ob eine Operation notwendig ist oder die alleinige medikamentöse Behandlung genügt, ist immer individuell zu beurteilen. „Ein wiederholtes Aufstoßen von Nahrungsbrei beim Vorbeugen des Oberkörpers jedoch verlangt nach einem operativen Eingriff.“

Auch Kinder betroffen

Wenig bekannt ist, dass schon Kinder unter gastroösophagealen Reflux leiden können. Dabei fließt Nahrungsbrei oder -flüssigkeit in die Speiseröhre zurück, anstatt in den Darm zu wandern. Der saure Mageninhalt verursacht ein Brennen in der Speiseröhre. Die Refluxkrankheit tritt sehr häufig in den ersten Lebensmonaten auf. Die Säuglinge sind dann unruhig und erbrechen oft. Verschiedene organische Ursachen können bei Babys und Kindern zur Refluxkrankheit führen. Sie sind häufig angeboren, können aber auch erworben sein. In den ersten Lebensmonaten sind kurze Episoden mit Reflux noch normal, da die Steuerung des unteren Speiseröhren-Verschlusses erst ausreifen muss.

Hinweise, dass das Baby an Reflux leidet, können unter anderem Schreien und Unruhe beim Trinken sein sowie Überstrecken des Kopf und Oberkörpers nach hinten. Wichtig ist auf alle Fälle, einen Kinderarzt zu konsultieren und nicht – wenn auch gut gemeint – auf die „erfahrenen“ Ratschläge von Laien zu hören: „Speikinder sind Gedeihkinder!“

Elisabeth Dietz-Buchner
März 2011


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020