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Morbus Bechterew: Trotzdem aufrecht leben

Morbus Bechterew - Trotzdem aufrecht lebenMorbus Bechterew ist eine chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung. Unbehandelt kann sie zu einer fortschreitenden Einsteifung bis hin zur Verknöcherung der Wirbelsäule führen. Die Erkrankung zeichnet sich durch chronische, teilweise ausgeprägte Rückenschmerzen aus. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu einer typischen gebeugten Körperhaltung mit deutlich eingeschränkter Beweglichkeit im gesamten Wirbelsäulenbereich.

Die Erkrankung macht sich in den meisten Fällen im dritten Lebensjahrzehnt erstmals bemerkbar. „Männer sind zehnmal häufiger betroffen als Frauen“, erklärt Prof. Dr. Bruno Schneeweiß, Primar der Abteilung für Innere Medizin des Krankenhauses Kirchdorf. Die Häufigkeit beträgt in etwa 0,05 bis maximal 0,5 Prozent der Bevölkerung.


Schwierige Diagnose

Je früher die Erkrankung als solche erkannt wird, desto besser sind die Behandlungsergebnisse. „Bei Schmerzen im Kreuz sollte man jedenfalls einen Arzt aufsuchen. Bei Hinweisen auf einen Morbus Bechterew sollte eine Überweisung zu einem Rheumatologen erfolgen“, rät Schneeweiß.

Häufig wird die Erkrankung erst spät erkannt. Oft dauert es viele Jahre, bis die Diagnose gestellt wird. Das liegt daran, weil die Symptome zu Beginn der Erkrankung sehr unspezifisch sind und eine Vielzahl anderer Erkrankungen ähnliche Symptome haben. In der Regel treten Schmerzen in der Lendenwirbelsäule auf. Das sind Beschwerden, über die sehr viele Österreicher klagen. Nur selten denken Patienten und auch Ärzte bei diesem Symptom an Morbus Bechterew. „Und tatsächlich ist es ja auch so, dass die meisten Menschen mit Rückenschmerzen eben nur degenerative Wirbelsäulenveränderungen haben und keinen Bechterew“, erklärt Schneeweiß.

Die Diagnose gestaltet sich auch deshalb schwierig, weil die Routineuntersuchung des Blutes und des Urins meist keine auffälligen Befunde liefert. Einen Hinweis gibt eine Positivität des Erbmerkmals HLA-B27, das bei 95 Prozent der Betroffenen vorliegt. Absolute Beweiskraft hat das freilich nicht, da sieben bis acht Prozent der Bevölkerung diesen Faktor besitzen und der Großteil eben nicht an Morbus Bechterew erkrankt.

Eine verlässliche Diagnose war in früheren Jahren erst möglich, wenn Verformungen der Wirbelkörper auf dem Röntgenbild sichtbar wurden. „Mittels Magnetresonanztomografie lässt sich heute die Erkrankung aber schon relativ früh erkennen, da typische Veränderungen im Bereich der Verbindung zwischen Darmbein und Kreuzbein auftreten“, so Schneeweiß.

Fazit: Morbus Bechterew ist in den ersten Jahren seiner Entstehung nur mittels einer Gesamtbetrachtung sicher zu diagnostizieren: Erst die Zusammenschau von Krankengeschichte, Untersuchung der Beweglichkeit, Röntgen, Ultraschall, MRT und Labortests liefert dem Arzt eine verlässliche Diagnose.

Verdächtige Symptome

Am Beginn der Erkrankung kann man sich nur an den Symptomen orientieren. Typisch ist ein schleichender Beginn mit tief sitzenden Kreuzschmerzen vor allem in der zweiten Nachthälfte, verbunden mit Steifigkeit. „Die Anamnese zeigt häufig, dass der Patient am frühen Morgen von den Schmerzen geweckt wird und dass sich diese auf Bewegung wieder bessern. Häufig hilft auch eine heiße Dusche“, weiß Doz. Dr. Erich Mur von der Universitätsklinik für Innere Medizin Innsbruck.

Einen Hinweis geben auch typische Begleiterkrankungen: Schmerz und Minderbeweglichkeit werden häufig von Entzündungen der Augen begleitet. Auch Entzündungen der Lunge, der Aorta oder der Prostata können im Verlauf eines Bechterew auftreten.

Ursachen unbekannt

Warum Menschen an Morbus Bechterew erkranken, ist nicht hinreichend bekannt. „Es gibt eine gewisse genetische Disposition, eine familiäre Häufung. Auch Infektionen im Vorfeld werden als Auslöser diskutiert“, sagt Mur. Er rät Personen mit familiärer Vorbelastung zu einem gesunden Lebensstil. „Mehr an Prävention ist zurzeit nicht möglich.“

Krankheitsverlauf

Unbehandelt kann die Erkrankung zu einer Versteifung, Verkrümmung und Verknöcherung der Wirbelsäule führen. „Fälle, dass Menschen stark nach vorne gebeugt nur mehr den Boden zu sehen bekommen, sind heute aber dank moderner Behandlung nur mehr die Ausnahme“, sagt Schneeweiß.

Bei erfolgreicher Behandlung kann der Krankheitsverlauf deutlich gemildert und in seltenen Fällen auch zum Stillstand gebracht werden. „Auch gibt es vor allem bei leichteren Erkrankungen Heilungen im Sinne einer völligen Symptomfreiheit. Das ist nicht sehr häufig, aber durchaus möglich. Patienten müssen nicht verzagen, es gibt keinen Grund für Hoffnungslosigkeit“, beruhigt Mur.

Therapie

Die moderne Bechterew-Therapie erfolgt in drei Ebenen: Physiotherapie, Medikation und ergänzende Maßnahmen wie Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Die medikamentöse Behandlung erfolgt zur Linderung der rheumatischen Entzündung, der Schmerzen und der Muskelverspannung. Die Mitarbeit des Patienten ist von großer Bedeutung. Die chronische Krankheit benötigt eine sorgfältige ärztliche Betreuung mit laufenden Kontrollen. Es gilt, jenes Medikament zu finden, das am besten wirkt und am wenigsten Nebenwirkungen mit sich bringt. „Neue Medikamente, so genannte Biologicals, wirken sehr gut und zeigen erstaunliche Ergebnisse“, zeigt sich Schneeweiß optimistisch. Die Langzeiteffekte seien freilich erst abzuwarten.

Bewegung hilft

Physiotherapie ist laut Schneeweiß der zentrale Bestandteil jeder Behandlung. Eine spezielle Gymnastik hilft Patienten, ihre Körperhaltung und Beweglichkeit zu bewahren. „Körperlicher Ausgleich ist extrem wichtig. Auch wer schon eine gewisse Einsteifung hat, sollte sich unbedingt bewegen. Im Idealfall sollte man mit Freude Bewegung bis hin zu Sport ausführen“, so Mur.

Selbsthilfegruppe

Selbsthilfegruppen als Anlaufstelle für Betroffene haben sich bewährt. „Sie helfen dabei, sich auszutauschen und Ängste abzubauen. Sie tragen viel zur Krankheitsbewältigung bei“, sagt Mur. „Die Selbsthilfegruppe ist ein Ort der freundschaftlichen Begegnung. Bei Problemen ist immer jemand da, der Rat weiß“, erzählt Ruth Kurz von der Österreichischen Vereinigung Morbus Bechterew.

Ratschläge an Betroffene

Ruth Kurz rät als Betroffene:

  • Kein Selbstmitleid und sich auch nicht bemitleiden lassen. „Ich bin nicht krank, ich habe eine Erkrankung.“
  • Pausen einlegen, egal, was man gerade macht. Ein Zuviel an Stress, Sorgen, körperlicher Arbeit kann einen Schub auslösen, von dem man sich lange nicht erholt. Ganz schlecht ist stundenlanges Sitzen. Bei Bewegung geht es einem besser.
  • Bewegung und Medikamente sind gleich wichtig. Viel Disziplin ist notwendig, um immer in Bewegung zu sein. Es gibt viele Therapieformen und Medikamente, jeder Patient muss gemeinsam mit seinem Arzt herausfinden, was ihm persönlich hilft. Es gibt keine Patentrezepte.
  • Eine Kur im Heilstollen hilft den meisten Bechterew-Patienten. Viele sagen, dass es ihnen fast ein Jahr lang danach besser geht und sie weniger Medikamente einnehmen müssen.

Dr. Thomas Hartl
Juli 2010


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020