DRUCKEN

Mode, die unter die Haut geht

Mode die unter die Haut gehtMit dem Frühlingserwachen wächst die Lust aufs Shopping, denn die Mode lockt mit animierenden Farben. Was die meisten nicht wissen: Damit die Stoffe schön leuchten, nicht knittern und nicht einlaufen, werden in der Textilverarbeitung über 7.000 Chemikalien verarbeitet. Ein Umstand, der bei vielen Menschen eine Kontaktallergie verursacht.

Leicht irritiert schaut Christian auf seinen rechten Oberschenkel. Dort haben sich rote juckende Flecken gebildet, die etwas nässen und schuppen. Sein Dermatologe diagnostizierte eine Kontaktallergie – nur die Suche nach der Ursache glich dann Detektivarbeit. „Nicht immer sind Waschmittel schuld, wenn Kontaktallergien auftreten. Meist sind es Farbstoffe, gelegentlich auch die Stoffe, die zur Fixierung eingesetzt werden und Appreturen, etwa UV-Filter“, sagt Primar Univ.-Prof. Dr. Josef Auböck, Abteilungsvorstand der Dermatologie am AKh Linz. „Die Haut reagiert vor allem an den Stellen allergisch, an denen die Kleidung eng anliegt oder reibt und wo man schwitzt. Ein Beispiel ist die Jeans-Dermatitis an den Innen- und Vorderseiten der Oberschenkel. Auch die Beschaffenheit der Textilfasern kann allergische Reaktionen auslösen.“

Chrom VI

Im Fall von Christian war es das neue ledernde Geldbörsel, das er günstig in der Türkei erstanden hat. Ursache für die Kontaktallergie war Kaliumdichromat, auch Chrom VI genannt. „Es ist ein Allergen, das bei der Lederherstellung durch chromhaltige Gerbstoffe in das Leder gelangt“, sagt Auböck. Bei Hautkontakt, zum Beispiel beim Tragen von Lederwaren wie Gürtel, Handschuhe oder Armbanduhren kann Chrom VI als potentes Allergen wirken. Die EU hat das Kaliumdichromat in der Produktion zwar verboten, aber in Billigländern kommt es immer noch zum Einsatz.

Über 2000 Allergene

Es gibt rund 2000 Allergene, die uns unter die Haut gehen. Herauszufinden, was die Kontaktallergie verursacht, verlangt vom Dermatologen fast schon kriminalistisches Gespür. Zumal die Allergie zeitverzögert auftritt. Beispiel: Eine junge Frau kauft sich hübsche Dessous. Nach zwei Tagen – sie hat selbstverständlich die Unterwäsche gewechselt - bekommt sie einen stark juckenden, roten Ausschlag an der Brust und am Gesäß. Da aber ein allergisches Kontaktekzem in der Regel erst zwei bis drei Tage nach dem eigentlichen Kontakt mit dem Allergen auftritt, konnte sich die Patientin die Ursache dieses unangenehmen Hautproblems verständlicherweise nicht erklären.

Krebserregend

In den vergangenen Jahren konnten die Allergologen vermehrt Allergien gegen Farbstoffe in Textilien diagnostizieren. Experten warnen Personen mit sensibler Haut vor allem vor dunklen Farbstoffen wie Schwarz. Blautöne aus AZO-Farben und der Farbbaustein Anilin stehen sogar im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Sie sind deswegen in Europa verboten. Ebenfalls sollten Menschen mit sensiblem Immunsystem von Kleidungsstücken in knalligem Rot und Orange Abstand nehmen.
Professor Auböck: „Besonders betroffen sind auch Menschen, die enge Bekleidungen wie Leggins, Trainingsanzüge, Sportbekleidung, Bodys, aber auch enge Schuhe tragen.“

Führend: Nickelallergien

Die Kontaktallergien nehmen zu. Primar Auböck: „Rund 70 Prozent der Patienten, die vom Dermatologen mit entsprechendem Verdacht und zwecks genauer Anamneseerstellung an uns verwiesen wurden, haben eine Kontaktallergie aufgrund von Kleidungsstücken oder Modeaccessoires.“ Experten schätzen, dass einer von 100 Allergikern allergisch auf Rückstände oder Zusätze in Textilien reagiert. Viele Menschen entwickeln juckende Ekzeme unter den Knöpfen ihrer Jeans oder Blusen oder unterm Reißverschluss. Schuld ist zumeist eine hochgradige Nickelallergie, die sich speziell Frauen beim Tragen von Modeschmuck geholt haben und entsprechend sensibilisiert sind. „An der Spitze der Kontaktallergene liegt Nickel“, sagt Auböck.

Heilbar

Ein allergisches Kontaktekzem ist nicht lebensbedrohlich und – wenn das auslösende Allergen nicht mehr mit der Haut in Kontakt kommt und die betroffenen Hautpartien mit entsprechenden Medikamenten (zumeist Cortison) behandelt werden - heilbar. Es kann aber, wenn die Haut immer wieder dem Allergen ausgesetzt wird, chronisch werden, was die Lebensqualität sehr vermiest.

Formschön und ungesund

Neben dem Färben wird Bekleidung auch „ausgerüstet“. Damit meint man das Einbringen von Harzen, die Kleider zum Beispiel pflegeleicht, knitterfrei und formfest machen. Wolle zum Beispiel wird als „waschmaschinenfest“ deklariert, ist sie mit Kunstharz ausgerüstet.

Pestizide

Jedes dritte Kleidungsstück ist heute (nach einer Studie der Universität Bayreuth) mit Dioxinen, Furanen (Polychlorierte Dibenzofurane, PCDF) oder anderen schädlichen Substanzen behandelt, sie stammen zum Beispiel aus dem „Spritzen“ von Baumwollfeldern mit Pestiziden. Auch Schimmelpilzblocker oder Pilzvernichter werden der Kleidung für den Transport beigefügt.

Antimikrobiell

Ein wachsender Markt bildet die so genannte antimikrobiell behandelte Kleidung. Schweiß beginnt erst zu riechen, wenn er von Bakterien zersetzt wird, die natürlich auf der Haut vorkommen (müssen). Antimikrobielle Kleidung unterdrückt das Wachstum von Pilzen und Bakterien und verhindert die Geruchsbildung unter den Achselhöhlen, am Rücken und den Füßen. Manche Menschen vertragen diese besondere Kunstfaser nicht.

Schön auf Kosten anderer

Neben dem persönlichen Wohlbefinden, stehen aber auch andere Aspekte zur Diskussion. Modeprodukte, die in den Billigländern hergestellt werden, haben ihren Preis. Zumeist werden Kinder und Frauen in der Produktion eingesetzt, sie zahlen mit großen gesundheitlichen Problemen drauf, weil sie nicht ausreichend vor Giftstoffen und Allergenen wie Kaliumdichromat geschützt werden. Manche Kleidungstücke werden aus unverrottbaren Kunststoff hergestellt. Damit wird der Sondermüll vermehrt.

Qualitätszeichen

Sicherheit geben Produkte, die mit Ökö-Tex ausgezeichnet sind. Bis zur Einführung des Oeko-Tex® Standards 100 Anfang der 1990er Jahre gab es weder für Verbraucher ein verlässliches Produktlabel zur Beurteilung der humanökologischen Qualität von Textilien, noch existierte ein einheitlicher Sicherheitsmaßstab für die Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie, welcher eine praxisrelevante Bewertung von möglichen Schadstoffen in Textilprodukten ermöglichte. Deshalb haben das Österreichische Textil-Forschungsinstitut (ÖTI) und das deutsche Forschungsinstitut Hohenstein auf der Grundlage ihrer damals bereits bestehenden Prüfnormen gemeinschaftlich den Oeko-Tex® Standard 100 entwickelt. Mehr Info: www.oeko-tex.com

Leitlinie für Kauf und Pflege der Textilien

  • Achten Sie auf eine ausreichende Etikettierung zu Wasch- und Pflegeanleitung.
  • Kaufen Sie am besten langlebige, naturbelassene oder möglichst wenig behandelte Kleidung.
  • Waschen Sie Kleidung vor dem ersten Tragen, um den Gehalt an Chemikalien zu senken.
  • Wollwaren sollten Sie mit kaltem Wasser waschen und mit einer Lanolin-Emulsion rückfetten.
  • Bedenken Sie, dass Textilien aus PVC (Polyvinylchlorid) nicht umweltverträglich entsorgt werden können.

Elisabeth Dietz-Buchner
April 2011


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020