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Superorgan Haut II

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Unsere vielseitige Körperhülle ist eine unnachahmliche Erfindung. Ob wir uns wohl fühlen in unserer Haut oder doch lieber aus der Haut fahren wollen - der Volksmund drückt aus, was Wissenschafter erklären können: die Haut ist voller Sinnesrezeptoren - ein wahrhaft SINN-liches Organ.



Was immer das Sinnesorgan Haut erspürt, wird über Nervenbahnen zum Gehirn weitergeleitet und dort als entsprechende Empfindung erkannt. Kolben-, spindel- und scheibenförmige Sinneszellen sind für bestimmte Sinneseindrücke zuständig. Ein Teil der reich verzweigten Nervenfasern mit freien Enden registriert Schmerz. Andere Nervenenden wiederum signalisieren Juckreiz, der wahrscheinlich vor allem durch die Freisetzung von Histamin ausgelöst wird. Hand- und Fußflächen, Haarscheiden, Lippen, Zunge und Fingerkuppen sind besonders gut mit Sinneszellen ausgestattet. Die Tastrezeptoren nehmen Unebenheiten ab einem Zehntelmillimeter und Gewichtsunterschiede von vier Milligramm wahr. Bei Temperaturen über 45°C melden die insgesamt 40.000 Wärmerezeptoren Schmerz statt Wärme. In einem Quadratzentimeter Haut befinden sich bis zu zwei Wärme-, zwei Kälte-, 25 Druck- und 200 Schmerzpunkte. Insgesamt besitzt ein Mensch rund vier Millionen Schmerz- und 240.000 Kälterezeptoren, sowie 460.000 Tastkörperchen.

Bakterien produzieren Säureschutzmantel

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Nützliche Bakterien der gesunden Hautflora werden auf der Hautoberfläche geduldet. Aus dem hauteigenen Fettfilm bzw. den darin enthaltenen Fettsäuren produzieren sie nämlich einen Bakterienhemmer, den vielzitierten Säureschutzmantel, der Haut und Körper bei der Infektionsabwehr von Anflugkeimen helfen soll. Der Säuregrad dieses Bioschutzfilms wird im pH-Wert ausgedrückt und ist leicht sauer, nämlich zwischen 4 und 6,8. Trockene Hautoberfläche und körpereigene Abwehrstoffe, so genannte Defensine, sind aber für die Infektabwehr mindestens ebenso bedeutsam. Die trockenen Hautareale der Unterarme sind durchschnittlich mit 300 — 5.000 Bakterien, die behaarten Regionen von Brust, Rücken und Kopfhaut mit 50.000 und die Stirn mit rund 200.000 Bakterien pro Quadratzentimeter besiedelt. In den Achselhöhlen tummeln sich erheblich mehr — nämlich zwischen zwei und vier Millionen pro Quadratzentimeter.

Haare, Finger- und Zehennägel

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700 km Haare und fast 35 km Finger- und Zehennägel — das ist die erstaunliche Bilanz in 70 Lebensjahren. Die Haare entwachsen einer trichterförmigen Einstülpung der Oberhaut, dem Haarfollikel, der bis in die Leder- und Unterhaut reicht. Zum Haarfollikel gehört auch die Haarzwiebel mit den eingelagerten Pigmentzellen, die die Haarfarbe bestimmen. Der Haarschaft besteht aus der Rinde und der äußeren Hornschicht. Bei Erlöschen der Pigmentproduktion oder durch Einlagerung von Luftbläschen in den Haarschaft erscheinen die Haare grau bis weiß. Ein Zentimeter pro Monat — das ist das durchschnittliche Längenwachstum der Kopfhaare. Zwei bis sechs Jahre beträgt die Wachstumsphase eines Kopfhaars. Danach folgt eine Übergangsphase von wenigen Tagen bis Wochen, bevor nach einer Ruhephase von etwa drei bis vier Monaten das Haar ausfällt und ein neues nachwächst. Von den 100.000 bis 150.000 Kopfhaaren fallen täglich etwa 100 aus und werden bei gesundem Haarwuchs durch neue ersetzt.

Die Nägel

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Der Nagel ist eine harte Hornplatte, die in der Nagelmatrix (so wie der Haarfollikel eine Einstülpung in der Oberhaut) im Nagelbett gebildet wird. Für einen Zentimeter Längenwachstum brauchen die Fingernägel rund drei Monate, die Zehennägel wachsen langsamer. In der Jugend und in der warmen Jahreszeit wachsen die Nägel rascher als im Winter und im Alter. Haare, Finger- und Zehennägel verstärken durch ihre Hebelwirkung die Tastempfindung.

Fast perfekte Barriere

Das Eindringen von Pflegemitteln und Chemikalien, ob gewollt oder ungewollt, ist abhängig vom Lösungsmittel (Wasser, Alkohol etc.) und der molekularen Struktur der Substanzen. Vor allem Handrücken und die großen Beugen, mit einigem Abstand Gesicht, Kopf und Genitalien sind durchlässiger als Rumpf und Gliedmaßen. Besonders wirksam ist die Hautbarriere an den Handflächen, die außer für Wasser für fast alle Fremdstoffe undurchdringlich sind. Bestimmte Giftstoffe können aber durchaus die Körperhülle überwinden und sogar innere Organe schädigen. Hormonpflaster, Schmerzmittel oder Medikamente z.B. gegen Seekrankheit, in Pflasterform aufgebracht, nutzen die Schwachstellen der nicht ganz perfekten Hautbarriere und schleusen so ihre Wirkstoffe ein.

Hautalterung

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Der Hautalterungsprozess beginnt schon im dritten Lebensjahrzehnt und ist sowohl durch die innere biologische Uhr als auch durch äußere Einflüsse bedingt. Mehr als 90 Prozent der kosmetisch auffälligen Hautveränderungen entstehen durch intensive Sonnenlichteinwirkung. Gesicht, Handflächen und Unterarme, die besonders dem UV-Licht ausgesetzt sind, zeigen deshalb deutlichere Altersspuren als z.B. die Oberarminnenseiten. Mit zunehmendem Alter verliert die Haut an Elastizität und Spannkraft. Sie wird dünner, trockener und neigt verstärkt zur Faltenbildung. Wärmeregulation, Schweißproduktion, Vitamin-D-Bildung und die Schutzfunktion des Säureschutzmantels nehmen ab. In der Lederhaut verringert sich die Zahl der Bindegewebszellen. Die für die Immunabwehr verantwortlichen Zellen werden ebenso weniger wie die Pigmentzellen. Die alternde Haut zeigt deswegen oft Pigmentveränderungen wie z.B. gelblichen Teint und Wundheilungsstörungen. Sorgfältige, behutsame Pflege, vor allem die tägliche, aber nicht übertriebene Reinigung und Sonnenschutz das sind die wichtigsten Fürsorgemaßnahmen, um Haut gesund zu erhalten. Das Superorgan Haut hat diese Aufmerksamkeit verdient.


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Klaus Stecher
April 2006

Foto: deSign of Life, privat
 

Kommentar

Superorgan Haut"Gebrauchsmaterial aus dem Alltagsumfeld des Allergiepatienten wie z.B. ein Stück Stoff kann den entscheidenden Hinweis auf einen Allergieauslöser liefern, wenn herkömmliche Tests nicht zum Ziel führen. Von Tausenden möglichen Allergenen decken die üblichen Allergietests nur einen verschwindend geringen Prozentsatz ab."
O. Univ.-Prof. Dr. Peter Fritsch
Vorstand der Uni-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Innsbruck

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020