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Orphan diseases: Das Schicksal seltener Krankheiten

Orphan diseases: Das Schicksal seltener KrankheitenMan spricht kaum darüber und hört auch wenig davon: Die Rede ist von so genannten „orphan diseases“ – seltenen Krankheiten. Dabei handelt es sich häufig um sehr schwere und chronisch-fortschreitende Erkrankungen, viele mit genetischer Ursache. Eine umfassende medizinische Versorgung wäre wichtig, mangelt aber oft noch am fehlenden Wissen um diese Krankheiten.

„Man vermutet, dass es zwischen 6.000 und 8.000 seltene Erkrankungen in Europa gibt“, erklärt der Neurobiologe am Klinischen Institut für Neurologie der Medizinischen Universität Wien, Dr. Till Voigtländer. Von einer seltenen Krankheit spricht man innerhalb der Europäischen Union dann, wenn nicht mehr als fünf Personen pro 10.000 Einwohner betroffen sind. Durch diese geringe Anzahl ergeben sich Probleme für Erkrankte, betreuende Ärzte und Institutionen. Vorrangiges Ziel ist deshalb, das Wissen um diese Krankheiten, die Diagnose und Behandlung zu verbessern.

Am häufigsten betroffen: Kinder

„Etwa 50 Prozent der seltenen Erkrankungen treffen die schwächsten Glieder der Gesellschaft, die Kinder. Zudem verlaufen die einzelnen Krankheiten häufig chronisch-fortschreitend, viele sind lebensverkürzend und nicht wenige können mit starken Schmerzen einhergehen“, so der Projektkoordinator von „Orphanet Austria“. Bei vielen „orphan diseases“ handelt es sich also um schwere Krankheiten, die einer intensiven medizinischen Betreuung bedürften.

„Waisenkinder“ der Medizin

Seltene Krankheiten sind noch wenig bekannt und dementsprechend schwierig zu therapieren. Sehr treffend ist daher die englische Bezeichnung „orphan diseases“, was so viel wie „Waisenkinder der Medizin“ bedeutet. Die seltenen Krankheiten haben aber gemeinsame Merkmale: Das Wissen über „orphan diseases“ ist in der Bevölkerung, aber auch bei Mitarbeitern des Gesundheitswesen nicht ausreichend entwickelt. Selbst viele Ärzte sind mit „orphan diseases“ nur selten konfrontiert: Betroffene suchen deshalb einen Arzt nach dem anderen auf, bis sie eine entsprechende Diagnose erhalten. Häufig fehlt es dann aber an einer wirksamen Therapie. „Auch das Umfeld reagiert nicht selten mit Unverständnis. Insbesondere dann, wenn man dem Betroffenen die seltene Erkrankung nicht äußerlich ansieht. Es können Konflikte mit der Umgebung entstehen, die im schlimmsten Fall zum sozialen Rückzug führen“, so der Neurobiologe.

Geringer ökonomischer Nutzen

Da die einzelnen Krankheiten selten auftreten, fehlt der ökonomische Nutzen aufgrund des kleinen Absatzmarktes, weshalb viele Pharmaunternehmen bisher wenig in die Erforschung investierten. Die Europäische Union hat deshalb die Bemühungen um diese Krankheiten verstärkt und zahlreiche Förderprogramme ins Leben gerufen.

Seltene Krankheiten sind gar nicht so selten

Der Begriff „selten“ kann in die Irre führen: Laut Schätzungen der Europäischen Kommission sind zwischen fünf und acht Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer seltenen Erkrankung betroffen. „Das sind mehr als 25 Millionen Menschen in Europa und mehr als 400.000 in Österreich“, weiß Dr. Till Voigtländer.

MMag. Birgit Koxeder
April 2011


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020