Diskussion über die tatsächlichen Vorteile des Brustkrebs-Screenings
Für die meisten Frauen ist Brustkrebs die absolut schlimmste aller vorstellbaren Diagnosen. Tatsächlich ist das Mammakarzinom bei Frauen die häufigste Tumorart, die trotz jahrelangem Rückgang noch immer zu mehr als 1.500 Todesfällen pro Jahr führt. Früherkennung spielt auch beim Mammakarzinom eine wichtige Rolle. Trotzdem werden flächendeckende Screening-Programme zunehmend kritisch gesehen.
Rund 4.500 Frauen werden in Österreich pro Jahr mit der niederschmetternden Diagnose Brustkrebs konfrontiert, für 1.593 Frauen hatte die Krankheit 2002 einen tödlichen Ausgang. Als Todesursache liegt das Mammakarzinom bei den Frauen mit 3,9 Prozent zwar deutlich hinter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die für 54 Prozent der Todesfälle verantwortlich sind. Dass Frauen trotzdem mehr Angst vor Brustkrebs als vor einem Herzinfarkt oder Schlaganfall haben, dürfte tief liegende psychologische Gründe haben.
Statistik nach Altersgruppen betrachten
Die Faktenlage könnte den Frauen etwas von der Angst nehmen – etwa, indem man die oft kolportierte Aussage näher betrachtet, wonach jede zehnte Frau in ihrem Leben mit Brustkrebs rechnen muss. Das stimmt zwar, aber nur für alle Altersgruppen zusammen bis zum 85. Lebensjahr. Isoliert betrachtet ergibt sich ein günstigeres Bild: Bis 30 Jahre muss nur eine von 2.169 Frauen mit der Diagnose Brustkrebs rechnen, bis 40 Jahre eine von 251, bis 50 Jahre eine von 61 und bis 60 Jahre eine von 24 Frauen. Erst wenn man bis ins Alter von 70 (eine von 15) beziehungsweise 80 Jahre (eine von elf Frauen) blickt, nähert sich die Wahrscheinlichkeit der Marke 1:10.
Prognose stetig verbessert
Der medizinische Fortschritt hat dazu geführt, dass die Prognose bei Brustkrebs sich stetig verbessert hat. Wenn die axilliären Lymphknoten nicht befallen sind, überleben nach zehn Jahren rund drei Viertel der Patientinnen völlig beschwerdefrei. Auch bei Befall von einem oder mehreren Lymphknoten liegt die Zehn-Jahres-Rate für krankheitsfreies Überleben zwischen 16 und 36 Prozent. Für die Therapie eines Mammakarzinoms stehen neben der Operation noch Strahlentherapie, Chemo- und Hormontherapie zur Verfügung. Das Um und Auf jeder Therapie ist die vollständige Entfernung des Tumors. Dazu ist heute in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr die Abnahme der ganzen Brust erforderlich. In Österreich wurden im Jahr 2000 insgesamt 5.654 Brustkrebsoperationen durchgeführt. Bei immerhin 3.360 davon (59 Prozent) konnte die betroffene Brust erhalten werden. Falls die ganze Brust entfernt werden muss, gibt es mehrere sehr gute Verfahren, um die Brust samt Brustwarze wieder zu rekonstruieren. Ein Mammakarzinom entsteht – mit wenigen Ausnahmen – in einem Milchgang (duktales Karzinom, 75 Prozent der Fälle) oder in den Drüsenläppchen (lubäres Karzinom). Verschiedene Teile der Brust sind verschieden häufig von Tumoren betroffen. Mehr als die Hälfte der Karzinome treten im oberen äußeren Viertel der Brust auf, das auch den größten Teil der Brustdrüse enthält. Unabhängig vom Typ können die Tumorzellen in die Lymphbahnen der Brust eindringen, was zu Lymphstau und zur Schwellung ausgedehnter Hautareale der Brust führen kann. Man spricht dann von einem inflammatorischen Mammakarzinom, weil die Rötung der Haut einer Entzündung ähnelt.
Keine Panik
Da Brustkrebs normalerweise keine Schmerzen verursacht, ist in den meisten Fällen ein Knoten in der Brust der erste Hinweis auf einen Tumor. Auch die Einziehung oder Einsenkung einer Brustwarze oder plötzlich auftretende Größenunterschiede zwischen den Brüsten können Hinweise auf ein Mammakarzinom sein. Der Austritt von Sekret aus der Brustwarze oder vergrößerte Lymphknoten in den Achseln können ebenfalls Anzeichen für einen Tumor sein. Panik ist trotzdem nicht angebracht. Alle diese Symptome können auch harmlose Erklärungen haben. Ein Arztbesuch sollte aber trotzdem nicht lange aufgeschoben werden, weil im Ernstfall ein rasches Erkennen des Tumors die Erfolgsaussichten einer Behandlung entscheidend verbessern kann.
Wenig Wissen um die Ursachen
Über die Ursachen von Brustkrebs weiß man noch sehr wenig. Dafür sind eine Reihe von Faktoren bekannt, die das Brustkrebs-Risiko erhöhen können. So steigt das Risiko, wenn schon die Mutter oder eine Schwester erkrankt sind. Ein sehr früher Beginn der Menstruation sowie ein spätes Einsetzen des Wechsels erhöhen das Risiko genauso wie späte Schwangerschaft oder Kinderlosigkeit. Als Risikofaktoren gelten auch fettreiche Ernährung und übermäßiger Alkohol- und Tabakkonsum. Schließlich wurde vor nicht allzu langer Zeit auch die Hormonersatztherapie als Risikofaktor geoutet. Die Pille dürfte das Risiko nicht erhöhen. Für Frauen, die zur Risikogruppe zählen, sollte die Teilnahme an der Vorsorgeuntersuchung eine Selbstverständlichkeit sein.
Screening-Kritik
Im Gegensatz zu gezielten Früherkennungsmaßnahmen wird das sogenannte Mammografie-Screening in der Fachwelt zunehmend kritisch beurteilt. Wirkt ein solches Brust-Röntgen für alle Frauen ab einem gewissen Alter auf den ersten Blick vernünftig, so schwindet der "Benefit" bei eingehender Betrachtung. Die Fakten: Von 1.000 untersuchten 50-jährigen Frauen ist statistisch bei zehn ein Mammakarzinom zu erwarten. Da das Screening eine Sensitivität von 90 Prozent aufweist, werden nur neun Frauen als krank erkannt, eine Kranke rutscht unerkannt durch. Die sogenannte Spezifität der Mammografie von 93,5 Prozent führt dazu, dass von den 990 tatsächlich gesunden Frauen 65 (!) als krank erkannt werden – mit allen psychischen und physischen Folgen. Das bedeutet, dass von 74 positiven Ergebnissen nur neun Frauen – oder ganze zwölf Prozent – auch wirklich krank sind. Dazu kommen in jüngster Zeit Studien, die eine nennenswerte Senkung der Sterblichkeitsrate durch Mammografie-Screening überhaupt in Zweifel ziehen. Angesichts der Faktenlage meint etwa der Deutsche Ärztinnenbund: "In Bezug auf das mammografische Screening stellt der DÄB fest, dass die internationale Diskussion um das dadurch erreichbare Ausmaß der Sterblichkeitsminderung keineswegs abgeschlossen ist, sondern dass vielmehr der Wert des mammografischen Screenings bisher möglicherweise überschätzt und der von Tastuntersuchungen, insbesondere der gründlichen professionellen Abtastung, möglicherweise unterschätzt worden ist." Univ.-Prof. Dr. Horst Noack, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität Graz: "Das alles sollten die Frauen wissen, bevor sie an einem Mammografie-Screening teilnehmen. Es ist derzeit unverantwortlich einer Patientin die Mammografie auszureden oder gar vorzuenthalten. Aber es ist ebenso unverantwortlich, eine an sich gesunde Patientin dazu zu drängen."
Heinz Macher
April 2006
Foto: deSign of Life, privat
Kommentar
"Derzeit ist die Faktenlage so, dass es aus epidemiologischer Sicht wirklich schwierig ist einen Vorteil des mammografischen Screenings zu finden. Wie das Verfahren derzeit abläuft, ähnelt es einem Blindflug."
Univ.-Prof. Dr. Horst Noack
Vorstand des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität Graz