Viele haben sie schon einmal gehabt und wissen, wie störend sie sind: trockene Augen. Dr. Jutta Horwath-Winter erklärt, was es mit diesem häufigen Augenleiden auf sich hat und was Betroffene selbst zur Linderung der Beschwerden tun können.
Die Augen sind trocken, brennen oder kratzen. Oder aber sie sind gerötet und beginnen – seltsamerweise – vermehrt zu tränen, weil sie gereizt sind. Außerdem kann sich ein Fremdkörpergefühl bemerkbar machen. Jeder zweite bis fünfte Patient beim Augenarzt kennt diese Symptome. Sie deuten auf ein Sicca-Syndrom. Was man darunter genau versteht, erklärt Privatdozentin Dr. Jutta Horwath-Winter von der Universitäts-Augenklinik der Medizinischen Universität Graz: „Das Sicca-Syndrom wird auch als Trockenes Auge oder Keratokonjunktivitis sicca bezeichnet. Die Begriffe verweisen auf eine Trockenheit an der Augenoberfläche, die durch Tränenmangel hervorgerufen wird. Die Erkrankung betrifft aber auch viele Menschen mit ausreichender oder sogar überschießender Tränenproduktion. Hier ist eine Instabilität des Tränenfilms, der zu einer erhöhten Verdunstung des wässrigen Anteils der Tränenflüssigkeit führt, für die Beschwerden verantwortlich. Bei zwei Dritteln aller Sicca-Patienten ist dies der Fall.“
Tränen: Flüssigkeit mit Mehrwert
Die Tränenflüssigkeit – sie wird durch regelmäßige Lidschläge über die gesamte Oberfläche verteilt – ist für das Auge in vielfältiger Hinsicht notwendig. Sie befeuchtet es und wehrt Bakterien und Viren ab. Besonders wichtig ist die Zusammensetzung des Tränenfilms. Er besteht im Normalfall aus drei verschiedenen Schichten. Die Fettschicht verhindert das rasche Verdunsten der Tränenflüssigkeit, während die wässrige Schicht das Auge mit Nährstoffen wie Proteinen, Vitaminen und Spurenelementen versorgt und es vor Fremdkörpern und Eindringlingen wie Bakterien oder Viren schützt. „Direkt an der Augenoberfläche befindet sich noch eine dünne Schleimschicht. Sie ermöglicht, dass der Tränenfilm an der Augenoberfläche anhaftet“, sagt Horwath-Winter. Verändert sich nun das Gleichgewicht des ohnehin sehr empfindlichen Systems, kann der Tränenfilm aufreißen. Die Folgen sind Trockenstellen an der Augenoberfläche.
Vielfältige Ursachen
Warum das Auge nicht mehr ausreichend Tränenflüssigkeit produziert bzw. diese zu rasch verdunstet, hat vielfältige Gründe. Häufig liegen sie in der visuell fixierten Welt von heute: Viele Menschen verbringen einen Großteil ihrer Zeit vor dem Computer in der Arbeit oder vor dem Fernseher zuhause. Das belastet das Auge. Aber auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle: Die Zunahme von Autoabgasen, bodennahem Ozon, Klimaanlagen sowie auch vermehrtes UV-Licht können die Entstehung von trockene Augen begünstigen. Zudem sind Veränderungen im Hormonhaushalt beispielsweise bei einer Schwangerschaft oder in den Wechseljahren ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Entstehung des Sicca-Syndroms. Darüber hinaus kommen Krankheiten wie Diabetes, Morbus Parkinson, Lidfehlstellungen oder ein Vitamin-A oder Omega-3-Fettsäure-Mangel als Ursachen in Frage.
Wichtig: Gang zum Arzt
Trockene Augen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. „Die Beschwerden können die Lebensqualität einschränken und die Arbeitsleistung deutlich herabsetzen. Zudem kann das Sehvermögen eingeschränkt sein“, erklärt die Medizinern. Außerdem kann das Sicca-Syndrom im schlimmsten Fall zu Vernarbungen der Hornhaut und letztlich zur Erblindung führen. Die Symptome sollten daher in jedem Fall durch einen Arzt abgeklärt werden, nicht zuletzt deswegen, weil eine Selbstbehandlung oft nicht ohne Folgen bleibt. Viele herkömmliche Augentropfen enthalten Konservierungsmittel, die die Symptome verstärken, weil sie die Zellen der Augenoberfläche angreifen.
Was dagegen hilft
Das Sicca-Syndrom lässt sich durch vielfältige Maßnahmen behandeln. „Im Vordergrund dabei steht aber, die ursächlichen Auslöser zu finden und diese, wenn möglich, zu beseitigen“, so Horwath-Winter. So können etwa Tränenersatzmittel – in Form von wässrigen Lösungen oder Gelen – zum Einsatz kommen. Diese „künstlichen Tränen“ verhindern, dass die Hornhaut und das Bindegewebe des Auges austrocknen und lindern dadurch die Beschwerden. Auch stehen bestimmte Medikamente wie lokale Steroide oder der Wirkstoff Cyclosporin A (Immunsuppressivum) zur Behandlung zur Verfügung. Sie sind vor allem bei chronischen Fällen notwendig, weil sie gegen Entzündungsvorgänge wirken.
Tipps zur Selbsthilfe
Darüber hinaus können Betroffene selbst Maßnahmen setzen, die die Beschwerden lindern. Dazu zählen:
- Bei der Bildschirmarbeit ist es wichtig, regelmäßige Pausen einzulegen und auf das Blinzeln nicht zu vergessen.
- Klimaanlagen, wenn möglich, nur selten verwenden und das Gebläse im Auto nicht zum Gesicht richten.
- Räume meiden, in denen geraucht wird.
- Ausreichend Flüssigkeit trinken und auf eine gesunde Ernährung achten, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist. Diese sind in Lachs, Thunfisch oder Leinöl enthalten. Die Augenärztin dazu: „Omega-3-Fettsären wirken entzündungshemmend und positiv auf die Sekretionsleistung der Tränendrüsen und der fettbildenden Drüsen der Augenlider.“
- Das Auge vor UV-Licht schützen, z. B. durch das Tragen von Sonnenbrillen.
- Eine Lidrandmassage steigert die Durchblutung und stabilisiert den Tränenfilm: Dazu zweimal täglich nach dem Auflegen einer feuchtwarmen Kompresse mit dem Zeigefinger die Augenlider entlang der oberen und unteren Lidkante eine Minute lang massieren.
Mag. Birgit Koxeder
Juli 2012
Foto: Bilderbox