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Hypnose in der Schmerzbewältigung

Hypnose in der SchmerzbewältigungKlinische Hypnose ist ein anerkanntes Instrument der ärztlichen Behandlung bei akuten und chronischen Schmerzen. Sie kann helfen, die Schmerzen in den Griff zu bekommen und die dahinter stehenden Probleme zu erkennen.

Die Wirkung der Hypnosetherapie wurde durch zahlreiche kontrollierte klinische und experimentelle Studien nachgewiesen und ist wissenschaftlich belegt. Dennoch bleibt der hypnotische Zustand – auch Trance genannt – letztlich ein Mysterium. „Viele Menschen verbinden damit immer noch etwas Geheimnisvolles und Suspektes und denken an Showhypnotiseure, die ihre Opfer auf der Bühne unsinnige Handlungen ausführen lassen. Sie glauben, dass ein Mensch unter Hypnose der Macht des Hypnotiseurs vollkommen ausgeliefert ist und seine Befehle willenlos befolgen muss“, sagt Dr. Andrea Maria Marek, Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin mit Zusatzdiplom für Schmerztherapie und medizinischer Hypnose im Diakonissen-Krankenhaus Linz. Mit der medizinischen Hypnose hat all dies jedoch nicht das Geringste zu tun.

Therapeutischer Einsatz in der Schmerztherapie

Die Erfolgsrate bei chronischen Schmerzpatienten liegt bei etwa 50 Prozent. Erfolg bedeutet, dass man nach der Therapie so leben kann, dass die Schmerzen nicht mehr das dominierende Thema im Leben sind und das persönliche Dasein nicht ständig beeinträchtigen.
Hypnose ist eine eigenständige Intervention in der Schmerztherapie, welche Selbstheilungskräfte aktiviert und die Selbstverantwortung des Patienten fördert. Es wird dem Patienten kein Lösungsmodell übergestülpt, sondern bereits vorhandene Fähigkeiten gefördert. Prinzipiell ist jeder akute und chronische Schmerz auf diese Weise beeinflussbar, vorausgesetzt, der Patient bringt ein gewisses Maß an Neugier und Vertrauen mit sowie den Wunsch, etwas Neues zu erlernen. Gutes Visualisierungsvermögen, Phantasie und Konzentrationskraft begünstigen das Vorhaben. „Der hypnotische Zustand für sich alleine ist bereits heilsam. Belastende Begleitzustände von Schmerzen wie Anspannung, Depression und das Gefühl der Hilflosigkeit werden minimiert. Patienten berichten von verbesserter Schmerzbewältigung und Steigerung der Lebensqualität – trotz eventuell weiter bestehender Schmerzen“, berichtet Marek. Oftmals kann unter Hypnotherapie die Dosis von starken schmerzstillenden Medikamenten (etwa Morphiumpräparaten) reduziert oder deren Wirkung verbessert werden.

Dauer der Therapie

Die Dauer einer Hypnose-Therapie ist individuell sehr unterschiedlich. „Wenn chronische Schmerzpatienten zu mir kommen, dann ist es am Anfang hilfreich, alle sieben bis zehn Tage eine Sitzung zu machen. Manche Patienten kommen nur zwei oder dreimal und machen dann zuhause ihre Übungen zur Selbsthypnose, die ich ihnen beibringe, eigenständig weiter; andere kommen immer wieder und möchten in der Hypnose immer tiefer gehen und an sich arbeiten.“, so die Schmerzmedizinerin. Egal, ob man sich hypnotisieren lässt oder ob man sich selbst hypnotisiert, für beides gilt der Grundsatz: Übung macht den Meister. Je öfter man Hypnose praktiziert, umso besser gelingt das Abtauchen ins Unbewusste. Auch Hypnose CDs können hilfreich sein.

Symptomorientierte oder problemorientierte Hypnose

Die symptomorientierte Hypnotherapie zielt auf die direkte Beeinflussung des Schmerzes ab. Sie ist bei akuten Schmerzen angezeigt, deren Ursache klar ist. „Nach der ersten oder zweiten Stunde sieht man, wohin die Reise geht, also worauf die Behandlung zielt“, so Marek. Bei manchen Patienten genügt es, nur die Symptome – also etwa die Rückenschmerzen – zum Gegenstand der Therapie zu machen (symptomorientierte Therapie). Bei anderen wiederum ist es nötig, die dahinter liegenden psychischen Probleme aufzuarbeiten (problemorientierte Therapie).
Bei chronischen Schmerzzuständen beginnt man zumeist ebenfalls symptomorientiert, nach wenigen Sitzungen beginnt jedoch eine Überleitung zur problemorientierten Therapie, um die meist verdrängte Ursache aufzudecken. „Dafür hole ich mir stets vorher das bewusst gegebene Einverständnis des Patienten und auch im Laufe der Behandlung wird wiederholt die Zustimmung des Unbewussten abgefragt. Die Voraussetzung für diese Therapie ist eine stabile psychische Persönlichkeit des Patienten“, erklärt Marek.
Immer muss die zugrunde liegende Erkrankung abgeklärt sein, denn sollte der Schmerz ein Warnsignal einer ernsthaften Erkrankung sein, könnte diese eventuell verschleiert werden oder sogar unbemerkt bleiben. „Hierbei unterscheidet sich die Hypnotherapie in keiner Weise von den Grundsätzen der herkömmlichen Schmerztherapie“, erklärt die Anästhesistin.

Kontrolle abgeben

Ob und wie schnell Hypnose funktioniert, entscheidet der Patient. Er tut dies meist unbewusst durch sein Kontrollverhalten. „Manche Patienten entscheiden sich zwar bewusst für die Hypnose, ihr Unterbewusstsein aber ist da aber oft ganz anderer Meinung. Der Patient muss sich selbst erlauben, die Kontrolle abzugeben, sonst funktioniert Hypnotherapie nur oberflächlich“, sagt Marek.

Kontakt zum Unbewussten

Durch eine meist sehr bildhafte Sprache wird in Trance der Kontakt zum Unbewussten hergestellt. In diesem Zustand der fokussierten inneren Aufmerksamkeit ist ein neuer Zugang zu Empfindungen, Gefühlen und Verhaltensmustern möglich, wodurch eine erhöhte Bereitschaft für Veränderungen entsteht. Unter dem Unbewussten versteht man den großen Speicher aller lebensgeschichtlichen Erfahrungen und Fähigkeiten eines Menschen. „Mit dieser Anlage ausgestattet, ist der Patient der einzige Fachmann für seine Probleme, da er alles, was er zur Lösung braucht, bereits in sich trägt“, interpretiert Marek die Worte des amerikanischen Hypnotherapeuten Milton Erickson.
Auf die Frage nach dem Warum der Schmerzen gibt nicht der Therapeut die Antworten, sondern der Patient findet sie für sich selbst. „Jeder hat alle Lösungsmöglichkeiten in sich gespeichert, bloß weiß er das nicht. Nach der Hypnose kommen diese Lösungen ins Bewusstsein und man erkennt sie. Oft sind die Ursachen der Probleme traumatische Erlebnisse aus der Kindheit, die sehr tief sitzen“, so Marek.

Ablauf einer Hypnose

Eine Hypnosesitzung beginnt mit der Einleitungsphase. Man fokussiert sich auf einen Gegenstand (z.B. auf einen Finger oder die Spitze eines Kugelschreibers) und vergisst dadurch langsam die Welt um sich. Durch diese Fokussierung wird das bewusste Kontrollsystem überlistet. Gelingt dies, wird der Hypnotiseur Informationen an das Unterbewusstsein eingeben (sprechen), da der „Kanal“ in diesem Moment offen ist und der Patient aufnahmebereit ist. Beispielsweise wird eine angenehme Gefühllosigkeit in einem gesunden Körperteil suggeriert (z.B. der Hand) und diese dann auf das schmerzende Gebiet übertragen.
Nach dieser Einleitung der Trance folgt deren Vertiefung. In dieser Phase taucht der Patient in die Tiefen seines Unterbewusstseins ein. „Das ist vergleichbar mit dem Tauchen. Je tiefer man sich sinken lässt, desto mehr kann mehr erforschen“, sagt Marek. Hat der Patient beispielsweise stets Schmerzen aufgrund verspannter Nackenmuskeln, macht er während der Hypnose die Erfahrung, dass sich der Muskel und damit auch der Schmerz lösen kann. Durch diese Erfahrung beginnt er zu akzeptieren, dass der Schmerz tatsächlich verschwindet. Und er erkennt die wichtige Tatsache, dass er selbst die Spannung erzeugt und sie folglich künftig regulieren kann.
Ist die Therapie problemorientiert, werden die Ursachen der Schmerzen in der nun folgenden, tiefen Phase der Trance, durchleuchtet. Dann wird mit dem Unterbewusstsein sozusagen „verhandelt“, ob die Schmerzen als Ausdruck einer Störung überhaupt noch notwendig sind.

Achtung bei der Auswahl

Es gibt in Österreich keine gesetzliche Regelung, wer Hypnose anbieten darf oder welche Ausbildung dafür nötig ist. „Es gibt hier eine große Grauzone und zahlreiche hypnotische Techniken. Daher ist es wichtig, sich einen fachlich kompetenten Arzt oder Therapeuten zu suchen, der mit jedem seiner Worte authentisch wirkt“, rät die Fachärztin. Ein Zusatzdiplom für medizinische Hypnose zeigt an, ob ein Arzt eine einschlägige Ausbildung besitzt. Bei der Suche nach ausgebildeten Medizinern ist jede Schmerzambulanz behilflich.

Dr. Thomas Hartl

November 2012

Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020