Die Entfernung einer Gallenblase mittels „Einlochchirurgie“ hinterlässt beim Patienten keine sichtbaren Operationsnarben mehr. Das ist nur einer von vielen offensichtlichen Vorteilen der Weiterentwicklung der Schlüssellochchirurgie, so das Linzer Krankenhaus der Elisabethinen in einer Presseaussendung.
Das Krankenhaus veröffentlichte eine Studie, die von den vorgeblichen Vorteilen ein ganz anderes Bild zeigt. Sie wirft hingegen Fragen nach der Sinnhaftigkeit des zunehmenden „Minimalismus“ bei chirurgischen Eingriffen auf, so das Krankenhaus.
Gallenblasenentfernungen meist laparoskopisch
Im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz werden jährlich 250 bis 300 Cholezystektomien (Chirurgische Entfernung der Gallenblase) durchgeführt. Überwiegend erfolgen diese Eingriffe als laparoskopische Operation, mit den bekannten Vorteilen der Schlüssellochchirurgie: Geringes Operationstrauma, schnelle Genesung des Patienten und damit verbunden, ein kürzerer Krankenhausaufenthalt als bei der alternativen offenen Operation, so das Krankenhaus.
Weitere Minimalisierung
An der Idee, das Operationstrauma für den Patienten weiter zu verringern, wird seit 2009 international intensiv gearbeitet. In Österreich hat sich vor allem die „single incision“, die Einloch-Chirurgie, bei der der Nabel als Zugang zur Gallenblase genutzt wird, durchgesetzt. Mit nur einem kleinen Schnitt im Vergleich zu vier Schnitten bei der herkömmlichen Laparoskopie, so die Logik, sollte der Patientennutzen dementsprechend größer sein.
Laparoskopie vs. „Single Incision“
Ob diese vermeintliche Logik auch tatsächlich zutrifft, sollte eine Studie belegen, die jetzt in der Fachpublikation Langenbeck's Archives of Surgery, veröffentlicht wurde und als erste derartige Untersuchung in Österreich gilt.
Ziel der Studie war der Vergleich der Gallenblasenentfernung mit „Ein-Loch-Chirurgie“ mit der traditionellen Laparoskopie bezüglich Komplikationsrate und unterschiedlicher Ergebnisse nach der Operation. Je 67 Patienten wurden mit einer der beiden zu vergleichenden Techniken operiert.
Gallenblasenentfernung im Kh der Elisabethinen in Linz
In der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses der Elisabethinen werden jährlich 250 bis 300 Cholezystektomien durchgeführt, so das krankenhaus. Der Großteil davon in der traditionellen Laparaskopischen Methode, seit 2009 zirka ein Drittel mit der „single incicion“-Technik.
Bei der Schlüssellochchirurgie werden statt eines großen Bauchschnittes nur vier kleine Öffnungen in den Bauch geschnitten, Sie dienen als Zugang zur Gallenblase für Operationswerkzeuge und eine endoskopische Kamera. Durch eine der Öffnungen wird der Bauchraum mit CO2 aufgepumpt, um bei der Operation besser sehen zu können. Anschließend werden die Verbindung zum Gallengang und die Blutgefäße der Gallenblase abgeklemmt und abgetrennt und das Organ aus der Bauchhöhle entfernt.
Innovation zielführend?
„Wir brauchen exakte wissenschaftliche Daten, weil sich schon manche Innovation im Nachhinein als nicht zielführend erwiesen hat“, erklärt der Studienautor Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Függer.
Die Ergebnisse der Studie überraschen:
- Der Spitalsaufenthalt beider Gruppen war gleich lang,
- Die postoperativen Schmerzen, gemessen an den verabreichten Schmerzmitteln nach 24 und nach 48 Stunden waren nicht unterschiedlich.
- Bei der Komplikationsrate konnte ebenfalls kein Unterschied festgestellt werden.
- Selbst der kosmetische Vorteil der nicht sichtbaren Operationsnarben bei der „Ein-Loch-Technik“ wurde in der Patientenbefragung als nicht relevant beurteilt.
- Darüber hinaus sind die Kosten für das Equipment pro Eingriff um 300 bis 600 Euro höher, erklärte Függer gegenüber der ORF OÖ. Hochgerechnet auf 20.000 Eingriffe bundesweit seien das 1,8 bis 3,6 Mio. Euro.
Damit ergibt sich für die Einlochchirurgie kein nennenswerter Vorteil im Vergleich zur traditionellen laparoskopischen Cholezystektomie.
Nachteile überwiegen
Im Gegenteil: Die Operationszeit bei der neuen Technik liegt laut Studie mit durchschnittlich 75 Minuten über jener der Vergleichsgruppe von 63 Minuten. Der Eingriff ist komplizierter und setzt eine längere Lernkurve der Chirurgen voraus. „Mit den Erkenntnissen aus der Studie und unter Berücksichtigung der höheren Kosten werden wir die „single incision“-Technik nicht weiter forcieren. Wir werden sie aber selbstverständlich immer dann anwenden, wenn Patienten den kosmetischen Aspekt als wichtig erachten“, erklärt Függer die weitere Vorgehensweise.
Entwicklungen in der Schlüssellochchirurgie
Seit 2009 wird intensiv an der Weiterentwicklung der laparoskopischen Cholezystektomie geforscht. Dabei werden drei Richtungen verfolgt, die alle einer gemeinsamen Idee entspringen: der narbenlosen Operation.
- Zugang zur Gallenblase über natürliche Körperöffnungen. Dabei führt der Chirurg die Instrumente durch den Mund, oder bei der Frau durch die Scheide an das erkrankte Organ heran.
- Kleinere Einschnitte: Bei der Minilaparoskopie, werden die Operationsöffnungen, die üblicherweise fünf Millimeter lang sind, nur mehr drei Millimeter groß ausgeführt.
- Zugang durch den Nabel. Die single incision kommt mit einem Einschnitt aus, der im Nabel „versteckt“ und somit unsichtbar gemacht wird.
Studienergebnisse nur für Gallenblasen gültig
Die Studienergebnisse beziehen sich nur auf die Entfernung der Gallenblase. Für andere Indikationen – zum Beispiel Dickdarmoperationen – sind die Ergebnisse nicht aussagekräftig. Eine entsprechende Studie ist in Arbeit.
Mag. Christian Boukal
Oktober 2011
Foto: Bilderbox