Antibiotika helfen seit Jahrzehnten, Infektionskrankheiten wirkungsvoll zu bekämpfen. Häufigster Anwendungsbereich dieser Medikamente sind Atemwegserkrankungen, gefolgt von Harnwegsinfektionen.
Der häufige Einsatz bei Atemwegserkrankungen führt aber auch zu Problemen. „Zwei Drittel aller Verschreibungen von Antibiotika geschehen weltweit bei Erkrankungen der Atemwege. Und von diesen Verschreibungen ist ein großer Teil unnötig“, sagt Prim. Univ. Prof. Dr. Helmut Mittermayer, Vorstand des Institutes für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz.
Antibiotika nur bei bakterieller Infektion sinnvoll
Gründe dafür gibt es mehrere. Zum einen ist es für einen praktischen Arzt sehr schwierig zu erkennen, ob eine Atemwegsinfektion viral oder bakteriell bedingt ist. Nur wenn Bakterien ursächlich sind, ist der Einsatz von Antibiotika sinnvoll. Über 90 Prozent sind jedoch von Viren verursacht. In den allermeisten Fällen ist der Einsatz von Antibiotika daher nicht angebracht.
Schwierige Entscheidungsfindung für den Arzt
Bei Beschwerden wie schweren Halsschmerzen oder Husten und Fieber, muss der Arzt rasch entscheiden, ob der Einsatz von Antibiotika angebracht ist. Das Problem: Allein aufgrund der klinischen Untersuchung lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, ob Viren oder Bakterien im Spiel sind. Der Arzt ist also auf seine Erfahrung und auch auf Vermutungen angewiesen.
In dieser Situation geht dann mancher Arzt „auf Nummer Sicher“ und verschreibt ein Antibiotikum. Häufig wird er auch vom Patienten zu dieser Verschreibung gedrängt. „Kommt etwa eine Mutter mit ihrem fiebernden Kind in die Arztpraxis und will sie unbedingt ein Antibiotikum, dann wird ihr das der Arzt nur schwer verwehren, zumal er ja nicht sicher weiß, ob die Infektion viral oder vielleicht doch bakteriell verursacht ist“, sagt Mittermayer.
Abhilfe schaffen könnten verschiedene Maßnahmen, die aber in Österreichs Arztpraxen nicht Standard sind. „Schnelltests wären eine Möglichkeit. Also Untersuchungen auf Bakterien, so zum Beispiel ein Schnelltest auf Streptokokken. Das funktioniert in den Städten recht gut, ist am Land aber kaum machbar, da hier zuviel Zeit für den Transport ins Labor verloren gehen würde. Die andere Möglichkeit wäre der vermehrte Einsatz von CRP-Tests“, so Mittermayer.
Mittels CRP-Schnelltest lässt sich das „C-reaktive Protein“, binnen Minuten bestimmen. Ist der CRP-Wert normal, kann man eine bakterielle Infektion weitgehend ausschließen und der Einsatz eines Antibiotikums wird überflüssig. „Der Einsatz eines solchen Tests bei praktischen Ärzten würde viele unnötigen Verschreibungen von Antibiotika verhindern und wäre jedenfalls sinnvoll“, so Mittermayer. Mit einer solchen Entscheidungshilfe hätten Ärzte selbst bei Patienten, die unbedingt ein Antibiotikum haben möchten, aber keines brauchen, ein treffendes Argument.
Nebenwirkungen und Wechselwirkungen
Mittermayer appelliert an Ärzte, Antibiotika nicht leichtfertig zu verordnen und an Patienten, dem Urteil des Arztes zu vertrauen. Es gelte Patienten aufzuklären, warum im konkreten Fall ein Antibiotikum nicht sinnvoll sei und auf mögliche Nebenwirkungen aufmerksam zu machen. „Wer bei bloß viraler Infektion ein Antibiotikum zu sich nimmt, begibt sich damit zwar in keine akute Gefahr, er muss jedoch mit Nebenwirkungen rechnen, wie etwa Übelkeit und Durchfall oder mit dem Entstehen von Allergien“, so der Mikrobiologe.
Auch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind bei manchen Antiinfektiva zu beachten. Etwa bei Antimykotika (Pilzmittel). „Bei Antibiotika, die bei Atemwegsinfektionen zum Einsatz kommen, sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zwar möglich, meist aber harmlos. Um sicherzugehen, sollte man im konkreten Fall jedenfalls einen Arzt fragen und vor allem keine Selbstmedikation betreiben“, sagt Mittermayer.
Er spielt dabei auf die Tatsache an, dass Antibiotika manchmal „auf Verdacht“ verschrieben werden. Der Patient bekommt dieses Medikament verschrieben, um es einzunehmen, falls die Erkrankung nicht mit herkömmlichen Medikamenten in Griff zu bekommen ist. Solchermaßen verschriebene Antibiotika werden oft nicht eingenommen und zu Hause gehortet. Nicht selten werden diese Medikamente bei einer neuerlichen Erkrankung ohne ärztliche Untersuchung eingenommen.
Antibiotika verlieren Wirkung
Ein Vorgehen, das nicht ungefährlich ist. „Denn zusätzlich zu möglichen Nebenwirkungen sollte man das Problem der Resistenzentwicklung im Auge behalten“, sagt Mittermayer. Angesichts eines immer häufigeren Auftretens einer Antibiotika-Resistenz (Wirkungsverlust) ist ein vorsichtiger und maßvoller Umgang mit diesen Medikamenten geboten. „Im Falle vieler unnötiger Antibiotika-Einnahmen besteht auf lange Sicht das Hauptrisiko darin, dass viele wichtige Bakterien dagegen resistent werden und damit die Behandelbarkeit von Infektionen eingeschränkt wird“, warnt der Mikrobiologe.
Seit Jahren lässt sich eine Zunahme von antibiotikaresistenten Keimen beobachten. Die Entwicklung ist nicht zu unterschätzen. „In manchen Bereichen sind Resistenzen sprunghaft angestiegen. Der Prozentsatz bestimmter Keime, die auf wichtige Antibiotika resistent wurden, ist in den letzen Jahren von sieben auf 25 Prozent gestiegen. Bei einem Viertel aller Patienten, die mit schweren Infektionen ins Krankenhaus kommen, sind die eingesetzten Antibiotika bereits wirkungslos“, so Mittermayer.
Um dieser Entwicklung gegen zu steuern, ist ein vorsichtiger, sparsamer und gezielter Einsatz von Antibiotika nötig. Patienten sollten nicht auf unnötige Verschreibungen drängen und Ärzte sollten Patienten über Wirkungen und mögliche Nebenwirkungen aufklären.
Dr. Thomas Hartl
Juli 2009
Foto: Bilderbox