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Herzschrittmacher: Auf ein Zehntel geschrumpft

Herzschrittmacher: Auf ein Zehntel geschrumpftDer weltweit erste Einsatz des derzeit kleinsten Herzschrittmachers erfolgte am Akh Linz. Der neue Schrittmacher ist nur ein Zehntel so groß wie ein konventioneller Schrittmacher, hat die Größe einer Vitamintablette und das Gewicht einer kleineren Geldmünze. Er wird minimalinvasiv implantiert und kommt ohne Kabel und „Tasche“ unter der Haut aus.

Am 5. und 6. Dezember 2013 wurden von Prim. Doz. Dr. Clemens Steinwender die ersten vier Geräte erfolgreich implantiert. Das MicraTM Transkatheter Schrittmacher-System (Transcatheter Pacing System, TPS) des Medizintechnik-Unternehmens Medtronic aus Minneapolis in den USA wird minimalinvasiv eingesetzt. Dabei wird das Gerät über die Oberschenkelvene durch einen dünnen, biegsamen Schlauch („Katheter“) direkt in das Herz vorgeschoben. Der Herzschrittmacher wird durch Fixierungsanker an der Herzwand angebracht und kann bei Bedarf neu positioniert werden. Micra TPS kommt ohne Kabel aus. Er sendet die elektrischen Impulse, die das Herz zur Kontraktion anregen, über eine Elektrode am Ende des Systems. Die Lebenszeit der Batterie beträgt bis zu zehn Jahre.

Kleiner und leichter

Das Gerät (MicraTM Transkatheter Schrittmacher-System des Medizintechnik-Unternehmens Medtronic) unterscheidet sich wesentlich von bisher in Verwendung befindlichen Herzschrittmachern. Das neue Gerät ist nur 26 x 7 mm groß und nur zwei Gramm schwer. Konventionelle Geräte sind viel größer (45 x 50 x 8 mm) und schwerer (25-35 g). Sie können daher nicht minimalinvasiv implantiert werden sondern müssen mittels eines chirurgischen Brustschnittes in einer Hauttasche unterhalb des Schlüsselbeines eingebettet werden. Außerdem benötigen sie noch ein Elektrodenkabel („Sonde“) zur Abgabe der Impulse ans Herz. Da der MicraTM ohne Sonde auskommt (er liegt ja nur im Herz und die Sonde ist seine vordere Spitze) wird er auch „sondenloser Schrittmacher“ bzw. „leadless pacemaker“ genannt. Experten sind sich einig, dass den sondenlosen Schrittmachern die Zukunft gehört, da sie ohne Schnitt, sondern nur durch die Punktion in der Leiste implantiert werden können, auf die lange Sonde von der Schlüsselbeinregion zur Herzspitze verzichtet werden kann und insgesamt die Masse des implantierten Fremdkörpers viel geringer ist.
„Diese miniaturisierte Technologie wurde entwickelt, um Patientinnen und Patienten die hochentwickelte Schrittmachertechnologie herkömmlicher Schrittmacher über einen minimalinvasiven Zugang zu ermöglichen“, sagt Prim. Doz. Dr. Clemens Steinwender, der weltweit zum ersten Mal einen Micra-Transkatheter-Schrittmacher implantierte. „Es freut uns, dass die Kardiologie des AKh Linz ausgewählt wurde, um bei dieser weltweiten klinischen Studie mitzumachen und vor allem das erste Gerät zu implantieren. Wir haben mittlerweile bei zwei Patientinnen und zwei Patienten ein solches Gerät implantiert. Alle Prozeduren sind völlig komplikationslos verlaufen und die neuen Schrittmacher funktionieren jeweils einwandfrei. Bei positiven Studienergebnissen könnten mehr als eine Million Menschen weltweit profitieren, denen jedes Jahr ein Schrittmacher implantiert wird“.

Keine sichtbaren Zeichen mehr

Anders als bei herkömmlichen Schrittmachern, ist bei der Implantation des Micra TPS weder ein chirurgischer Schnitt in der Brust erforderlich noch eine „Tasche“ unter der Haut. Das beseitigt nicht nur eine potentielle Komplikationsquelle, sondern auch jedes sichtbare Zeichen, dass jemand einen Herzschrittmacher trägt.
Der Zugang erfolgt hierbei über eine venöse Punktion in der Leiste, ähnlich wie bei einer Herzkatheteruntersuchung. Anders als beim Einsetzen eines herkömmlichen Schrittmachers, wo in der Region unter dem Schlüsselbein ein mehrere Zentimeter langer Schnitt gesetzt, eine Tasche für das Gerät präpariert und schlussendlich wieder schichtweise vernäht werden muss, ist die Punktionsstelle beim MicraTM nur wenige Millimeter weit und wird nach Rückzug des Katheters mit lediglich zwei einzelnen Hautnähten verschlossen.
Das Fehlen eines großen Schrittmachers unter der Haut hat potentielle Vorteile: Es liegt kein Fremdkörper im Unterhautgewebe, der drücken, schmerzen oder sich gar entzünden kann. Außerdem ist dadurch von außen überhaupt nicht festzustellen, dass der Patient einen Schrittmacher trägt.
Das Fehlen einer Sonde ist ebenfalls aus mehreren Gründen positiv: Sonden können eventuell in ihrem elektrischen Innenleben brechen und verlieren damit ihre Funktion. Sie müssen dann aufwendig entfernt oder durch eine zusätzliche Sonde ergänzt werden. Weiters können sie eine Herzklappe in ihrer Funktion behindern oder als Fremdkörper mit Keimen besiedelt werden.
Aus diesen Gründen sind sich Experten einig, dass diese Technologie die Zukunft der Schrittmachertechnik darstellt.

Klinische Tests bis 2014

Die Wirksamkeit und Sicherheit des Micra TPS wird gegenwärtig in einer weltweiten klinischen Studie mit rund 780 Patienten in etwa 50 Zentren evaluiert. Erste Ergebnisse von 60 Patienten nach einem Beobachtungszeitraum von drei Monaten werden in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 erwartet.

Geschwindigkeit wird reguliert

Herzschrittmacher können ein zu langsames Herz wieder flotter machen, also den Puls an die Bedürfnisse des Körpers anpassen. Sie entsprechen, wenn man ein technisches Bild bemühen will, den Zündkerzen bei einem Motor, so das AKh Linz in einer Presseaussendung.
Bei verschiedenen Krankheiten des Herzens kann im Lauf der Jahre, vor allem in höherem Alter, ein zu langsamer Herzschlag auftreten, sodass das Herz der Patienten seine Geschwindigkeit nicht mehr dem jeweiligen Bedarf anpassen kann. Dies macht dann oft die Implantation eines Schrittmachers notwendig. Hierbei muss zwischen Schrittmachern mit einer, zwei oder drei Sonden unterschieden werden. Der MicraTM ersetzt vorerst die 1-Sonden-Geräte, wobei an kleinen 2-Sonden-Geräten, ähnlich dem MicraTM, bereits gearbeitet wird.
Insgesamt werden im AKh Linz etwa 400 Schrittmacher pro Jahr implantiert. Davon wird während der nächsten Jahre wohl etwa ein Viertel durch Schrittmacher wie den MicraTM minimalinvasiv, ohne Sonden und Hautschnitt, implantiert werden können.

Internationale Spitzenmediziner

Die Kardiologen der Interne 1 des AKh Linz gelten international als Spitzenmediziner. Die Entscheidung, gerade am AKh Linz den weltweit ersten und kleinsten Herzschrittmacher zu implantieren, fiel nach mehreren Auswahlverfahren, bei denen auch die bisherigen wissenschaftlichen Aktivitäten, Implantationszahlen und deren Ergebnisse berücksichtigt wurden, berichtet das Akh Linz.

Mag. Christian Boukal
Dezember 2013


FOTO: AKh Linz

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020