Cholesterin und Herztod ist wie Rauchen und Lungenkrebs. Der enge Zusammenhang zwischen dem Rauchen und Lungenkrebs ist den meisten Menschen bewusst. Wenige wissen, dass auch der Zusammenhang zwischen hohem Cholesterin und Herzinfarkt in der Wissenschaft längst zu den erwiesenen Tatsachen zählt. Wer als Risiko-Patient nicht auf seinen Cholesterin-Wert achtet, gießt im wahrsten Sinn des Wortes Öl ins Feuer – und steuert auf den Herztod zu.
Das Wissen um den frühzeitig einsetzenden und schleichend verlaufenden Prozess der Arteriosklerose verdankt die Wissenschaft einem traurigen Ereignis: dem Vietnam-Krieg. Untersuchungen an gefallenen US-Soldaten zeigten, dass bereits bei rund einem Drittel der jungen Männer Vorstufen von Arteriosklerose zu erkennen waren – sozusagen als frühe Vorboten eines Herzinfarkts, der zwei bis drei Jahrzehnte später hätte auftreten können. Univ.-Prof. Dr. Michael Gottsauner-Wolf, Kardiologe an der Wiener Universitätsklinik: „Da hat man erstmals gesehen, dass Herz-Kreislauf-Krankheiten, die in der Statistik der Todesursachen mit mehr als 50 Prozent klar an der Spitze liegen, eine lange und klinisch stumme Vorgeschichte haben.“
Nun ging man daran, die Verursacher der krankhaften Veränderungen der Arterien zu identifizieren und schließlich im nächsten Schritt wirksame Strategien dagegen zu entwickeln. Als Hauptverursacher der Arteriosklerose wurde Cholesterin dingfest gemacht. Neben den Triglyceriden sind die Cholesterine die wichtigsten Blutfette und für den menschlichen Körper unverzichtbar. An Eiweiße gebunden wird das Fett im Blutkreislauf transportiert, um als Energielieferant oder Baustoff für Zellen zur Verfügung zu stehen. Eine Gefahr für Herz und Gefäße stellt Cholesterin dar, wenn es im Übermaß vorkommt. Der Körper kann sich nur auf zwei Arten gegen das Überangebot an Cholesterin zur Wehr setzen. Er scheidet es über die Leber aus oder lagert es in den Wänden der Arterien ab. Letzteres führt zu Schädigungen der Arterienwand, die sich im Lauf der Jahre zu einer lebensbedrohenden Krankheit entwickeln können. Die Gefäßwand wird immer dicker, verliert gleichzeitig ihre Elastizität und verkalkt. Der Innendurchmesser der Arterien wird immer geringer, die betroffenen Organe werden immer schlechter mit Blut versorgt – bis zum vollständigen Verschluss. Beim Herz nennt man das dann Infarkt.
Eindrucksvoller Beweis mit 4.444 Patienten
Eindrucksvoll belegt wurde der Zusammenhang zwischen hohen Cholesterin-Werten und Herztod im Jahr 1994 durch die sogenannte 4S-Studie. Die vier S stehen für „Scandinavian Simvastatin Survival Study“. Über Jahre hinweg wurden insgesamt 4.444 Patientinnen und Patienten beobachtet, die an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung litten. Die meisten von ihnen hatten bereits einen Herzinfarkt oder Angina pectoris hinter sich. Nach fünf Jahren zeigte sich, dass der Cholesterin-Senker Simvastatin das Sterbe-Risiko um 34 Prozent reduziert hatte – und zwar unabhängig von anderen Faktoren, wie etwa dem Geschlecht oder dem Alter der Patienten. Nach weiteren zwei Jahren bestätigte sich der Trend. Erstmals war damit der Beweis erbracht, dass man mit einer Senkung des Cholesterin-Spiegels die gefährlichen Ablagerungen in den Arterienwänden stoppen und damit Herzinfarkte verhindern konnte. Professor Gottsauner-Wolf: „Mittlerweile weiß man, dass Statine die Plaque in den Gefäßen verändern und auch einen Einfluss auf den arteriosklerotischen Prozess nehmen. Vermutlich lässt sich der Prozess nicht nur stoppen, sondern sogar umkehren.“
Cholesterin kommt im menschlichen Blutkreislauf in Form von zwei verschiedenen Bindungen an Transport-Eiweiße (Lipoproteine) vor, dem Low Density Lipoproteine (LDL) und dem High Density Lipoproteine (HDL). Während die LDL-Variante für die gefährlichen Ablagerungen verantwortlich gemacht und daher auch als „böses“ Cholesterin bezeichnet wird, besorgt das „gute“ HDL den Abtransport des Blutfetts in die Leber und kann sogar zum Abbau von Ablagerung in den Gefäßen beitragen. Das Bedauerliche dabei: Man kann den Anteil an „gutem“ HDLCholesterin nicht markant steigern. Michael Gottsauner-Wolf: „Auch große sportliche Anstrengungen und eine Umstellung der Ernährung bringen leider nur geringe Verbesserungen.“ Leichter zu beeinflussen ist der LDL-Anteil im Blut. Der Verzicht auf „Cholesterinbomben“ wie beispielsweise Innereien, Ei oder fette Fleisch- und Wurstsorten gehört genauso dazu wie regelmäßige körperliche Betätigung.
Das Gesamtrisiko ist entscheidend
Wer wirkungsvoll einem Herzinfarkt vorbeugen will, kommt um eine Beurteilung seines Gesamtrisikos nicht umhin. Dabei spielen erbliche Veranlagungen genauso eine Rolle wie das Rauchen, ein hoher Blutdruck, Übergewicht oder Diabetes. Auf dieser Basis kann der Arzt ermitteln, welcher Cholesterin-Wert erreicht werden sollte. Bei normalem Risiko sollte etwa ein LDL-Wert von 135 Milligramm pro Deziliter Blut nicht überschritten werden. Sind bereits koronare Herzkrankheiten aufgetreten, muss der Wert unter 100 Milligramm gedrückt werden. Bei einer bereits bestehenden Verschlusskrankheit ist ohnehin Alarmstufe Rot angesagt. Dr. Michael Gottsauner-Wolf: „Wer bereits an Arteriosklerose leidet und seinem Körper trotzdem erhöhtes Cholesterin zumutet, gießt im wahrsten Sinn des Wortes Öl ins Feuer.“
Heinz Macher
Juli 2010
Grafik: deSign of Life, privat
Kommentar
„Auch wenn wir über die Arteriosklerose noch nicht alles wissen. Der Zusammenhang zwischen hohem Cholesterin-Wert und dem Auftreten von kardiovaskulären Krankheiten ist eindrucksvoll bewiesen. Bei erhöhtem Risiko nicht auf den Cholesterin-Wert zu achten, heißt Öl ins Feuer gießen.“
Univ.-Prof. Dr. Michael Gottsauner-Wolf
Kardiologe, Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin