Was Blutbild und andere Labortests verraten. Laborbefunde sind wertvolle Helfer beim Aufspüren und der Behandlung von Krankheiten. Doch kein Test ist perfekt und vor allem ist der Mensch immer mehr als die Summe seiner Laborwerte.
Körperflüssigkeiten verraten eine Menge: Sie geben Hinweise darauf, ob jemand an einer bestimmten Krankheit leidet, ob eine Therapie erfolgreich ist oder wie genau es ein Patient mit der vorgeschriebenen Einnahme von Medikamenten nimmt. Doch der Blick in den Körper via Labor ist dennoch keine absolut exakte Wissenschaft. Denn was bei einer Laboruntersuchung herauskommt, kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein. Es gibt keinen bestimmten Normwert, der exakt belegt, ob etwa die Niere eines Patienten einwandfrei funktioniert oder nicht. Meist gilt eine ganze Bandbreite von Werten als normal: Diesen Bereich nennt man den Referenz- oder Normalbereich.
Werte hinterfragen
Liegt ein Wert außerhalb dieses Normalbereichs, wird das auf dem Laborbefund extra markiert – etwa durch ein Sternchen. Das ist Routine und wird vom EDV-Programm des Labors automatisch so gemacht. Doch ein Sternchen oder anderes Symbol bedeutet noch lange nicht, dass ein Mensch krank ist. Das betont Dr. Gerhard Kober, Erster Oberarzt des Institutes für medizinische und chemische Labordiagnostik am Landeskrankenhaus Klagenfurt: „Man kann mit den schönsten Werten schwerkrank und mit Werten, die außerhalb der Norm liegen, völlig gesund sein!“ Und vor allem dürfe man die Werte nicht isoliert betrachten: „Der Mensch ist nicht einfach die Summe seiner Laborwerte. Und oft muss man die Dinge hinterfragen“, weiß der erfahrene Diagnostiker.
Denn auch umgekehrt bedeutet ein normaler Laborwert nicht automatisch, dass ein Mensch gesund ist. So sind etwa bei jedem dritten Patienten mit einer chronischen Hepatitis C die Leberwerte ganz normal. Trotzdem leiden diese an einer sehr ernsten Erkrankung der Leber.
Ungewollt verfälscht
Der Wert auf dem Laborbefund ist also nicht alles. Ja, Messdaten können sogar ungewollt verfälscht sein – etwa wenn jemand bestimmte Medikamente einnimmt, die das Blutbild beeinflussen. Der Arzt, der den Laborbefund in die Hand bekommt, sieht diesen Zusammenhang vielleicht auf den ersten Blick, wenn er seinen Patienten gut kennt. „Ich rate Patienten daher dringend davon ab, ihren Befund auf eigene Faust zu interpretieren – meist passiert das ja mit Hilfe von Informationen aus dem Internet“, warnt Dr. Kober. Denn auf diese Weise könnten sich in einem Menschen ungeheure Schreckensszenarien aufbauen: Visionen von lebensbedrohlichen Krankheiten, auf die Laborwerte vermeintlich hinweisen, haben schon vielen Untersuchten schlaflose Nächte bereitet. Doch oft entpuppen sind die scheinbar so glasklaren Hinweise, die sich dem Laien mit Hilfe des Internets erschließen, nach dem Gespräch mit dem Arzt als heiße Luft. Auch die Ergebnisse von medizinischen Schnelltests, die es in Drogeriemärkten zu kaufen gibt, sollte man immer mit seinem Arzt besprechen.
Die Labormedizin kann sehr viel, aber sie hat Grenzen. Die Früherkennung von Krebs kann sie zum Beispiel nicht leisten. Zwar wurden entsprechende Messmethoden entwickelt. Doch die sogenannten Tumormarker haben die in sie gesetzten Hoffnungen bisher nicht erfüllt und sind lediglich ein Instrument bei der Verlaufskontrolle der Erkrankung.
Daher sind auch Versprechungen unseriös, mittels einer Routine-Vorsorgeuntersuchung Krebs aufspüren zu können. Das ist nach dem heutigen Stand der Labormedizin nicht möglich und kann zu falsch-positiven Befunden führen und den Patienten unnötig belasten.
Fehlalarm
Eine Ausnahme ist das Prostatakarzinom: Die sogenannte PSA-Untersuchung wird bei der Vorsorgeuntersuchung eingesetzt. PSA ist die Abkürzung für prostataspezifisches Antigen. Das ist ein Eiweißstoff, den die Prostata erzeugt und an das Blut abgibt, wo er gemessen werden kann. Bei Prostatakrebs ist dieser Wert deutlich erhöht. Doch auch der PSA-Test ist in die Kritik geraten: unter anderem wegen der hohen Zahl an Fehlalarmen. Denn auch eine Entzündung der Vorsteherdrüse oder ihre gutartige Vergrößerung kann zu höheren Werten führen. Ein einmalig erhöhter PSA-Wert bedeutet also nicht automatisch Prostatakrebs.
Bei der Früherkennung von Krebs konnte die Labormedizin die in sie gesetzten Erwartungen noch nicht erfüllen. Doch in anderen Bereichen gibt es vielversprechende neue Entwicklungen. So kann etwa mit der neuen PCR-Methode festgestellt werden, ob sich bestimmte krankmachende Viren im Körper eingenistet haben. Und auch bei der Feststellung einer Herzschwäche mit sogenannten Herzinsuffizienzmarkern hat sich viel getan. Das gilt auch für Tests zum Nachweis der Osteoporose.
Laborwerte sind inzwischen in allen anderen Bereichen der Medizin unverzichtbar: „In 60 Prozent aller Krankheitsfälle ist die Labordiagnostik für die Diagnose sehr wichtig“, erklärt Dr. Kober. Er selbst freut sich noch immer über jeden negativen Befund, der keinen Hinweis auf eine Erkrankung liefert.
Dr. Regina Sailer
März 2010
Foto: shutterstock, privat
Vertrauenswürdige Information
Blutbild, Zucker-, Leber-, Schilddrüsen- oder Nierenwerte sind nur ein kleiner Teil dessen, was die moderne Labormedizin heute messen kann. In deutschen Kliniken werden aktuell pro Patient bis zu 180 Laborwerte angefordert. In Österreich dürften es laut Einschätzung des Verbandes der österreichischen Diagnosticaund Diagnostica-Gerätehersteller (ÖDGH) ähnlich viele sein. Zu all diesen Laborwerten gibt es viele oft verwirrende und einander sogar widersprechende Informationen im Internet. Wer online recherchiert, sollte die Quellen daher sorgfältig auf ihre Glaubwürdigkeit prüfen. Vertrauenswürdig ist etwa das Aufklärungsportal www.labtestsonline.de. Es wird unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) betrieben und ist auch für österreichische Untersuchungen aussagekräftig. Informationen lassen sich über das Portal auf zwei Wegen abrufen: sowohl unter den Bezeichnungen für Laboruntersuchungen und Werte, als auch unter der Bezeichnung einer Erkrankung. Außerdem erklärt die Plattform mehr als 500 medizinische Fachbegriffe in verständlichen Worten.
Fragen ist wichtig
Wer von seinem Hausarzt oder Facharzt zur Laboruntersuchung geschickt wurde und anschließend von der Ordination nichts mehr hört, sollte selbst aktiv werden. Denn Funkstille bedeutet nicht unbedingt, dass alles in Ordnung ist. Dass Befunde nicht an ihrem Bestimmungsort ankommen oder falsch abgelegt werden, kann nie ganz ausgeschlossen werden. Im schlimmsten Fall kostet das wertvolle Zeit, in der eine möglicherweise gefährliche Erkrankung nicht rechtzeitig behandelt wird. Wer bei einer Untersuchung war – und das gilt auch für andere Bereiche wie etwa Röntgen – sollte daher unbedingt alle Ergebnisse bei seinem Vertrauensarzt nachfragen.
Kommentar
Dr. Gerhard Kober
Erster Oberarzt des Institutes für medizinische und chemische Labordiagnostik am LKH Klagenfurt