Es mag für Eltern mitunter erschreckend sein, wenn sie bei ihrem Neugeborenen einen roten Punkt feststellen, der allmählich größer wird. Die meisten dieser infantilen Hämangiome – umgangssprachlich als Storchenbiss bezeichnet – sind jedoch harmlos und bilden sich von selbst wieder zurück. Dr. Harald Kubiena erklärt, wann dennoch eine Therapie notwendig ist und welche Methoden zur Verfügung stehen.
Infantile Hämangiome (IF) werden umgangssprachlich auch als Blutschwamm oder Storchenbiss bezeichnet. Dabei handelt es sich um gutartige Gefäßtumoren, die bei rund zehn Prozent aller Neugeborenen auftreten. Sie entstehen aus sogenannten Endothelzellen. Das sind Zellen, die die Blutgefäßwände auskleiden. Doch wie kommt es zur Bildung eines Hämangioms? „Infantile Hämangiome zählen zu den häufigsten gutartigen Tumoren des Kindesalters. Über die Ursachen ihrer Entstehung kann man derzeit allerdings noch keine verbindlichen Aussagen treffen. Wir arbeiten in einer österreichweiten Arbeitsgemeinschaft deshalb intensiv daran, diese Frage zu klären“, erklärt Dr. Harald Kubiena von der interdisziplinären Arbeitsgruppe für Hämangiome und vaskuläre Malformationen an der Medizinischen Universität Wien und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft AIVA (Arbeitsgruppe für interdisziplinäre Behandlung vaskulärer Anomalien in Österreich).
Auf oder unter der Haut
Das Erscheinungsbild dieser „Storchenbisse“ kann variieren: „Die meisten Hämangiome treten in der zweiten bis dritten Lebenswoche auf und zeichnen sich als roter Punkt ab, der auf der Haut erscheint“, so der Mediziner. Dieser Fleck nimmt an Größe zu und zeigt sich schließlich als scharf begrenzte rötlich-blaue Erhebung auf der Haut. In seltenen Fällen verlaufen Hämangiome subkutan im Unterhautfettgewebe, wo sie sich als wachsende Schwellung bemerkbar machen. Frühgeborene oder Neugeborene unter 2.500 Gramm Geburtsgewicht sind häufiger betroffen. „Das gleiche gilt für Mädchen: Von fünf Neugeborenen mit Hämangiom sind drei weiblich“, so Kubiena.
Wachstum, Stillstand, Rückbildung
Die Blutschwämme durchlaufen in den meisten Fällen drei Phasen: Die Wachstumsphase (Proliferation) vollzieht sich innerhalb des ersten Lebensjahres. Dabei nimmt das Hämatom an Größe zu oder wächst in die Tiefe. Die Proliferation verläuft von Kind zu Kind unterschiedlich schnell: Während einige Hämangiome kaum an Größe gewinnen, können andere wiederum besonders rasch wachsen. Es folgt die Stillstandsphase, die unterschiedlich lange dauern kann. Kubiena: „Der Großteil der Hämangiome bildet sich dann bis zum neunten Lebensjahr wieder langsam zurück, was auch als Involution bezeichnet wird.“ Die Hämangiome wechseln dann auch die Farbe vom kräftigen zum verblassten Rot. Im Anschluss an die Rückbildung können leichte Verfärbungen, eine dünnere Haut an der betroffenen Stelle oder erweiterte Blutgefäße zurückbleiben. Einmal „geschrumpft“, kann ein Hämangiom aber nie wieder wachsen. Leider gibt es auch eine Ausnahme: „Wir beobachten Hämangiome, die bereits nach der Geburt voll entwickelt sind. Man bezeichnet sie als kongenitale Hämangiome. Diese können entweder von selbst wieder involutieren oder aber sie schrumpfen überhaupt nicht. Sie treten allerdings selten auf“, so der Facharzt für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie.
Lokalisation: häufig im Gesicht
Da Hämangiome auch innerhalb des Körpers auftreten können, ist eine gründliche Untersuchung notwendig. Bei der Diagnose erweist sich vor allem die Ultraschalluntersuchung als hilfreich. Obwohl Hämangiome an sich nicht bösartig sind, können sie durch ihr Wachstum umliegende Strukturen verdrängen oder auf Nerven und Gefäße drücken. „Zwei Drittel der Hämangiome entstehen im Gesicht wie etwa an der Nase, den Lippen oder Augen“, erklärt Kubiena. Bei Blutschwämmen im Gesicht ist es möglich, dass diese Gesichtsasymmetrien verursachen. Auch Deformierungen der Lippen oder Zahnfehlstellungen können auftreten. Zudem können Nasendeformationen die Nasenatmung erschweren. Hämangiome im Genitalbereich können Blutungen, Infektionen oder Schmerzen begünstigen. Nicht zu unterschätzen ist die ästhetische Beeinträchtigung, die von Hämangiomen ausgehen kann.
Meistens keine Therapie notwendig
Bei den meisten Hämangiomen lautet die Therapie: Abwarten. Oft bilden sich die Blutschwämmchen von alleine zurück. Ist das nicht der Fall oder beeinträchtigen sie bestimmte Funktionen wie Sehen oder Atmen, ist eine Behandlung notwendig. Der Mediziner dazu: „Die gängigste Behandlungsmethode ist der Einsatz des Beta-Blockers Propranolol. Dabei treten weniger Nebenwirkungen auf als bei Kortison. Es kann jedoch zu Unruhegefühlen oder Schlafstörungen kommen.“ In einigen Fällen kann auch eine operative Entfernung des Hämangioms notwendig sein. Vor allem dann, wenn der „Storchenbiss“ zu einem Funktionsverlust führen kann, etwa wenn er das Auge schädigt. Zurück bleibt dabei jedoch eine Narbe. Weitere Maßnahmen sind die Behandlung mit Kälte (Kryotherapie) in Form von flüssigem Stickstoff. Nachteil der Methode: Das Hämangiom darf nur wenige Millimeter dick sein. Nach der Behandlung können sich Blasen oder Krusten bilden oder Narben auftreten. Oberflächliche Hämangiome lassen sich auch mit dem Laser behandeln. „Über die medikamentöse Behandlung von kongenitalen Hämangiomen gibt es bislang noch keine verlässlichen Daten“, so Kubiena abschließend.
MMag. Birgit Koxeder
Dezember 2011
Foto: Bilderbox