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Farbenblindheit: Im Einheitsgrau

Farbenblindheit: Im EinheitsgrauVon wegen bunte Welt: Menschen mit Farbsinnstörungen haben Probleme beim Erkennen gewisser Farben oder können in seltenen Fällen auch gar keine Farben sehen. Dr. Theresia Karoline Keindl erklärt, wie es dazu kommt.

Personen, die Farben nicht oder nur erschwert erkennen können, haben es im Alltag nicht immer leicht. Die Ampel ist ein klassisches Beispiel dafür. Steht sie auf Rot, haben Menschen mit einer Rot-Sehschwäche Schwierigkeiten beim Sehen dieser Farbe. Sie wissen dann nur, dass sie nicht fahren dürfen, wenn das obere Signal leuchtet. Probleme bereiten ihnen aber auch die Bremslichter von vorausfahrenden Autos.

Von Stäbchen und Zapfen

Wie funktioniert das Sehen von Farben überhaupt? Das Licht fällt durch die Linse in das Auge ein und trifft auf die Netzhaut. Dort sitzen zahlreiche Sinneszellen – die Stäbchen und Zapfen. Währen die Stäbchen die Hell-Dunkel-Wahrnehmung ermöglichen und für das Dämmerungs- und Nachtsehen zuständig sind, sorgen die Zapfen für die Farberkennung. Dabei werden sie durch das Licht bestimmter Wellenlängen angeregt. „Es gibt Rot-, Grün- und Blau-Zapfen mit dem jeweils passenden Pigment. Da das normale Farbsehen mit drei verschiedenen Zapfen aufgebaut ist, spricht man vom trichromatischen Sehen“, erklärt Dr. Theresia Karoline Keindl, Leiterin der Spezialambulanz für Strabologie und Neuroophthalmologie an der Universitätsaugenklinik der Paracelsus Medizinischen Privat-Universität Salzburg und ergänzt: „Verschiedene Wellenlängen des Lichtes aktivieren die drei verschiedenen Zapfentypen in unterschiedlichem Ausmaß. Aus dem Muster dieser Aktivierung kann nach Verarbeitung in der Netzhaut und nach Weiterleitung in das Gehirn jeweils eine bestimmte Farbe erkannt werden.“

Farbschwäche und Farbenblindheit

Menschen, die unter einer Farbsinnstörung leiden, können bestimmte Farben nicht gut oder gar nicht sehen. „Wenn ein Pigment zwar vorhanden, aber fehlerhaft ist, spricht man vom anomalen trichromatischen Sehen oder von einer Farbschwäche. Fehlt hingegen ein Pigment ganz, so handelt es sich um eine Farbenblindheit oder um dichromatisches Sehen“, so die Medizinerin. Bei einer Grünschwäche etwa können Betroffene Rot von Grün schlechter unterscheiden. „Zudem kann es vorkommen, dass nur die Blau-Zapfen vorhanden sind, was als Blau-Zapfen-Monochromatismus bezeichnet wird, oder dass gar keine Zapfen vorliegen“, fügt Keindl hinzu. Diese beiden seltenen Erkrankungen nennt man auch Achromatopsie. Kennzeichnend sind eine totale Farbenblindheit und ein eingeschränktes Sehvermögen.

Das Geschlecht macht den Unterschied

Männer sind übrigens häufiger von Farbsinnstörungen betroffen als Frauen. Das liegt daran, dass die Erkrankungen geschlechtsgebunden vererbt werden. Keindl erklärt: „Die Pigmente der Zapfen werden durch verschiedene Gene codiert. Zwei Gene für das Rot- und das Grün-Pigment befinden sich auf dem X-Chromosom. Das Gen für das Blau-Pigment sitzt auf einem anderen Chromosom. Da Männer nur jeweils ein X-Chromosom haben, können sie bei einer Störung oder dem Fehlen des Rot- oder Grün-Pigmentes kein normales Farbsehen haben und sind deutlich häufiger von angeborenen Farbsinnstörungen betroffen als Frauen, die über zwei X-Chromosomen verfügen. So leiden etwa acht Prozent der Männer unter einer angeborenen Rot- oder Grün-Störung, während das nur auf 0,4 Prozent der Frauen zutrifft.“

Was macht der Arzt?

Um Farbsinnstörungen zu erkennen, führt der Augenarzt verschiedene Untersuchungen durch. Dazu zählt der Einsatz von Farbtafeln: „Bei diesen pseudoisochromatischen Tafeln werden bunte Figuren oder Zahlen angeboten, wobei es bei einer vorhandenen Farbstörung zu typischen Verwechslungen kommt“, erklärt die Fachärztin. Zudem sind Farbanordnungstests möglich. Dabei müssen die Patienten 15 oder mehr Farbknöpfe ihrer Ähnlichkeit nach in kontinuierlicher Reihenfolge ordnen. Auch kann eine Untersuchung mit dem Anomaloskop notwendig sein. „Mit diesem Gerät kann rotes und grünes Licht zu gelbem Licht gemischt werden. Wenn der Patient zu viel Grün braucht, kann das auf eine Grünschwäche deuten“, so Keindl.

Keine Therapie möglich

Von der Diagnose zur Therapie, die davon abhängt, ob es sich um eine angeborene oder erworbene Farbsinnstörung handelt. Leider gibt es noch keine Möglichkeit, angeborene Störungen zu behandeln. Die gute Nachricht aber ist: Sie bleiben konstant und verschlechtern sich nicht. Keindl: „Leichte Rot-Grün-Störungen stellen für die meisten Patienten kein Problem dar. Eine echte Farbenblindheit macht im täglichen Leben allerdings schon Probleme. Die Betroffenen können viele Farben schlecht unterscheiden und finden etwa keine roten Früchte zwischen grünen Blättern oder können die Ampel nicht erkennen. Es sind dadurch auch bestimmte Berufe, wie beispielsweise Lokomotivführer, nicht möglich.“ Bei erworbenen Farbsinnstörungen – sie können etwa durch Erkrankungen der Netzhaut oder des Sehnervs entstehen – gilt es, die Ursache zu beseitigen. Dadurch bessert sich die Farbstörung meist auch.

MMag. Birgit Koxeder-Hessenberger
Februar 2014


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020