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Kehlkopfkrebs: Trotzdem sprechen können

Kehlkopfkrebs: Trotzdem sprechen könnenDie radikale Entfernung des Kehlkopfs aufgrund eines Larynxkarzinoms macht Patienten im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos. Moderne HNO-Therapien, Sprechtrainings und Hightech ermöglichen Betroffenen, wieder sprechen zu können.

Kehlkopfkrebs ist die häufigste Tumorerkrankung im HNO-Bereich, wobei rund 80 Prozent der Betroffenen Männer sind. Rauchen, respektive Nikotin, birgt ein hohes Risiko, daran zu erkranken. „Die schädliche Wirkung kann noch durch Alkohol potenziert werden, wobei diese toxische Kombination vorwiegend Rachenkarzinome provoziert“, warnt Univ.-Prof. Prim. Dr. Martin Burian, Vorstand der HNO-Abteilung am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz.
Jedoch sind längst nicht alle Risikofaktoren, die Kehlkopfkrebs auslösen können, geklärt. Auch Lösungsmittel oder bestimmte Formen von HPV-Infektionen (Humane Papillomavirus), die über orale Sexualpraktiken in den Mund gelangen, können in seltenen Fällen Auslöser sein.

Hartnäckige Symptome abklären lassen

Bei folgenden Symptomen sollte ein HNO-Arzt aufgesucht werden: Halsschmerzen, die sich nicht bessern, Schmerzen beim Schlucken, eine Änderung in der Stimme oder Heiserkeit, Ohrenschmerzen oder ein Knoten im Halsbereich. Eine Heiserkeit, die länger als drei Wochen andauert sollte, unbedingt vom HNO-Arzt abgeklärt werden. Denn wie bei allen onkologischen Erkrankungen ist die Früherkennung ausschlaggebend für eine effiziente Therapie.

Früherkennung erhöht Chancen auf Organerhaltung

Besteht der Verdacht auf Kehlkopfkrebs, kommen verschiedene Diagnoseverfahren, wie die Kehlkopfspiegelung, in Frage. Die Therapie richtet sich nach Lage und Größe des Tumors. „Vorstufen und frühe Stadien lassen sich rasch erkennen und behandeln“, so Burian. „Denn wird die Diagnose in einem frühen Krankheitsstadium gestellt, kann zumindest teilweise organerhaltend operiert werden. Ist der Tumorbefall schon zu weit fortgeschritten, kommen entweder eine Strahlentherapie in Kombination mit einer Chemotherapie zum Einsatz oder der Kehlkopf wird teilweise beziehungsweise ganz entfernt.“
Im chirurgischen Bereich stehen dabei, je nach Fall, verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Zum einen die konventionelle chirurgische Methode, bei der der Tumor über eine Spaltung des Kehlkopfs entfernt wird. Bei dieser Operation wird eine vorübergehende Öffnung an der Vorderseite des Halses angelegt, um dem Patienten das Atmen zu ermöglichen. Dieses Verfahren wird Tracheotomie genannt.

Strahl statt Stahl

Bei der Laserchirurgie wird ein schmaler intensiver Lichtstrahl benutzt, um den Krebs über den Mund zu entfernen. Die Art der Behandlung des Kehlkopfkarzinoms hängt von seiner Lage, vom Stadium der Erkrankung und vom Alter und allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten ab.

Atmen über einen künstlichen Ausgang

„Wird bei der OP der Kehlkopf entfernt, entfällt damit seine primäre Funktion, nämlich die Trennung von Luft- und Speiseröhre“, erklärt Burian. Die Speiseröhre bleibt ohne das Zwischenstück Kehlkopf bestehen. Die Öffnung der Luftröhre wird chirurgisch in den unteren Bereich des Halses verlegt und tritt dort in einer dauerhaften Öffnung – dem sogenannten Tracheostoma – nach außen, die durch eine Kanüle verstärkt wird. Der Patient atmet nun nicht mehr über Mund und Nase, sondern allein durch diese Öffnung.
Damit entfallen die wichtigen Funktionen der Nase, wie das Filtern und Erwärmen der Atemluft. Vom Einatmen durch die Nase bis zum Kehlkopf wird die Atemluft um zirka 15 Grad Celsius erwärmt.

Einschnitt in die Psyche

Der größte Einschnitt in die Psyche des Betroffenen ist seine Stimmlosigkeit. Diese beruht auf dem Entfernen des Kehlkopfes, denn hier sind die Stimmlippen als Tonerzeuger angelegt. Auch der Ausatemstrom kann nicht mehr über Mund oder Nase zum Bilden der Laute gelenkt werden. „Der Entfernung des Kehlkopfes“, so Burian, „ist ein sehr radikaler Eingriff, der den Patienten sehr betroffen macht. Es gibt jedoch drei Möglichkeiten, wieder sprechen zu lernen.“

Elektrolarynx – elektronische Sprechhilfe

Die Sprechhilfe ist ein kleines Gerät mit einer vibrierenden Membrane, die auf den Hals aufgesetzt wird. Das Gerät bringt Schwingungen von außen in den Rachen. Die entstehenden Töne können im Mund moduliert werden. Dabei werden – wie vorher bei der natürlichen Stimme – der Mund, die Lippen und die Zunge bewegt. Das Erlernen bedarf einer Übung, denn eine saubere Artikulation ist unabdingbar für eine verständliche Sprache.

Ruktusstimme – Speiseröhrenersatzstimme

„Eine weitere Möglichkeit ist die Ruktusstimme, auch Ösophagus- oder Speiseröhrenersatzstimme“, sagt Primar Burian. „Im Prinzip funktioniert sie so wie bei einem Bauchredner. Durch Luftaufnahme im oberen Speiseröhrenteil und wieder Abgabe dieser Luft erfolgt eine Tongebung die in Verbindung mit Sprechbewegungen im Mundbereich Wörter und Sätze entstehen lassen kann.“
Silbe für Silbe, Wort für Wort muss diese Technik mit der Hilfe einer Logopädin gelernt werden. Diese Tonerzeugung ist vergleichbar mit einem Ruktus, also Rülpsen, womit manche Patienten zu kämpfen haben, weil es ist ihnen unangenehm ist. Es gibt Patienten, die die Ruktusstimme leicht lernen, andere gar nicht.

Stimmprothesen – Shuntventil

Stimmprothesen ermöglichen Patienten nach einer Kehlkopfentfernung das Sprechen über einen künstlich geschaffenen Kanal zwischen Luft- und Speiseröhre. Die Stimmprothese fungiert als Rückschlagventil, indem sie den Luftstrom von der Lunge in den Rachenraum ermöglicht und gleichzeitig als Abdichtung beim Schlucken fungiert, um den Übertritt von Nahrung oder Speichel in das Bronchialsystem zu verhindern. Durch das Verschließen des Tracheostomas bei der Ausatmung mit dem Finger, wird die Luft durch das Ventil in die Speiseröhre gelenkt, dort der Speiseröhren-Ton erzeugt und danach in den Mund geleitet, und kann somit zum Sprechen benutzt werden.
Das Ventil kann entweder direkt bei der OP oder auch noch Jahre später ambulant eingesetzt werden, allerdings müssen Pflegemaßnahmen und regelmäßige Kontrollen beim Arzt genau eingehalten und die Stimmprothese nach 3 – 4 Monaten wieder gewechselt werden.
Burian: „Für welche Ersatzstimmen sich der Patient letztendlich entscheidet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist aber, dass Betroffene eine lebenswerte Perspektive auch nach der Kehlkopfentfernung haben können und sie nicht sprachlos bleiben müssen.“

Elisabeth Dietz-Buchner
März 2013


Foto: Barmherzige Schwestern, Linz

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020