Gicht ist nicht mehr allein die Krankheit der Könige. Hippokrates erkannte die Gicht bereits als Wohlstandsleiden. In entbehrungsreichen Zeiten wie in den Weltkriegen war sie eine „vergessene Krankheit“. Historische Persönlichkeiten wie Alexander der Große, Karl der Große, Michelangelo, Darwin und Wallenstein litten unter der Gicht.
Die Gicht gehört zum sogenannten rheumatischen Formenkreis, zeigt aber eindeutige Krankheitszeichen, nämlich die Ablagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken durch einen erhöhten Harnsäurespiegel im Blut. Das löst eine heftige Entzündung mit Ergussbildung und überschießender Abwehrreaktion aus: die Gicht-Arthritis. Grundsätzlich wird zwischen primärer und sekundärer Gicht unterschieden. Die sekundäre Gicht kann sich infolge einer Blut- oder Nierenerkrankung oder einer Tumorerkrankung entwickeln. Die häufigere primäre Gicht ist eine Erkrankung des Purinstoffwechsels.
Purine sind Zellbausteine in jedem Organismus, ob Mensch, Tier oder Pflanze. Sowohl körpereigene als auch aus der Nahrung stammende Purine werden im menschlichen Stoffwechsel zu Harnsäure umgebaut. Der mit dem Essen aufgenommene Purinanteil beträgt etwa 40 Prozent. Harnsäure entsteht als natürliches Stoffwechselendprodukt ständig in allen Körperzellen. Beim gesunden Menschen sind es täglich etwa 750 mg. Davon werden 80 Prozent über die Niere, der Rest über den Darm ausgeschieden.
Bis zu einer Konzentration von 6,5 Milligramm pro 100 ml Blutserum bleibt die Harnsäure im Blut flüssig. Steigen die Werte, kristallisiert sie aus – wie Zuckerlösung an einem Wollfaden. Die nadelförmigen Harnsäurekristalle nisten sich in den Gelenken ein. Noch sind nicht alle Risikofaktoren erforscht. Eine genetische Veranlagung dürfte aber beteiligt sein, berichtet Prim. Dr. Peter Dovjak vom Zentrum für Akutgeriatrie und Innere Medizin Buchberg des Landeskrankenhauses Gmunden.
Vier Stadien
Die erste Phase, die Prä-Gicht, ist noch symptomfrei, obwohl sich schon Harnsäurekristalle absetzen können. Das zweite Krankheitsstadium beginnt mit dem ersten Gichtanfall. Er kann durchaus schon bei Werten ab 6 mg Purin pro 100 ml Blutserum auftreten, ab 9 mg pro 100 ml ist er kaum abzuwenden, wenn nicht behandelt wird. Die Zeitspanne bis zum nächsten Gichtschub gilt als interkritische Phase und kann Monate bis Jahre dauern. Im Krankheitsverlauf werden diese Intervalle immer kürzer. Das vierte Krankheitsstadium, die chronische Gicht, ist heute bei konsequenter Therapie seltener geworden. Fettes, opulentes Essen, Alkoholmissbrauch, nasskaltes Wetter und Medikamente können den Gichtanfall ebenso heraufbeschwören wie körperliche Überanstrengung, etwa durch langes Stehen. Blähungen, Harndrang, Gereiztheit, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit können seine Vorboten sein.
Nächtliche Schmerzen
Die Schmerzen stellen sich meist in der Nacht ein. Das Gelenk schwillt an, ist gerötet, heiß und tobt. Meist ist das Großzehengelenk befallen. Auch Fingergelenke, vor allem das Daumengrundgelenk, können betroffen sein. Seltener trifft es Knie, Ellenbogen oder Wirbelsäule. Die Attacken können aber auch die Achillessehne, Schleimbeutel und im chronischen Stadium sogar Niere, Darm oder die Iris heimsuchen. Zur Schmerz- und Entzündungshemmung im akuten Gichtanfall stehen Antirheumatika, Kortison und das aus der Herbstzeitlose gewonnene Colchicin zur Verfügung. In der Dauertherapie werden Harnsäuresenker eingesetzt, um weiteren Gichtschüben und einem chronischen Verlauf mit Organschäden zuvorzukommen, die bis zur Dialysepflicht und zu dauernder Invalidität führen können.
Gewichtsabnahme und Bewegung sowie Entspannungsübungen können hilfreiche Begleitmaßnahmen sein. Vorbeugend hat schon Hippokrates eine Mäßigung der Lebensführung empfohlen – ein sehr zeitgemäßer Rat.
Fasten als Auslöser
Extreme Fastenkuren können durch rapiden Gewebsabbau den Harnsäurespiegel hochjagen und einen Gichtanfall provozieren. Darum ist überreichliches Trinken
während des Fastens extrem wichtig.
Gicht-Knoten
Bei ungenügender Gichttherapie entwickeln sich Tophi. Das sind Knoten
aus Harnsäurekristallen und Entzündungszellen von Stecknadelkopf- bis
Hühnereigröße, die sich auf Ohren, Nase, Augenlidern, Fingern, Zehen,
Kniescheibe und Genitalien ansiedeln.
Klaus Stecher
Jänner 2009
Foto: Bilderbox, privat
Kommentar
Prim. Dr. Peter Dovjak
Zentrum für Akutgeriatrie und Innere Medizin Buchberg, LKH Gmunden