Kreuzweh beim Aufwachen kannte Bruno A. schon länger. Aber dieses Mal wurde es auch durch Lageveränderung und nach dem Aufstehen nicht besser. Die Schmerzen strahlten bald über die ganze Flanke bis in die Leiste aus und wurden so unerträglich, dass nur ein Gang ins Krankenhaus Erleichterung versprach. Die Ultraschall-diagnose war eine Angelegenheit auf zwei Sekunden. „Ihre Niere ist gestaut, Sie müssen hier bleiben“, lautete die Auskunft des Arztes in der Urologischen Ambulanz. Ein Nierenstein war die Ursache der Schmerzen.
Ob ein Nierenstein den Harnweg verlegt, lässt sich leicht mit einer Ultraschalluntersuchung feststellen. Das Bild gibt Aufschluss, ob der Harn in die Niere zurück gestaut ist. Eine weitere Röntgenuntersuchung mit einem Kontrastmittel lässt die Lage des Steins erkennen. Dabei wird das Kontrastmittel intravenös verabreicht und Röntgenbilder werden in gewissen Abständen gemacht, um das Fortschreiten des Kontrastmittels durch Niere und Harnleiter bis zur Blase sichtbar zu machen. Durch den unterschiedlichen Kontrast wird der Nierenstein lokalisiert und entsprechende Maßnahmen können ausgewählt werden.
Nierenkolik
Eine Nierenkolik ist kein Spaß und gewiss schmerzhafter als zum Beispiel eine Gallenkolik, berichtet auch Bruno A. Nierensteine führen nicht immer zu Beschwerden. Starke Schmerzen bestehen aber, solange ein Nierenstein die Harnwege verlegt und den Harnfluss von Niere zu Blase behindert. Dabei können die Beschwerden ganz unterschiedlich lokalisiert sein. Ausgehend von der Nierengegend strahlen sie über den Lendenbereich in den Unterbauch aus und wandern – wenn auch der Stein wandert – Richtung Blase. Manchmal strahlen sie in den Genitalbereich ein.
Besonders unangenehm ist, dass nichts gegen die Schmerzen hilft – keine Lageveränderung, keine Bewegung, auch nicht Wasserlassen. Erleichterung bringt nur ein krampflösendes Mittel, das im Krankenhaus als Infusion gegeben wird.
Harn im Blut
Wandert der Nierenstein vom Nierenbecken über den Harnleiter zur Blase, können die mechanischen Reizungen der Schleimhäute durch den meist scharfkantigen Stein zu einer lokalen Blutung führen. Ausscheidung von blutigem Harn ist die Folge und eine Schrecksekunde wegen des roten Harnstrahls vorprogrammiert. Meist verschließt sich die verletzte Schleimhaut innerhalb kurzer Zeit selbständig und der Urin hat wieder seine gewohnte Farbe.
Prognose
„Die Erkrankung zeigt einen günstigen Verlauf. Die meisten Betroffenen scheiden den Nierenstein von selbst aus – unterstützend wirken große Mengen Flüssigkeit und körperliche Bewegung, etwa Stiegen steigen oder gar ein paar Stufen abwärts springen“, stellt OA. Dr. Andreas Hochmuth von der Urologischen Abteilung des AKH Linz fest. Bei der Hälfte der Betroffenen kommt es nicht zu einem Rezidiv – also der neuerlichen Ausbildung von Nierensteinen.
Zu Komplikationen können allerdings Steine führen, die den Harn länger am Abfluss behindern. Dadurch werden Bakterien nicht mit dem Harn ausgespült und können leichter in die Harnwege einwandern. Infektionen des Harnwegs und der Niere selbst sind die Folge. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Totalversagen der Nierenfunktion. Und wenn Bakterien in die Blutbahn übertreten können, ist eine lebensbedrohliche Blutvergiftung – Urosepsis – nicht ausgeschlossen.
Entstehung
Die Niere filtriert aus den Körperflüssigkeiten laufend den Harn. Erhöht sich die Konzentration bestimmter Stoffwechselprodukte im Urin können diese Substanzen auskristallisieren und die Steine bilden. Diese Stoffe sind normale Bestandteile des Harns und in einer bestimmten Konzentration nicht krankhaft. Wird aber zu wenig Harn gebildet, erhöht sich deren zulässige Konzentration und sie kristallisieren aus. Wird auch in der Folge zu wenig Harn gebildet, lagern sich weitere Schichten um die ersten ausgefällten Kristalle an und der Stein entsteht.
In den meisten Fällen sind die genauen Ursachen für die Entstehung eines Nierensteins unklar. Auf jeden Fall fördern zu geringe Flüssigkeitsaufnahme und einseitige Ernährungsfaktoren die Steinbildung, Bewegungsmangel aber auch erblich bedingte Faktoren zählen ebenfall zu den Risikofaktoren.
Auch bei gesunden Menschen kommt es hin und wieder zu einer erhöhten Konzentration bestimmter gelöster Stoffe. Doch werden sie unbemerkt mit dem Harn ausgeschieden und können keine Steine bilden. Dabei hilft die Anwesenheit von „Steinbildungshemmern“ sogenannten antilithogenen Substanzen – u. a. sind das Zitrat, Magnesium und Glykoproteine. Gemüse und Obst erhöhen die Konzentration des steinhemmenden Zitrats im Urin.
Über Entstehung und Ursachen gibt die Zusammensetzung der Steine Auskunft. Deshalb wird auch Bruno A. im Krankenhaus aufgefordert, seinen Harn zu sammeln und auf feste Bestandteile hin zu untersuchen. „Werden Steinfragmente im Harn entdeckt, können sie analysiert werden und Rückschlüsse auf die Ursachen gezogen werden“, erklärt Hochmuth.
Nierensteine können aus
- Kalzium-Oxalat
- Magnesium-Ammonium-Phosphat (sog. Struvite) – auch "Infektsteine" genannt, da sie im Zusammenhang mit einer Harnwegsinfektion entstehen
- Harnsäure
- Kalziumphosphat
- Zystin
gebildet werden.
Ernährung
Auf jeden Fall ist es ratsam genug Flüssigkeit aufzunehmen und eine einseitige Ernährung zu verhindern.
- Kalzium ist in Milchprodukten enthalten. Oxalatsäure findet sich etwa in Spinat, Rhabarber, Kakao, Schokolade, schwarzem und grünen Tee. Gemeinsam kann ein Überschuss zu Kalzium-Oxalat-Steinen führen.
- Wird zu viel Eiweiß aufgenommen, entsteht ein Überangebot von Purinen im Blut, die zu Harnsäure abgebaut und im Urin ausgeschieden werden sollten. Oberhalb eines kritischen Werts entstehen Gicht und Harnsäuresteine.
- Die Entstehung von Kalziumphosphatsteinen wird durch zuviel kalziumhaltige Speisen – wie etwa Milchprodukte – begünstigt.
Die Flüssigkeitszufuhr sollte 2,5 bis drei Liter über den Tag verteilt betragen. Daran sollte man besonders denken, wenn man sich in heißen Gegenden aufhält und viel schwitzt oder an einer Durchfallerkrankung leidet.
Regelmäßige Bewegung sowie eine ausgewogene und ballaststoffreiche Kost erzielen positive Effekte.
Therapie
Wie erwähnt gehen die meisten Nierensteine spontan ab. Unterstützt wird dieser Spontanabgang durch viel Flüssigkeitsaufnahme, viel Bewegung und krampflösende Medikamente.
Bei einer akuten Nierenkolik zielt die Therapie darauf ab, die Schmerzen zu beseitigen und den Abgang zu erleichtern. Krampflösende Medikamente sind dabei das Mittel der Wahl.
Ist ein Spontanabgang wegen Größe und Lage des Steins nicht mehr zu erwarten oder besteht durch den Harnstau bereits eine Vergrößerung des Nierenbeckens, stehen folgende Methoden im Krankenhaus zur Verfügung:
- Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL)
Der Stein wird von außen durch Stoßwellen zertrümmert. Die Bruchstücke sollten in der Regel in den folgenden Wochen von selbst mit dem Harn abgehen. Geschieht nicht während der Schwangerschaft und Harnwegsinfekten. - Perkutane Nephrolitholapaxie (PCNL)
Bei ausgeprägter Harnstauung durch einen größeren Nierenstein wird der Stein mittels eines Endoskops zerkleinert und entfernt. Wird ebenfalls nicht während Schwangerschaft und Harnwegsinfektionen durchgeführt. - Schlingenextraktion (Ureterenoskopie, URS)
Ist heute eher unüblich und wird nur angewendet, wenn sich der Stein im unteren Drittel des Harnleiters befindet. Während einer Blasenspiegelung wird eine Schlinge in den Harnleiter eingeführt, mit der der Arzt den Nierenstein herausziehen kann. Nicht empfohlen bei Harnwegsinfekten. - Operative Steinentfernung
Eine offene, operative Entfernung ist seit der Einführung der Zertrümmerung nur mehr selten das Mittel der Wahl. - Medikamentöse Therapie
Bei manchen Nierensteinen (Harnsäure- und Zystinsteine) besteht die Möglichkeit, sie durch Medikamente aufzulösen. - Harnleiterschiene
Oft wird bei Nierensteinen operativ ein Katheter (Harnleiternschiene oder „pigtail“) in den Harnleiter gelegt. Um den Harnweg zu erweitern und offen zu halten, bleibt die die Schiene einige Tage oder Wochen im Harnleiter, damit der Abgang des Steins erleichtert wird. Der Katheter ist im Nierenbecken und in der Harnblase aufgerollt („pigtail“) und damit in seiner Lage fixiert. Der Harnleiter ist so vor scharfkantigen Steinfragmenten geschützt. Blut sollte im Harn nicht mehr vorkommen.
Bei Bruno A. ist der Nierenstein spontan abgegangen, auf jeden Fall wird er in Zukunft mehr als zwei Liter täglich trinken.
Mag. Christian Boukal
August 2011
Foto: Bilderbox