Wie keine andere Krankheit spiegelt die Lungenentzündung den beständigen Kampf des Menschen gegen Krankheitserreger wider. Eigentlich muss man von Lungenentzündungen sprechen. Denn es gibt mindestens 120 verschiedene Ursachen für eine Entzündung des schwammigen Gewebes, das für den lebensnotwendigen Gasaustausch – die Atmung – zuständig ist. Trotz der Fortschritte der Medizin ist die Pneumonie noch immer die am häufigsten zum Tod führende Infektionskrankheit. In einem Punkt allerdings haben wir Glück: Antibiotika, die wirksamsten Waffen im Kampf gegen die bakterielle Lungenentzündung, sind bei uns noch nicht stumpf.
Ohne Sauerstoff ist menschliches Leben nur wenige Minuten möglich. Das lebenswichtige Gas gelangt über die Lunge in die Blutbahn, die es zu den Körperzellen transportiert. In den Zellen wird der Sauerstoff zur „Verbrennung“ und Energiegewinnung gebraucht. Das Abfallprodukt der Zucker- und Fettverbrennung, das Kohlendioxid, wird mit dem Blut zurück in die Lunge – zum Ausatmen – transportiert. Dieser Gasaustausch findet in den Alveolen statt. Durch die dünne Membran dieser beim Einatmen 0,4 und beim Ausatmen nur 0,2 Millimeter großen Lungenbläschen gelangt Sauerstoff ins Blut und Kohlendioxid aus dem Blut in die Lunge. Die Alveolen sind sozusagen die kleinsten Funktionseinheiten der Lunge. Sie sitzen an den Enden des Bronchialbaumes mit seiner feinen Verästelung, die bei der Luftröhre und den beiden Hauptbronchien beginnt und nach 16 bis 22 Teilungen bei den winzigen Alveolargängen endet. Beim erwachsenen Menschen summiert sich die Oberfläche der rund 300.000.000 Alveolen zu einer Fläche, die der eines Tennis- bis Fußballfeldes entspricht. Mit einer Lungenentzündung ist eine Entzündung eben dieser Alveolen oder des Gewebes dazwischen gemeint. Diese Entzündung ist eine Abwehrreaktion des menschlichen Immunsystems auf Angriffe von außen.
Auslöser meist Bakterien und Viren
Die Auslöser einer Lungenentzündung sind in den meisten Fällen virale und bakterielle Infektionen. Auch Pilze oder tierische Einzeller (Protozoen) können Lungenentzündungen hervorrufen. Dazu kommen noch die sogenannten toxischen Lungenentzündungen, die durch Einatmen schädlicher Dämpfe oder das „Verschlucken“ von flüssigen oder festen Stoffen, etwa Magensaft oder Erbrochenes, in der Lunge entstehen können. Manche autoimmunologische oder allergische Erkrankungen sind im weitesten Sinn ebenfalls Lungenentzündungen. Auch Komplikationen nach einer Strahlentherapie können sich als Lungenentzündung äußern. In der medizinischen Literatur lassen sich insgesamt nicht weniger als 120 verschiedene Ursachen für eine Entzündung des Lungengewebes finden. Die meisten sind infektiöser Natur. Alle diese Ursachen haben eines gemeinsam: Sie führen dazu, dass mehr oder weniger große Teile der Lunge ihre Arbeit nicht mehr leisten können. Und das kann mitunter lebensgefährlich werden. Prim. Dr. Herwig Schinko, Leiter der Abteilung für Lungenkrankheiten am Linzer AKH: „Je mehr von der Lunge ausgefallen ist, desto mehr muss der Rest arbeiten, um den Sauerstoffbedarf zu decken. Diese Marathon-Atmung führt zu einer starken Belastung von Atemmuskeln und Kreislauf. Fieber lässt den Organismus ohnedies schon Vollgas fahren. Bei großflächigen Entzündungen kann es deshalb wirklich schnell knapp für das Überleben werden.“ Vor allem bei alten und kranken Menschen ist die Furcht vor einer Lungenentzündung nicht unbegründet. In dieser Gruppe liegt die Sterblichkeit trotz der Fortschritte der Medizin bei rund 20 bis 30 Prozent. Aber auch bei jungen und gesunden Patienten kann es gefährlich werden, wenn das körpereigene Immunsystem mit den Eindringlingen nicht fertig und zu spät ein Arzt gerufen wird. Der Verlauf einer Lungenentzündung hängt nicht nur vom Allgemeinzustand des Patienten und eventuellen Vorerkrankungen ab, sondern auch wodurch sie verursacht und wie schnell mit einer geeigneten Therapie begonnen wurde. Schinko: „Tag eins und zwei entscheiden die Infektion und die Natur, ab Tag drei entscheidet die Therapie wesentlich über den weiteren Verlauf mit.“
Infektiöse Lungenentzündungen – auch Pneumonien genannt – sind mit Abstand die häufigsten. Die sogenannte typische Pneumonie wird durch Bakterien ausgelöst, die – meist nach einer Vorerkrankung – das Lungengewebe vom Mund- und Rachenraum aus besiedeln. Sie beginnt meist als normale Verkühlung, führt aber innerhalb von wenigen Stunden bis Tagen zu einem sehr schweren Krankheitsbild. Die Symptome zeigen schon an, dass es sich um eine gefährliche Krankheit handelt: Hohes Fieber mit Schüttelfrost gehören genauso dazu wie Atemnot oder erschwertes und manchmal – wenn sich eine Entzündung des Rippenfells dazugeschlagen hat – auch von Schmerzen begleitetes Atmen. Dazu kommen Husten zuerst ohne, dann mit Auswurf. Der Puls wird bis über 100 beschleunigt und der Blutdruck fällt. Der Sauerstoffmangel führt nicht nur zu einer blass-bläulichen Verfärbung der Lippen und Fingernägel, sondern in manchen Fällen zu einer Eintrübung des Bewusstseins. Auch Blässe und Schweiß treten auf. Schinko: „Das sind ernste Alarmzeichen. Der Patient muss dann dringend ins Spital.“ Dort kann die Diagnose durch eine Röntgenaufnahme rasch bestätigt werden: Die typische Pneumonie zeigt am Röntgenbild eine deutliche Verschattung ganzer Segmente oder Lappen der Lunge. Dabei kann auch das Ausmaß der Pneumonie erkannt werden.
Dauerschäden am Lungengewebe
Im Gegensatz zur typischen Pneumonie zeigen sich bei einer sogenannten atypischen Pneumonie auf dem Röntgenbild nur flaue Verschattungen. Bei der atypischen Form, die meist durch Viren, Chlamydien oder Mykoplasmen (Bakterien) hervorgerufen wird, setzen die Krankheitssymptome allmählich und nicht so intensiv ein. Der allgemeine Gesundheitszustand verschlechtert sich. Die Patienten haben leichtes Fieber, sie frösteln und leiden unter grippeähnlichen Symptomen wie Kopf- und Glieder- sowie Halsschmerzen. Dazu kommen Schnupfen und trockener Husten. Bei allen schweren Formen der Pneumonie kann es als Komplikation auch zu einer Rippenfellentzündung beziehungsweise zu Eiteransammlungen im Brustraum kommen. Gelingt es dem Körper des Patienten auch mit Hilfe von Medikamenten nicht, die eingedrungenen und sich rasch vermehrenden Keime zu bekämpfen, können auch Abszesse und eine (Teil-) Zerstörung von Lungengewebe die Folge sein. In der Behandlung der Pneumonie spielen Antibiotika die tragende Rolle. Sie wirken zwar nur gegen Bakterien, werden aber auch gegen andere Erreger eingesetzt, um zu verhindern, dass sich etwa auf eine von Viren verursachte atypische Pneumonie Bakterien „draufsetzen“ – der Mediziner nennt das sekundäre oder Superinfektion. Je nach Gesundheitszustand des Patienten werden zusätzlich zu Antibiotika kreislaufstärkende Präparate gegeben. Bei Bedarf wird die Atemluft der Patienten über eine sogenannte Sauerstoffbrille mit Sauerstoff angereichert. Bei einer typischen beziehungsweise schweren Pneumonie ist jedenfalls Bettruhe angesagt, sonst reicht körperliche Schonung. Wegen des Fiebers muss auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Übersteigt die Temperatur 38,5 bis 39 Grad Celsius, werden fiebersenkende Mittel eingesetzt. Wenn es zu keinen gröberen Komplikationen kommt, löst sich eine Lungenentzündung innerhalb von 14 Tagen auf. Dann dürfen auf dem Röntgenbild keine Schatten mehr zu sehen sein. Es gibt allerdings auch chronische Verlaufsformen, die den Einsatz von Cortison zusätzlich zu Antibiotika zur schnelleren Abheilung und Verhinderung von Vernarbungen nötig machen.
Nur eine geringe Resistenz-Gefahr
Der springende Punkt bei der Behandlung der Lungenentzündung ist der punktgenaue und effiziente Einsatz von Antibiotika. Schinko: „Mit den Antibiotika haben wir noch immer höchst wirksame Instrumente gegen jene Bakterien in der Hand, die die typische Pneumonie auslösen können. Wichtig ist dabei, dass sie dem Patienten in ausreichender Dosis und ausreichend lange gegeben werden.“ Immer wieder ist zu hören und zu lesen, dass die Wirksamkeit der Antibiotika gegenüber den Bakterien abnimmt, dass also die Resistenzen zunehmen. Es bestehe die Gefahr, dass sich die derzeit noch wirksamen Mittel bald als stumpfe Waffe erweisen könnten. Primarius Schinko sieht diese Gefahr derzeit nicht: „Gerade in Österreich ist die Situation derzeit noch sehr günstig. Das spricht auch für den kontrollierten Einsatz der Antibiotika.“ In Österreich beträgt die Resistenzrate niedrige fünf Prozent. In den USA ist eine neue Studie veröffentlicht worden, wonach die Resistenzrate von Streptokokken gegenüber neun gängigen Antibiotika von neun auf 14 Prozent gestiegen sei. Die gleiche Untersuchung ergab, dass gegen Penicillin sogar schon ein Viertel der Streptokokken resistent sind.
Gegen Keim-Resistenzen gibt es nur einen Weg. Schinko: „Nur ein gezielter und verantwortungsbewusster Umgang mit Antibiotika kann das so lange wie möglich hinauszögern.“ Deshalb werden von ihm wirksame Antibiotika so lange wie möglich verwendet. Erst wenn die Resistenzen es nicht mehr zulassen, wird von den bewährten älteren auf eine neuere Generation der Bakterien-Killer umgestellt. Schinko: „Wer – aus welchen Gründen auch immer – zu früh auf neue Präparate umsteigt, setzt nicht nur die Resistenz-Spirale in Gang, sondern gibt meist auch mehr Geld aus als nötig.“
Um es erst gar nicht zu einer Lungenentzündung kommen zu lassen, gibt es gute Möglichkeiten zur Prävention. Wer zu einer Risikogruppe gehört oder Umgang mit vielen Menschen hat, sollte an der Grippe- und der Pneumokokkenimpfung teilnehmen.
Mit besonderem Risiko
Ein besonderes Risiko, an einer Pneumonie zu erkranken haben alle Menschen, die an einer geschwächten Immunabwehr leiden. Prinzipiell sind das Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren, ältere Menschen ab 65 Jahren sowie
- Patienten mit Diabetes mellitus
- Patienten mit HIV-Infektion
- Patienten mit Krebserkrankungen
- Patienten mit Herzerkrankungen
- Patienten mit chronischer Bronchitis
- Raucher
- Krankenhauspatienten und Bewohner von Pflegeheimen
- bettlägerige Menschen
- Patienten mit Immunsuppression und Chemotherapie
- allgemein chronisch Kranke und Alkoholkranke
Heinz Macher
Oktober 2012
Foto: © Dieter Schütz / pixelio.de, illumed.com, ASTRA, privat
Kommentar
„Mit den Antibiotika haben wir noch immer höchst wirksame Instrumente gegen jene Bakterien in der Hand, die die typischen Pneumonien und gängigen auslösen können. Wichtig ist dabei, dass sie dem Patienten in ausreichender Dosis und ausreichend lange gegeben werden. Damit dient man nicht nur dem Patienten, sondern verhindert auch Resistenzen.“
Prim. Dr. Herwig Schinko
Leiter der Abteilung für Atem- und Lungenkrankheiten am AKh Linz