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Brustkrebsgen: Risiko in die Wiege gelegt

Brustkrebsgen: Risiko in die Wiege gelegt15 Jahre nach der Endeckung der Brustkrebsrisiko-Gene BRCA1 und BRCA2 haben deutsche Wissenschaftler ein weiteres Risikogen identifiziert, das erblichen Brust- und Eierstockkrebs auslöst. Die Aufgabe von RAD51C (auch BRCA3) ist es, die Erbsubstanz einer Zelle fehlerfrei zu halten. Veränderungen in diesem Gen könnten zur Tumorentstehung führen.

Das Mammakarzinom ist in fast allen industrialisierten Ländern die häufigste Krebserkrankung der Frau. Seit 1983 musste in Österreich ein Anstieg von 3.500 auf über 5.000 jährlich neu auftretende Brustkrebserkrankungen verzeichnet werden. „Das Risiko für Frauen im Lauf ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken, beträgt zehn bis zwölf Prozent“, sagt Oberärztin Dr. Ruth Helfgott, Expertin für erblichen Brustkrebs am Brustgesundheitszentrum der Barmherzigen Schwestern in Linz. „Zirka 50 Prozent der Brustkrebsfälle treten nach dem 60. Lebensjahr auf und sind durch das Lebensalter beziehungsweise verschiedene andere Risikofaktoren bedingt.“

Nur geringer Prozentsatz

Nur bei etwa fünf bis zehn Prozent der Frauen sind jedoch erblich bedingte (genetische) Veränderungen die Ursache für Brustkrebs. Dieser Brustkrebs tritt dadurch familiär gehäuft und oft bereits in jungen Jahren auf. Die Vererbung erfolgt autosomal dominant. Dies bedeutet für Kinder eines betroffenen Elternteiles, ein Risiko von 50 Prozent, veränderte Gene zu erben.

Mitte der 1990er-Jahre konnten zwei Brustkrebsgene identifiziert werden, die für einen beträchtlichen Teil der genetisch bedingten Brustkrebsfälle und Eierstockkrebs verantwortlich sind: BRCA1 und BRCA2 (Breast Cancer-Gene). Normalerweise verhindern diese Gene, dass die Zellen in der Brust unkontrolliert wachsen. Ist jedoch eines der beiden Gene defekt, hat die Patientin ein Risiko von 80 Prozent an Brustkrebs, und ein Risiko von 30 Prozent bis 60 Prozent, an Eierstockkrebs zu erkranken.

Das 2010 entdeckte Risiko-Gen für erblichen Brust- und Eierstockkrebs heißt RAD51C. Seine Funktion ist die gleiche, nämlich die Erbsubstanz einer Zelle fehlerfrei zu halten. Veränderungen, so genannte Mutationen, in diesem Gen führen dazu, dass ein Tumor entstehen kann.

Die deutschen Wissenschaftler analysierten das Erbgut von insgesamt 1.100 Risikofamilien, in denen gehäuft Erkrankungsfälle auftraten. Bei ihnen wurden zuvor Veränderungen in den bislang bekannten Risiko-Genen BRCA1 und BRCA2 ausgeschlossen. In sechs dieser Familien waren Defekte im RAD51C-Gen nachweisbar. Die Patientinnen gehörten ausschließlich zu den Familien, bei denen Brust- und Eierstockkrebs gemeinsam auftraten.

Deutlich häufigere und frühere Erkrankungen

Das Risiko für Brustkrebs liegt bei den Trägerinnen einer Mutation im RAD51CGen bei ungefähr 60 bis 80 Prozent, für Eierstockkrebs bei 20 bis 40 Prozent. Die Patientinnen erkranken außerdem deutlich früher als Patientinnen mit sporadischem Brust- oder Eierstockkrebs. Deshalb bezeichnen Experten das neu identifizierte Gen auch als BRCA3.

Höchstens 1,5 Prozent

„Humangenetische Untersuchungen nach diesem speziellen RAD51C Gen werden in Österreich erst im Rahmen von Studien durchgeführt“, sagt Helfgott. „Denn dieses Gen kommt sehr selten vor.“ Gemäß den Daten aus Deutschland weisen 1,5 Prozent der Patientinnen mit einem erblich bedingten Brustkrebs diese Mutation auf, andere Studien zeigen noch niedrigere Zahlen.
Selbstverständlich wird aber auf BRCA1 und 2 Mutationen getestet, wenn eine auffällige Familiengeschichte bei der Anamnese festgestellt wird und die betroffene Frau das will. Ob es sinnvoll ist, auch auf eine Veränderung im RAD51C Gen hin zu untersuchen, werden die Studienergebnisse zeigen.

Bedenklich: Tests aus dem Internet

Natürlich macht so eine neue Erkenntnis vielen Frauen Angst, der man nur mit viel Wissen und einer kompetenten Beratung entgegenwirken kann. Von Gentests, die auf Internet-Seiten angeboten werden und die das „Gesundheitsrisiko“ abchecken, ist aus wissenschaftlich seriöser Sicht dringend abzuraten, denn zum Ergebnis gehört immer eine seriöse, fundierte und persönliche Beratung. „Wenn der Verdacht eines genetisch bedingten Brustkrebses vorliegt, werden die Tests in Österreich ohnehin kostenlos durchgeführt“, so Helfgott.

Risikoangepasste Prävention

Die Erkenntnisse zu erblich bedingtem Brustkrebs ermöglichen eine risikoangepasste Prävention. Dr. Helfgott: „Frauen, die nicht aus Risikofamilien stammen, sollten sich nicht um den Zustand ihrer BRCA 1, 2 oder 3-Gene sorgen. Allerdings heißt das keinesfalls, dass sie auf die übliche Vorsorge verzichten sollten. 90 Prozent der Brustkrebserkrankungen treten schließlich ohne familiäre Belastung auf.“

Welche Frauen sollten eine genetische Beratung beanspruchen?

Frauen mit Brust- und Eierstockkrebs in der Familie (in einer Person oder zwei Personen einer Verwandtschaftslinie betreffend)
Frauen mit Brustkrebs oder Eierstockkrebs in der Familie, der vor dem 35. Lebensjahr aufgetreten ist.
Frauen mit mindestens zwei Angehörigen einer Verwandtschaftslinie, welche vor dem 50. Lebensjahr an Brust- und/ oder Eierstockkrebs erkrankt sind.
Frauen, in deren Familie auch ein männlicher Verwandter an Brustkrebs erkrankt ist.

Was tun bei positivem Test?

Dr. Helfgott: Ein positives Testergebnis bedeutet für die Frau ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brust- und/oder Eierstockkrebs zu erkranken. Leider bestehen zur Früherkennung von Eierstockkrebs nur beschränkte Möglichkeiten. Vorbeugend kann man jedoch, nach abgeschlossenem Kinderwunsch, die Eierstöcke entfernen lassen. Dadurch wird das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, um 95 Prozent, das Risiko für Brustkrebs um 53 Prozent gesenkt.
Ebenfalls besteht die Möglichkeit, beide Brüste zu entfernen und gleichzeitig mit einer plastisch-chirurgischen Operation wieder aufzubauen. Das Risiko für Brustkrebs wird hierdurch auf fünf bis zehn Prozent gesenkt. Die Entscheidung zu einer Mastektomie – also der Entfernung der Brust – ist allerdings für Frauen eine schwerwiegende und für viele seelisch sehr belastend, sie muss deshalb immer individuell getroffen werden.

Wieso bleibt ein Restrisiko, obwohl die Brüste entfernt wurden? Brustdrüsengewebe kann sich auch im Fettgewebe „verstecken“, das sich zum Beispiel nahe der Achselhöhle befindet. Und in diesem Gewebe können sich – rein theoretisch – Krebszellen entwickeln.

Für die Frauen mit positivem Testergebnis gibt es in jedem Fall ein spezielles Vorsorge- und Früherkennungsschema.

Nicht unterkriegen lassen

"Weiterleben, sich trotz positiven Testergebnisses nicht unterbuttern lassen - das muss in solch einem Fall das Lebensmotto sein. Für manche mag ein Gentest auf Brustkrebs trotzdem der richtige Weg sein. Denn nur so kann man sich Gewissheit verschaffen, ist gewarnt und kennt das mit in die Kinderwiege gelegte Risiko", sagt Dr. Helfgott

Elisabeth Dietz-Buchner

März 2011

Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020