Das Herz schlägt 60 bis 80 Mal pro Minute – wenn es nicht aus dem Takt gerät. Die gefährlichste aller Rhythmusstörungen ist das Kammerflimmern. Der Herzmuskel zuckt dabei etwa 300 bis 800 Mal pro Minute völlig unkontrolliert, zu keinerlei Pumpleistung mehr fähig – ein funktioneller Herzstillstand. Wird dieses Fibrillieren nicht binnen längstens drei Minuten per Elektroschock beendet, ist es tödlich.
Bei Tachykardie schlägt das Herz rhythmisch oder unrhythmisch 200 Mal und mehr. Sie kann von Vorhof (supraventrikuläre Tachykardie.) oder Kammer (ventrikuläre Tachykardie) ausgehen. Kammertachykardien können in ein Kammerflimmern übergehen. Ein Defibrillator kann auch hier Leben retten. Außer tragbaren Geräten, wie sie schon an vielen öffentlichen Plätzen bereitstehen, gibt es automatische implantierbare Cardioverter-Defibrillatoren (AICD), die, ähnlich einem Schrittmacher eingepflanzt, im Notfall sofort Stromstöße abfeuern. Auch intravenös verabreichtes Magnesiumsulfat wirkt bei bestimmten Tachykardieformen rhythmusstabilisierend.
Beim Vorhofflattern schlagen die Vorhöfe regelmäßig 220 Mal und öfter. In bestimmten Fällen folgt jeder zweiten Aktivität eine Kammerreaktion. Der Puls scheint daher regelmäßig. Dieses Herzjagen ist für längstens ein, zwei Stunden verkraftbar. Dann sinkt der Blutdruck. Herzschwäche, Lungenödem, Bewusstlosigkeit und Schockzustand drohen.
Vorhofflimmern ist eine Volkskrankheit
Beim Vorhofflimmern zittert der Vorhofmuskel über 250 Mal pro Minute, bleibt aber schlaff. Der Reiz gelangt unregelmäßig zur Kammer. Folge ist ein ständig unrhythmischer Puls, eine absolute Tachyarrythmie. Sie ist die häufigste Rhythmusstörung und betrifft nach dem 70. Lebensjahr fast jeden Zehnten, berichtet Primarius Dr. Hans Joachim Nesser, Vorstand der II. Internen Abteilung am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz. Anfangs fällt sie meist nur als geringere Belastbarkeit auf. Die Untersuchung stellt oftmals eine Herzschwäche fest. Vorhofflimmern birgt das Risiko der Blutgerinnselbildung. Bei der Bradykardie sinkt die Herzrate auf 35 bis 40. Grund kann eine Blockade der Reizleitung sein. Die Symptome hängen vom Grad der Blockierung ab. Auch der zu langsame Pulsschlag bewirkt Sauerstoffmangel, Schwindel, Ohnmachtsneigung, Leistungseinbuße und nachlassende Herzkraft. Oft ist ein Schrittmacher notwendig, ebenso beim so genannten Sick-Sinus-Syndrom mit einander abwechselnden schnellen und langsamen Arrythmien, wo eine medikamentöse Therapie unmöglich ist. Moderne Schrittmacher sind ganz den Bedürfnissen des Patienten angepasst. Der Zweikammerschrittmacher kann sogar eine Herzschwäche ausgleichen. Das Nonplusultra sind Modelle mit eingebautem Defibrillator. In der Regel nicht therapiebedürftig sind die so genannten Extrasystolen, wenn das Herz zwischendurch kurz aus dem Rhythmus stolpert. Sie sind oft ein EKG-Zufallsbefund und meist Folge von zu viel Koffein, Alkohol, Nikotin, Stress oder Schlafmangel.
Störimpulse
Hauptverursacher von Rhythmusstörungen sind auch Schilddrüsenerkrankungen, Hormonprobleme im Klimakterium und Fehler im Elektrolythaushalt wie zum Beispiel Kaliummangel sowie bestimmte Arzneien wie einige Antidepressiva und Antibiotika. Störimpulse können von strukturellen Schäden wie Narben nach Entzündungen im Herzen oder einem Herzinfarkt, Klappenfehlern, Mangeldurchblutung und Alterungsprozessen herrühren, beim Vorhofflimmern auch von den Lungenvenen. Zur Rhythmustherapie steht eine Vielzahl hochpotenter Arzneien zur Wahl. Zur Diagnose ist das normale EKG wichtig, als Momentaufnahme aber unzureichend. Wenn Arrythmien plötzlich losgehen, steht selten ausgerechnet dann ein EKG bereit. Langzeitaufnahmen von 24 Stunden bis zu einer Woche haben höhere Treffsicherheit. Präziser ist die Herzkatheteruntersuchung, die Rhythmusstörungen stimulieren und ein EKG direkt aus dem Herzinneren ableiten kann. Neu ist ein wie ein Schrittmacher implantierbarer Mikroprozessor, der Looprecorder. Bis zu drei Jahre lang kann er auf Knopfdruck jede Störung identifizieren und kommt bei Verdacht auf schwere Rhythmusstörungen zum Einsatz, etwa auch beim Auftreten von zunächst unerklärlichen Ohnmachtsanfällen. Zur Heilung schneller Arrythmien ist die so genannte Ablationstherapie ein bewährtes Routineverfahren, so Primarius Nesser. Über einen Herzkatheter werden mit Laser die Störfelder verödet und so die Erregungskreise unterbrochen. Im Zuge etwa einer Klappenoperation kann die Ablation als so genannte Maze-Chirurgie erfolgen. Dabei werden mit winzigen Schnitten im Gewebe Narben provoziert und so die Krankheitsherde stillgelegt. Die Ablation kann Rhythmus-Medikamente in vielen Fällen völlig ersetzen und bei einer hohen Erfolgsrate die Lebensqualität entscheidend verbessern.
Doppelpumpe
Das Herz ist eine Doppelpumpe – jede Hälfte besitzt einen Vorhof (Atrium) und eine Kammer (Ventrikel). Natürlicher Schrittmacher ist der Sinusknoten in der rechten Vorhofwand. Er produziert durch einen chemischen Prozess elektrische Energie zur Erregung des Herzens. Der AV-Knoten (AV = atrioventrikulär) ist die Trafostation. Nur hier ist der Übertritt der elektrischen Reize von Vorhof zu Kammer möglich. Spezielle Muskelfasern bilden das Reizleitungssystem bis in die Spitze der Herzkammer. Dort sitzen untergeordnete Automatiezentren, die ebenfalls elektrische Impulse erzeugen können – eine Art Notstromaggregat.
Systole und Diastole
Mit jedem Sinusknoten-Takt ziehen sich die Vorhöfe zusammen und pumpen Blut in die entspannten Herzkammern (Diastole). Sekundenbruchteile später erhalten die Herzkammern das Signal zum Zusammenziehen. Das Blut wird in den Kreislauf gepresst, während die Vorkammern erschlaffen. Diese als Systole bekannte Phase ist als Pulsschlag spürbar.
Erste Hilfe
Bauchpresse, Brechreiz auslösen, kaltes, kohlensäurehaltiges Mineralwasser trinken – diese Erste-Hilfe-Tricks für Laien stimulieren einen Reflex, der Herzjagen unterbrechen kann. Erlaubt sind sie nur bei bekannter Diagnose. Die oft propagierte Massage der Halsschlagader (Karotismassage) ist gerade bei älteren Menschen sehr riskant.
Klaus Stecher
November 2007
Foto: Bilderbox, privat
Kommentar
Prim. Dr. Hans Joachim Nesser
Vorstand der II. Internen Abteilung, Krankenhaus der Elisabethinen, Linz