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Aneurysma: Tickende Zeitbombe

Aneurysma: Tickende ZeitbombeSie sind heimtückisch, da sie nur selten Symptome verursachen. Gerade deshalb stellen sie jedoch eine lauernde Gefahr dar. Denn das Platzen von Aneurysmen ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der sofort behandelt werden muss. Welche Ursache die krankhafte Erweiterung von Gefäßen hat, erklärt Dr. Peter A. Winkler von der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg am Beispiel der Aneurysmen im Gehirn.

Sind die arteriellen Gefäße krankhaft erweitert, spricht man von einem Aneurysma. „Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet Ausweitung beziehungsweise Verbreiterung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Peter A. Winkler, Vorstand der Universitätsklinik für Neurochirurgie an der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg. Aneurysmen treten besonders häufig in der Aorta auf – man spricht dann von einem Aortenaneurysma. Die Aorta ist die größte Arterie des Körpers und führt sauerstoffreiches Blut vom Herzen in den Körper. Diese Aneurysmen entstehen am häufigsten im Bauchbereich (abdominelle Aneurysmen); sie können aber auch in Brustkorbhöhe – sogenannte thorakale Aneurysmen – auftreten. Zur Veranschaulichung: Man spricht dann von einem Bauchaortenaneurysma, wenn das Gefäß über 30 Millimeter erreicht. Die Hauptschlagader hat im Normalfall nur einen Durchmesser von ca. 20 Millimeter. Darüber hinaus können die Arterien auch im Gehirn krankhaft erweitert sein (zerebrale Aneurysmen). „Diese treten bevorzugt an den Teilungsstellen der Arterien auf“, so der Mediziner und fügt hinzu: „Die Zahlen zur Häufigkeit variieren. Man kann jedoch sagen, dass von einem Aneurysma im Gehirn jährlich durchschnittlich 15 Personen pro 100.000 Einwohner betroffen sind.“

Ursache: Angeborene Bindegewebsstörung

Die Ursachen eines Aneurysmas erklärt Winkler folgendermaßen: „Zerebrale Aneurysmen sind auf eine angeborene Bindegewebsstörung zurückzuführen. Normalerweise besteht eine Arterie aus drei Schichten: Tunica intima, Tunica media und Tunica externa. Bei einem Aneurysma ist die mittlere Schicht schwach ausgebildet. Betroffene haben also eine angeborene Veranlagung, wobei sich die Gefäße im Laufe des Lebens erweitern.“ Die Aneurysma-Erkrankung tritt somit vorwiegend im höheren Lebensalter ab 60 Jahren auf. Neben der erblichen Veranlagung gibt es einige Risikofaktoren, die das Entstehen begünstigen. Dazu zählen etwa Rauchen, Bluthochdruck oder erhöhte Cholesterinwerte. „Rauchen ist besonders gefährlich, wenn bereits eine Blutung vorhanden ist, weil es einen Gefäßkrampf – einen sogenannten Vasospasmus – begünstigt. Dabei ziehen sich nach dem Platzen des Aneurysmas die Gefäße zusammen, sodass kein Blut mehr herausfließt. Ein Schlaganfall droht, der für das Gehirn besonders gefährlich ist“, so der Universitätsprofessor.

Entdeckung häufig zufällig

Da Aneurysmen in der Regel keine Beschwerden verursachen, werden sie nur zufällig entdeckt. „Viele Menschen bemerken Aneurysmen überhaupt nicht und nehmen sie quasi mit ins Grab“, bestätigt Winkler. Gelegentlich können die Aussackungen jedoch Beschwerden verursachen. Je nach Lokalisation des erweiterten arteriellen Gefäßes können dann Brust- und Rückenschmerzen, Bauchschmerzen oder Atemnot auftreten. „Kopfschmerzen von bisher nie gekannter Intensität und Qualität können auf ein Aneurysma im Gehirn deuten. Ursache ist, dass das Blut aus dem Aneurysma auf die Hirnhäute, die sehr schmerzempfindlich sind, drückt. Man sollte daher sofort einen Arzt aufsuchen. Eine frühzeitige Diagnose ist äußerst entscheidend für den Verlauf der Erkrankung“, sagt Winkler.

Je nach Schwere lassen sich Aneurysmen im Gehirn in folgende Grade einteilen:

  • Grad 1: geringe Kopfschmerzen, leichte Nackensteife
  • Grad 2: mäßig bis schwere Kopfschmerzen, Nackensteife
  • Grad 3: Verwirrtheit, leichte Bewusstseinstrübung
  • Grad 4: mäßig bis schwere Lähmung einer Körperseite (Hemiparese), vegetative Störungen, tiefe Bewusstseinstrübung
  • Grad 5: tiefes Koma

Gefährliche Komplikation: Ruptur

Das Gefährliche an einem Aneurysma ist die Ruptur. Darunter versteht man das Platzen der Aussackung. Das Rupturrisiko steigt, je größer das Aneurysma ist. Reißt das erweiterte Gefäß, kommt es zu einer starken Blutung und einer in weiterer Folge eingeschränkten Durchblutung des Körpers – ein lebensbedrohlicher Zustand. Ist eine Arterie krankhaft erweitert, kann sich zudem ein Gerinnsel lösen, in anderen Gefäßabschnitten ablagern und dort eine Embolie – einen Gefäßverschluss – hervorrufen. „Platzt das Aneurysma, ist eine sofortige Behandlung notwendig. Leider erreichen viele Betroffene die Klinik nicht mehr, sondern versterben, bevor eine Behandlung eingeleitet werden konnte“, sagt Winkler.

Regelmäßige Kontrollen bei kleinen Aneurysmen

Die Behandlung richtet sich nach der Größe der Aussackung. Ob ein Rupturrisiko besteht, wird durch die Ausdehnung ermittelt. Ein Aneurysma, das keine Symptome verursacht, wird nur dann behandelt, wenn eine Ruptur droht. Ist das Aneurysma noch klein, kann zunächst abgewartet werden. Mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wird das erweiterte Gefäß genau beobachtet. Durch Senkung eines gegebenenfalls vorhandenen Bluthochdrucks bzw. von zu hohen Blutfettwerten und mit einer gesunden Lebensweise (Rauchstopp) lässt sich in einigen Fällen eine weitere Vergrößerung verhindern.

Operation am Gehirn: Coils oder Clips

Ist jedoch eine Operation notwendig, stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Je nach Lokalisation des Aneurysmas wählt der Operateur den Zugang – etwa über die Rippen, das Brustbein oder die Leiste –, um die beschädigte Arterie zu „reparieren“. Wie Aneurysmen im Gehirn behandelt werden, erklärt der Neurochirurg folgendermaßen: „Ein modernes Verfahren ist die Coiling-Methode. Dabei werden Drahtschlingen, sogenannte Coils, über die Leiste in die Schenkelarterie und schließlich in die Hirngefäße hochgeschoben, um das Aneurysma von innen sozusagen auszustopfen, sodass es nicht mehr platzen kann. Eine andere Methode ist die offene Operation am Schädel. Dabei wird die Aussackung mit einem Clip vom Blutkreislauf abgeklemmt.“ Bei einem Aortenaneurysma wird der betroffene Abschnitt der Arterie mit einer Kunststoffprothese ersetzt. Der Chirurg kann aber auch über die Leiste eine kleine Röhre – einen sogenannten Stent – zum Aneurysma führen. Der Stent entfaltet sich und kleidet die Gefäßaussackung quasi von innen aus, um sie zu stabilisieren.

Überlebenschancen: 50 Prozent

Auf die Frage, wie hoch die Überlebenschancen sind, antwortet Winkler: „Wenn man überlebt, dann hängt es davon ab, wie weit die Blutung fortgeschritten war. 50 Prozent der erfolgreich behandelten Menschen mit einem zerebralen Aneurysma können wieder in den Beruf zurückkehren und erreichen quasi ihren ‚alten‘ Zustand.“

MMag. Birgit Koxeder
Februar 2012


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020