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Rheuma kann jede Altersgruppe treffen

Rheuma kann jede Altersgruppe treffenDie Vorstellung, dass Rheuma eine Erkrankung ist, die erst im Alter auftreten kann, ist grundlegend falsch. Rheuma kann Menschen aller Altersgruppen treffen, selbst Säuglinge.

„Wir haben momentan 130 Kinder in Betreuung. Unsere jüngsten Patienten sind knapp ein Jahr alt. Häufigkeitsspitzen liegen im Kleinkinderalter und bei Jugendlichen vor“, sagt OA Dr. Rudolf Schwarz, Leiter der Spezialambulanz für Rheumatologie an der Landes- Frauen- und Kinderklinik Linz.

Arthrose und Arthritis

Rheuma im weiten Sinn umfasst geschätzte 400 einzelne Krankheitsbilder. Darunter fallen die großen Gruppen der

- Arthrose: Gelenkbeschwerden, die durch Abnützung entstehen.
- Arthritis: Gelenkserkrankungen, die durch Entzündungen hervorgerufen werden.

Am Beginn der Erkrankung entzündet sich die betroffene Gelenksinnenhaut. Sie schwillt an und produziert vermehrt Flüssigkeit. Erfolgt keine Behandlung, kann sich die Erkrankung an den Knorpelflächen fortsetzen und schließlich die Gelenke befallen. Im schlimmsten Fall können Gelenke regelrecht zerstört werden.
Erwachsene Frauen sind von Rheuma häufiger (3 Prozent) betroffen als erwachsene Männer (0,5 Prozent). 1,5 Prozent der Schulkinder in Österreich sind Rheumapatienten. „Bei 10 bis 15 Prozent der Kinder machen sich irgendwann einmal Gelenksbeschwerden bemerkbar“, sagt Schwarz.

Rheuma im Kindesalter

„Kinder-Rheuma“ ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene, oft schmerzhafte Erkrankungen der Gelenke und des Bindegewebes bei Kindern und Jugendlichen. Wenn man bei jungen Menschen bis 18 Jahren von Rheuma spricht, ist zumeist eine Arthritis gemeint. Häufig betroffen sind bei Kindern auch die Augen. Gicht oder degenerative Wirbelsäulenerkrankungen kommen selten vor.

Symptome erkennen

Rheuma erkennt man an geschwollenen Gelenken, die gerötet oder erwärmt sein können und schmerzen. Hält die Entzündung länger an, werden Knorpel, Knochen, Sehnen und Bänder beeinträchtigt. Mögliche Folgen: Die betroffenen Gelenke können schlechter bewegt werden. Auch das Gehen und Greifen ist beeinträchtigt. Betroffene versuchen, sich einer Belastung der schmerzenden Gliedmaßen zu entziehen.

Kleine Kinder können ihre Beschwerden oft noch nicht ausdrücken. Bei ihnen muss man sehr genau auf die Körpersymptome achten. Diese Symptome sind oft unspezifisch und versteckt. „Bei Kindern denkt man nicht automatisch an Rheuma. Oft erkennt man die Symptome nicht gleich und denkt etwa an eine Entwicklungsverzögerung“, so Schwarz.

Um dem Schmerz auszuweichen, ändern Kinder häufig Haltungen oder Bewegungsabläufe. Das erkrankte Gelenk wird dadurch weniger belastet. „Eltern sollten vor allem bei Hinken, bei einem anderen Greifen, bei Schwierigkeiten beim Schreiben oder bei Änderungen der alltäglichen Bewegungen ihrer Kinder hellhörig sein“, sagt Schwarz.

Augen als Hinweis

Ein Alarmsignal bei Kindern sind Augenentzündungen. Diese treten beim kindlichen Rheuma als Begleitphänomen von Gelenksentzündungen wesentlich häufiger auf als bei Erwachsenen. Schwarz empfiehlt Betroffenen eine regelmäßige Augenfacharztkontrolle – mindestes alle drei Monate.

Gute Heilungschancen

Bei unerklärlichen Schwellungen sollten Eltern mit ihrem Kind frühzeitig einen Arzt aufsuchen. Wird Rheuma diagnostiziert, folgt eine Stufentherapie, bestehend aus Medikamenten, Physio- und Ergotherapie. Wenn nötig, wird auch eine Gewichtsreduktion angestrebt.

Bei frühzeitiger und konsequenter Therapie bestehen gut Chancen auf völlige Heilung. „Wir bekommen drei Viertel aller Kinder wieder beschwerdefrei. Allerdings geht das nicht von heute auf morgen. Eine Erfolg versprechende Therapie dauert meist ein paar Jahre“, sagt Schwarz.

Es gibt allerdings auch Patienten, bei denen man die Erkrankung nicht in den Griff bekommt. Sie bleiben ihr Leben lang durch Schmerzen und Bewegungsbeeinträchtigungen beeinträchtigt. Häufig müssen sie ihren Beruf aufgeben oder sind nur eingeschränkt arbeitsfähig. „Bei Kindern sind die Fälle, bei denen man nicht ausreichend helfen kann, zum Glück sehr selten“, stellt Schwarz fest

Kein Rheuma-Gen

Rheuma tritt in manchen Familien zwar gehäuft auf, es gibt allerdings kein einzelnes „Rheuma-Gen“. Auch gibt es meist keine medizinisch erkennbare Vorgeschichte, die schließlich in der Erkrankung mündet. „Bei Rheuma gibt es keine Vorbeugungsmaßnahmen“, sagt Schwarz.

Keine spezielle Rheuma-Diät

Bei erkanntem Rheuma empfiehlt sich viel Obst, Gemüse und Fisch zu essen. Vor allem bei Übergewicht gilt es, seine Ernährung umzustellen und weniger Fett und Zucker zu sich zu nehmen. „Es gibt aber keine spezielle Rheumadiät. Eine gesunde Mischkost mit nur wenig Fleisch ist empfehlenswert“, so der Spezialist.

Ursachenforschung

Die Ursache, warum Rheuma bei manchen jungen Menschen ausbricht, ist noch wenig erforscht. „Eines ist jedoch auffällig: In vielen Fällen findet sich in der Vorgeschichte ein Infekt. Der Körper reagiert im Normalfall mit seinen Abwehrkräften auf fremde Viren oder Bakterien. Kommt es dabei im Immunsystem zu einem Fehler, kann es passieren, dass sich die Abwehr nicht nur gegen die Eindringlinge richtet, sondern auch gegen körpereigenes Gewebe oder Gelenke. Durch diesen Autoimmunprozess können schließlich rheumatische Entzündungen entstehen“, sagt Schwarz.

Dr. Thomas Hartl
September 2009


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020