Niereninsuffizienz - eine Organstörung, die den Körper langsam vergiften kann.
Im Gegensatz zum akuten Nierenversagen mit rasant veränderten Blut- und Harnwerten verläuft die chronische Niereninsuffizienz langsam. Funktionsfähiges Nierengewebe geht langsam zugrunde und kann seine lebenswichtigen Aufgaben nicht mehr erfüllen.
Gesunde Nieren sorgen für eine laufende Entgiftung des Körpers. Neben ihrer Rolle als Ausscheidungsorgan fungieren sie auch als präzises Regulationsorgan im Mineralstoff- beziehungsweise Säuren-Basenhaushalt sowie als Hormondrüsen. Das für den Blutdruck bedeutsame Hormon Renin und das zur Bildung roter Blutkörperchen nötige Erythropoetin werden in den Nieren ebenso gebildet wie Vitamin D — genau genommen ein Hormon für den Knochenstoffwechsel. Die charakteristisch geformten Nieren sind paarig beiderseits der unteren Brustwirbelsäule angeordnet, beim Erwachsenen rund 10 bis 12 Zentimeter lang, 5 Zentimeter breit und je rund 120 bis 160 Gramm schwer.
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Unter Druck wird das Blut in die Gefäßknäuel namens Glomeruli gepresst und wie durch ein Sieb gefiltert.100 ml Primärharn entsteht hier pro Minute, knapp 150 Liter in 24 Stunden. Diese glomuläre Filtrationsrate (GFR) ist unabhängig von der Trinkmenge. Die Tubuli, die den Primärharn zunächst sammeln, holen lebenswichtige Blutinhaltsstoffe aus dem Kanalsystem je nach Bedarf in den Blutkreislauf zurück. Das von Stoffwechselschlacken gereinigte Körperwasser wird so laufend zu 99 Prozent recycelt. Nur etwa ein Prozent wird in Form des konzentrierten, schlackenhältigen Endharns ausgeschieden. Das Endharnvolumen kann je nach Art und Menge der täglichen Flüssigkeitszufuhr schwanken. Die Klärleistung der Niere wird an den stickstoffhältigen harnpflichtigen Substanzen gemessen, die aus dem Eiweißstoffwechsel abfallen – zum Beispiel Harnstoff, Harnsäure und das sogenannte Kreatinin. Bei einer Nierenfunktionsstörung steigt die Konzentration dieser Giftstoffe im Blut an, während ihre Ausscheidung im Harn verringert ist.
Verdächtige Signale
Geschwollene Beine und Augenlider sind ein Alarmzeichen für Eiweißverlust über die Niere. Bei Zystennieren und Nierenschaden durch Schmerzmittelmissbrauch tritt Gicht gehäuft auf. Chronische Niereninsuffizienz ist meist Folgeschaden diverser Langzeiterkrankungen. Häufigste Ursache ist mit rund einem Drittel ein schlecht eingestellter Diabetes, gefolgt von chronischen Glomerulientzündungen, Nierengewebs- und Nierenbeckenentzündungen. Bluthochdruck und angeborene Zystennieren verursachen jede zehnte chronische Niereninsuffizienz, so Univ.-Doz. Prim. Dr. Hans Krister Stummvoll vom Krankenhaus der Elisabethinen in Linz. Schmerzmittelmissbrauch sowie Systemerkrankungen wie etwa Erkrankungen der Nierenblutgefäße und Nierenbindegewebserkrankungen sind zu etwa fünf Prozent verantwortlich.
Begrenzte Therapie-Chancen
Therapieziel ist – neben der Behandlung des Grundleidens – die Verlangsamung des Krankheitsfortschritts durch so genannte ACE-Hemmer. Sie sorgen dafür, dass die Blutgefäße sich weniger stark verengen und somit mehr Wasser und Kochsalz ausgeschieden werden können. Gleichzeitig gilt es, Komplikationen im Gesamtorganismus zu verhindern – etwa durch Bekämpfung der krankhaften Vermehrung harnpflichtiger Stoffe im Blut und eine eiweißarme Ernährung. Wenn trotz konservativer Therapie die Nieren völlig den Dienst versagen, ist nur der rechtzeitige Einsatz einer Nierenersatztherapie – sprich Dialyse oder Nierentransplantation – lebensrettend. In den österreichischen Dialysestationen gibt es pro Jahr einen Neuzugang von rund 1.000 Patienten. Von allen Patienten mit völligem Nierenversagen sind derzeit 52 Prozent in Dialyse-Behandlung, 48 Prozent leben mit transplantierten Spendernieren.
Vorbeugender Nierenschutz
Rauchen, hohe Eiweiß- und Kochsalzaufnahme, Alkohol, Übergewicht, Bewegungsmangel, Stress und Schmerzmittel — vor allem so genannte APC-Kombinationspräparate aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein — sie sind mögliche Wegbereiter der Niereninsuffizienz. Diese zusätzlichen Belastungen der Nieren sollten vor allem dann vermieden werden, wenn man ohnehin zu einer Nieren-Risikogruppe zählt.
Kaus Stecher
April 2006
Foto: deSign of Life, privat
Kommentar
Univ.-Doz. Prim. Dr. Hans Krister Stummvoll
Leiter der 3. Internen Abteilung am KH der Elisabethinen, Linz