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Nierenversagen: Wenn die Niere keine Gifte mehr filtert

dialysemaschineDie Nieren sind der Hauptumschlagplatz für die Entgiftung des Körpers. Schadstoffe werden aus der Körperflüssigkeit gefiltert und mit dem Harn ausgeschieden. Wenn die Nieren nur mehr eingeschränkt funktionieren und andere Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen, müssen sich die Erkrankten einer Blutwäsche oder einer Bauchdialyse unterziehen.


Ohne die Nieren geht gar nichts: Sie produzieren den Harn, in dem die Abbauprodukte des Stoffwechsels gelöst sind. Meist werden ein bis drei Liter Flüssigkeit über die Nieren als Harn ausgeschieden und so wird der Körper entgiftet. Die ausgeschiedene Harnmenge hängt von der Flüssigkeitsaufnahme und der Schweißproduktion ab. Über Ausscheidung von Salzen und Elektrolyten beeinflusst die Niere auch den Blutdruck. Die Niere leistet als Hormonproduzent auch einen Beitrag zur Blutbildung: Ihr Hormon (Erythropoetin) regt die Bildung der roten Blutkörperchen im Knochenmark an.

Harnpflicht

Als "harnpflichtige" Substanzen bezeichnet der Mediziner Stoffe, die der Körper ausfiltern muss, um deren übermäßige Konzentration zu verhindern. Das geschieht in kleinen Blutgefäßknäuel, den Glomerula (Glomerulus: Kapillarknäuel). Sie liegen in der Nierenrinde und sind in Kapseln - den Nierenkörperchen - eingebettet. Die Wände der Kapillargefäße sind halbdurchlässig (semipermeabel). Blutzellen, rote und weiße Blutkörperchen sowie Bluteiweiß (Plasmaalbumin), werden im Blutserum zurückgehalten. Im Blut gelöster Zucker (Glukose), Harnstoff (Abbauprodukt des Eiweißstoffwechsels), Elektrolyte und Wasser können die Gefäßwände passieren. Diese Stoffe werden als Primärharn im Ausführungsgang der Nierenkörperchen – dem Tubulus – aufgefangen. Beim Transport des Primärharns durch die Gesamtheit der Tubuli werden viele Bestandteile des Primärharns wieder für den Körper zurückgewonnen – nicht zuletzt Wasser. So wird viel mehr Primärharn produziert als schließlich ausgeschieden wird.

Diabetes - die häufigste Ursache für ein Nierenversagen

Die häufigste chronische Nierenerkrankung ist heute die diabetische Nephropathie, oft eine Folgeerkrankung von Diabetes mellitus. Erhöhte Blutzuckerwerte schädigen die Gefäßwände - besonders die des empfindlichen Kapillarsystems. 40 bis 50 Prozent der Dialysepatienten sind zuckerkrank. Ihre Nieren versagen den Dienst, weil die Kapillaren in den Glomerula geschädigt sind. Dann stellt die Blutwäsche (oder auch die Bauchdialyse) das letzte Mittel der Behandlung dar. Danach kann nur mehr eine Nierentransplantation helfen. Univ. Prof. Dr. Georg Biesenbach, Primar der 2. Medizinischen Abteilung am Linzer AKH, bezeichnet die vom erhöhten Blutzucker hervorgerufene Nierenerkrankung als "Katastrophe" für das Gesundheitswesen: "Wenn es gelingen würde, die Zahl der dialysepflichtigen Diabetiker um nur 20 Prozent zu reduzieren, könnte man in Österreich jährlich über 10 Millionen Euro einsparen." Als Folge des Diabetes Typ 2 - des sogenannten "Alterszuckers" - ist diese Form der Zuckerkrankheit in den meisten Fällen erworben und nicht genetisch bedingt. Ursache dafür ist vor allem ein ungesunder Lebensstil: Wenig Bewegung, falsche Ernährung und Übergewicht geben den Ausschlag für die Entwicklung der Alterszuckerkrankheit. Durch eine rechtzeitige Umstellung des Lebensstils ließe sich also durchaus die Ausbildung eines Diabetes und damit auch das Auftreten der schlimmsten Diabetesfolge hintan halten.

Andere Ursachen

Verkalken die zu- und ableitenden Gefäße der Nieren spricht der Fachmann von einer vaskulären Nephropathie (Vas: Gefäß). Auch diese Krankheit ist erst im Alter zu erwarten. Anders liegen die Dinge bei Nierenerkrankungen, die genetisch bedingt sind, beispielsweise die Zystennieren und das Alport-Syndrom (eine angeborene glomeruläre Erkrankung mit Hörstörung). Hier sind die Patienten meist sehr jung. Die häufigste Nierenerkrankung im jüngeren Alter ist die Glomerulonephritis. Das ist eine entzündliche Erkrankung der Glomerula - üblicherweise eine Autoimmunerkrankung, die zu einem terminalen Nierenversagen führen kann. Durch eine falsche Reaktion wenden sich Abwehrkörper gegen diese körpereigenen Strukturen und zerstören dabei die Kapillarwand der Glomerula ("Harnfilter", s.o.). Patienten mit dieser Form einer Nierenerkrankung kommen aus allen Altersgruppen. Im Linzer AKH werden derzeit an die 80 Patienten, im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz - die größte österreichische Dialysestation - ungefähr 170 Patienten behandelt. Die Dialyse muss drei Mal pro Woche durchgeführt werden. Die Patienten hängen jeweils vier Stunden an der Dialysemaschine. Insgesamt führt das AKH Linz etwa 12.500, die Elisabethinen Linz ca. 26.500 Hämodialysen pro Jahr durch. Im AKH Linz werden weiters ca. 3.000 Peritonealdialysen (Bauchdialyse, s.u.) gemacht.

Zwei verschiedene Verfahren zur Blutwäsche

Die Blutreinigung kann auf zwei verschiedene Arten durchgeführt werden: als "Häemodialyse" oder als "Peritoneladialyse". Bei der Hämodialyse wird das Blut aus dem Körper in eine Dialysemaschine geschleust. In dieser Maschine wird das Blut über eine semipermeable Membran geführt. Diese Membran ist dafür verantwortlich, dass nur die "harnpflichtigen" Substanzen ausgefiltert werden und Blutkörperchen und Bluteiweiß im Serum verbleiben. Dazu müssen die Poren der Membran sehr klein sein. Der Filter der Dialysemaschine grenzt das entnommene Blut zu einer genau dosierten salzhaltigen Flüssigkeit ab. Durch den Konzentrationsunterschied zwischen den beiden Flüssigkeiten diffundieren die harnpflichtigen Stoffe aus dem Blut in die Salzlösung und das Blut wird "gewaschen". Die "Bauch- oder Peritonealdialyse" nützt das Bauchfell als semipermeable Membran, der freie Bauraum wird zum Behälter für die "Spülflüssigkeit". Über das Kapillarsystem des Bauchfells wechseln die Abbauprodukte vom Blut in die Spülflüssigkeit. Dazu ist es nötig dem Patienten einen ständiger Katheter in die Bauchdecke einzusetzen. Viermal pro Tag wird über diesen Schlauch die Spülflüssigkeit in den freien Bauchraum geleitet. Die Spülung dauert je eine halbe Stunde. Die Peritonealdialyse kann der Patient zu Hause durchführen, eine Einschulung auf den Umgang mit dieser Methode wird im Krankenhaus gemacht.

Die Diagnose ist ein Schock

Wird ein drohendes Nierenversagen diagnostiziert, muss sich das Leben des Erkrankten und seiner Angehörigen natürlich grundlegend ändern. Nicht nur die ständige ärztliche Betreuung stellt den Patienten vor eine neue Situation, auch die psychische Belastung, die aus dieser Diagnose erwächst, muss verarbeitet werden. Die psychische Betreuung der Patienten ist schwierig und derzeit sicher nicht ausreichend, weiß Primar Biesenbach aus Erfahrung. "Die Patienten werden depressiv, weil sie nicht wissen, wie sie die Krankheit und die nötige Therapie akzeptieren sollen", versteht der Mediziner. Darüber hinaus ist das Vertrauen der Patienten in den Therapeuten und die Therapie oft nicht gut, weil die Erkrankten nicht den Eindruck bekommen, dass die Folgen der Diagnose auf das tägliche Leben verstanden werden, so der Mediziner. Der Therapeut muss über die Krankheit und alle Begleitumstände Bescheid wissen, dann erst kann der Patient das nötige Vertrauen aufbauen, ist sich Biesenbach sicher.

Urlaub möglich

Dialysepatienten sind von einer regelmäßigen Behandlung abhängig. Trotz aller Einschränkungen im täglichen Leben, gibt es doch auch eine gute Nachricht. In vielen Urlaubsorten ist es möglich eine Dialyse durchzuführen. Die Erkrankten können also durchaus auch in den Urlaub fahren! "Wir haben auch schon Gäste aus Deutschland hier behandelt", erzählt Biesenbach. Die Patienten werden bei der Urlaubsplanung beraten und an das nächste geeignete Spital vermittelt. Die Strapaze der dreimaligen Dialyse pro Woche müssen sie aber leider auch im Ausland auf sich nehmen.

Mag. Christian Boukal

April 2006


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020