Windpocken und Gürtelrose - auch Zoster genannt - sind zwei verschiedene Erscheinungsbilder der gleichen Infektionskrankheit. Windpocken sind die Folge der Erstinfektion, nach Jahren kann durch eine erneute Infektion oder Reaktivierung der Viren die Gürtelrose entstehen.
Sehr ansteckend
Windpocken - auch Schafblattern oder Varizellen genannt - werden durch das Varizella-Zoster-Virus verursacht. Dieses Virus gehört zu der Gruppe der Herpes-Viren. Die Erkrankung ist hoch ansteckend. Über 90 Prozent aller Erwachsenen besitzen Antikörper gegen das Virus als Zeichen einer durchgemachten Infektion. Die Übertragung erfolgt über infektiöse Speicheltröpfchen beim Husten, Niesen und Sprechen oder durch direkten Körperkontakt.
Meist gutartiger Verlauf
Etwa zwei bis drei Wochen nach der Infektion tritt ein stark juckender Hautausschlag auf, der charakteristische Stadien durchläuft: Aus roten Flecken entwickeln sich kleine Knötchen, die sich in Bläschen umwandeln und mit einer wasserklaren Flüssigkeit gefüllt sind. Die Bläschen platzen und es bildet sich eine Kruste, die schließlich abfällt. Der Hautausschlag beginnt meist am Kopf - auch die behaarte Kopfhaut ist betroffen - und breitet sich von oben nach unten aus. Die Mundschleimhaut kann ebenfalls betroffen sein. Klassischerweise verläuft der Ausschlag schubweise, das heißt Flecken, Knötchen und Bläschen finden sich zur gleichen Zeit - ein so genannter „Sternenhimmel“. Nach ein bis zwei Wochen fallen die Krusten ab. Narben bilden sich nur, wenn die Bläschen aufgekratzt werden. Die Patienten können ihre Mitmenschen zwei Tage vor Ausbruch des Hautausschlages bis zum Verkrusten der letzten Bläschen anstecken. Normalerweise besteht abgesehen von Kopf- und Gliederschmerzen kaum ein Krankheitsgefühl und nur leichtes Fieber. Besonders ernst kann die Erkrankung bei Neugeborenen und Kindern mit geschwächtem Immunsystem verlaufen. „Die Erkrankung verläuft im Erwachsenenalter deutlich schwerer als bei Kindern“, berichtet Dr. Thomas Weidenbach, Hautarzt in München. Mögliche Komplikationen sind Entzündungen von Nieren, Leber, Lunge, Gehirn oder Herzmuskel.
Kratzen vermeiden
Die Behandlung beschränkt sich im Allgemeinen auf juckreizstillende Puder oder Lotionen. Kindern sollten die Fingernägel kurz geschnitten werden, sehr kleinen Kindern können zum Schutz Baumwollhandschuhe angezogen werden. Durch Kratzen können sich die Bläschen mit Bakterien infizieren, in diesem Fall kommen lokal Antibiotika zum Einsatz. Nur bei sehr schwer verlaufenden Infektionen müssen speziell gegen Viren wirkende Medikamente verordnet werden. Es gibt eine Impfung gegen Varizellen, die von der österreichischen Impfkommission allen ungeimpften Kindern zwischen neun und 17 Jahren empfohlen wird, wenn diese die Infektion noch nicht durchgemacht haben.
Windpocken in der Schwangerschaft
Erkranken ungeschützte schwangere Frauen vor der zwanzigsten Schwangerschaftswoche an Windpocken, kann dies in seltenen Fällen zu Fehlbildungen beim Kind führen. Eine Infektion unmittelbar vor der Geburt kann über die Plazenta übertragen werden und verursacht eine sehr schwere Varizellenerkrankung des Neugeborenen.
Gürtelrose als Zweiterkrankung
Einmal durchgemachte Windpocken hinterlassen eine gute Immunität. Allerdings werden die Viren nicht ausgeschieden, sondern verbleiben unbemerkt im Bereich der Nervenwurzeln liegen. Oft viele Jahre nach der Erstinfektion kann es zu einer Reaktivierung kommen und die Viren wandern entlang der Nervenbahnen zurück zur Haut. Auslöser für die erneute Aktivierung der Erreger kann eine Schwächung des Immunsystems sein, oft lassen sich aber keine unmittelbar auslösenden Ursachen feststellen. Ein Erkrankungsgipfel besteht zwischen dem sechzigsten und siebzigsten Lebensjahr. Die Erkrankung beginnt mit heftigen, brennenden Schmerzen, die sich auf jenes Hautareal beschränken, das von dem betroffenen Nerven versorgt wird. Die Schmerzen gehen den Hautveränderungen oft einige Tage voraus. Manchmal besteht mäßig hohes Fieber um 38 Grad Celsius. Es bilden sich zuerst Knötchen und dann in Gruppen stehende, sekretgefüllte Bläschen, die platzen und eintrocknen. Das Sekret ist ansteckend und kann bei Kindern und nicht geschützten Erwachsenen zu einer Windpockenerkrankung führen. „Die Symptomatik besteht immer nur einseitig entlang einer Nervenbahn. Generalisierter Zoster ist extrem selten und tritt nur bei Abwehrgeschwächten Personen auf“, so Weidenbach. Auch die Infektion von Auge oder Ohr oder Nervenschmerzen ohne Ausschlag sind möglich. Bei Befall der Kopfnerven kann auch eine Gehirnhautentzündung auftreten. Der Ausschlag heilt meist innerhalb von zwei bis drei Wochen ab.
Therapie nach Schweregrad
In vielen Fällen reicht die lokale Behandlung mit einem Puder oder Zinkpaste aus. Bei schwerem Verlauf kann innerhalb der ersten 72 Stunden ein so genanntes Virustatikum - ein Medikament speziell gegen Viren verordnet werden. Zusätzlich kommen Schmerzmittel zum Einsatz. „Die Schmerztherapie muss konsequent und ausreichend sein, sonst ‚merkt’ sich der Körper die Schmerzen und es kommt zur postzosterischen Neuralgie“, gibt Weidenbach zu bedenken. Wenn die Augen betroffen sind, muss unbedingt eine augenärztliche Untersuchung durchgeführt werden, bei Befall der Ohren muss ein Ohrenarzt aufgesucht werden. Es sollte auch immer abgeklärt werden, ob nicht eine eventuell bestehende Grunderkrankung, die zur Schwächung des Immunsystems geführt hat, vorliegt.
Post-Zoster Neuralgie
Dauern die Schmerzen länger als vier Wochen, spricht man von einer so genannten postzosterischen Neuralgie. Betroffene Patienten leiden oft sehr unter dieser Form der Erkrankung. Es gibt mehrere gute Therapiemöglichkeiten – unter anderem auch eine physikalische Therapieform – allerdings sollte die Behandlung von Spezialisten durchgeführt werden. „Die Schmerzmedikation sollte schon zu Beginn des Zoster zum Einsatz kommen, eventuell sogar mehrere Schmerzmittel, um der Entstehung einer postzosterischen Neuralgie vorzubeugen“, so Weidenbach.
Dr. Ulli Stegbuchner
Mai 2008
Foto: Bilderbox