Eine Blutvergiftung beginnt mit einer Infektion im Körper und kann binnen kurzer Zeit lebensgefährlich werden. Das rasche Erkennen und Behandeln ist daher von entscheidender Bedeutung.
Eine Blutvergiftung (Sepsis) tritt häufiger auf, als öffentlich wahrgenommen. Rund 18.000 Sepsis-Patienten werden in Österreich pro Jahr registriert, die Hälfte davon mit schwerem Verlauf. Weltweit erleiden 18 Millionen Menschen im Jahr eine Sepsis, Tendenz steigend. Bei schwerer Sepsis liegt die Sterblichkeit bei 30 bis 50 Prozent. Bei einem septischen Schock gar bei 50 bis 60 Prozent. In den heimischen Intensivstationen ist die Sepsis nach Herzerkrankungen die häufigste Todesursache. Jährlich sind 7.500 Todesfälle in Österreich zu verzeichnen.
Sofort zum Arzt
Ähnlich wie bei einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt spielt die verstreichende Zeit bis zur Notfallbehandlung eine entscheidende Rolle für das Überleben. Studien zeigen, dass im Falle eines septischen Schocks jede Stunde Zeitverzögerung bis zum Beginn der Therapie mit Antibiotika die Sterblichkeit um acht Prozent erhöht.
Bei Verdacht auf eine Blutvergiftung sollte man daher sofort einen Arzt oder eine Klinik aufsuchen. „Besser einmal zuviel ins Krankenhaus, als sich dem großen Risiko einer Nichtbehandlung auszusetzen“, sagt Univ.-Prof. Prim. DDr. Bruno Schneeweiß, Leiter der Abteilung für Innere Medizin am LKH Kirchdorf.
Was ist eine Blutvergiftung?
Die Sepsis beginnt immer mit einer Infektion. Liegen etwa eine eitrige Wunde, eine Lungenentzündung oder ein Infekt der Harnwege vor, gelangen Bakterien durch die Wunde in den Körper. Im optimalen Fall bekämpft daraufhin das körpereigene Abwehrsystem die Krankheitserreger, begrenzt die Infektion auf ihren Entstehungsort und heilt sie aus. Ist das Immunsystem jedoch geschwächt, kann es passieren, dass sich die Infektion über den Blutkreislauf ausbreitet. Mögliche Reaktionen sind:
- Das Blut verklumpt in den kleinen Gefäßen und die Blutversorgung von Organen und Geweben wird dadurch beeinträchtigt.
- Es entsteht ein massiver Volumenmangel in den Blutgefäßen.
- Der Blutdruck sinkt.
- Die Organe werden schlecht durchblutet.
- Die kleinen Blutgefäße erweitern sich stark, der Blutdruck sinkt weiter ab.
- Es fehlt den Organen an Sauerstoff und Nährstoffen.
Septischer Schock
Eine Infektion und die überbordende Reaktion des Organismus auf diese Infektion sind demnach die Hauptmerkmale einer Sepsis. Von einer schweren Sepsis spricht man, wenn lebenswichtige Organe nicht mehr richtig arbeiten. Wie bei einer Kettenreaktion können innerhalb weniger Stunden Kreislauf, Nieren, Lunge, Leber und Herz versagen (septischer Schock). Das kann unbehandelt rasch zum Tod führen.
Ursachen
Fast jede Art von Infektion mit Bakterien und Pilzen kann zu einer Blutvergiftung führen. Infektionsherde sind vorwiegend:
- Eitrige Wunden (z.B. eitriger Zehe oder auch eitriger Zahn)
- Infektionen im Bauchraum
- Lungenentzündungen
- Harnwegsinfekte
- Ansteckung bei einer Operation (Operationswunde)
- Schwere Verbrennungen
- Hirnhautentzündungen (Bakterielle Meningitis)
Symptome erkennen
Wengleich ein intaktes Immunsystem einen gewissen Schutz darstellt, kann eine Sepsis nur durch rechtzeitige und richtige Behandlung einer Infektion verhindert werden. Personen mit einer Sepsis sind schwer krank und fühlen sich auch so. Die Blutvergiftung ist vor allem am Anfang nicht leicht zu erkennen, da die Krankheitszeichen unspezifisch sind, also auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Ein Umstand, der sie so gefährlich macht: Oft ähneln die Symptome einem grippalen Infekt oder einer echten Grippe, daher wird die Sepsis häufig spät oder auch zu spät erkannt.
Typisch ist ein allgemeines, sich rasch steigerndes Krankheits- und Schwächegefühl. Weitere Frühsymptome:
- Fieber, oft auch hohes Fieber deutlich über 38 Grad Celsius und Schüttelfrost.
- Auch Untertemperatur ist möglich (vor allem bei Menschen mit einem schlecht funktionierenden Immunsystem).
- Hohe Herzfrequenz (hoher Puls), Herzrasen.
- Rasche Atmung, Atemnot.
- Schmerzen, etwa im Bauch, Brustkorb oder Gelenksschmerzen.
- Verwirrtheit: Bewusstseinstrübungen bis hin zum Delirium sind möglich.
- Im Laufe der Infektion sinkt der Blutdruck.
- Am Infektionsherd können sich Entzündungszeichen wie Rötung, Wärme und Schwellungen zeigen.
Warnsignal „roter Strich"?
Die Annahme, dass ein roter Streifen oder Strich auf der Haut (mit Ausgangspunkt an einer Wunde und in Richtung Herz führend) ein sicheres Zeichen für eine Blutvergiftung sei, ist weit verbreitet. Das stimmt jedoch nur zum Teil. „Der rote Strich kann bei einer Sepsis zwar auftreten, tut es jedoch nur selten. Beim roten Strich handelt es sich um eine Entzündung der Lymphgefäße“, so Schneeweiß. Sie ist ein Hinweis auf eine örtliche Entzündung. Die Lymphangitis sollte aber ebenfalls rasch ärztlich behandelt werden, damit sich daraus keine Sepsis entwickeln kann.
Diagnose
Eine körperliche Untersuchung und Blutuntersuchungen liefern wichtige Hinweise. „Für einen Arzt ist die klassische Sepsis meist leicht per Blickdiagnose zu erkennen. Die Haut ist rot gefärbt, der Patient brennt quasi wie ein Ofen“, so der Internist. Manchmal kommen Ultraschalluntersuchungen oder Computertomografie zum Einsatz, um die Infektionsquelle zu lokalisieren. Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis von Erregern in der Blutkultur. Dazu nimmt man möglichst vor Therapiebeginn Blut ab, das dann in einem Wärmeschrank aufbewahrt und nach einigen Stunden untersucht wird. Mittels der angelegten Blutkultur lässt sich auch testen, welche Medikamente am besten gegen die Krankheitserreger wirken.
Behandlung
Eine Sepsis muss immer im Krankenhaus behandelt werden, oft sogar auf der Intensivstation. Nach dem Anlegen einer Blutkultur besteht die zentrale Therapie in einer Behandlung mit Antibiotika, um die Bakterien zu bekämpfen. Weitere Maßnahmen:
- Flüssigkeitstherapie: „Ein Patient benötigt manchmal zehn bis zwanzig Liter Infusionen pro Tag und kreislaufstützende Medikamente, um den Blutdruck stabil zu halten und um die Organfunktionen aufrecht zu erhalten“, so Schneeweiß.
- Eventuell sind auch chirurgische Maßnahmen nötig, um den Infektionsherd zu entfernen.
- Eventuell künstliche Beatmung, künstliche Ernährung, Dialyse etc.
Risikogruppen
Patienten mit schlechtem Immunsystem erleiden eher eine Sepsis und haben zudem ein höheres Sterberisiko. Besonders anfällig sind Patienten nach einer Chemotherapie, schweren Verletzungen und bei Verordnung bestimmter Medikamente (Immunsuppressiva, bestimmte Rheumamedikamente). Auch frisch operierte Patienten, Diabetiker, Krebserkrankte und HIV-Infizierte sind überdurchschnittlich gefährdet.
Schwere Folgeschäden
Patienten, die eine schwere Sepsis überstanden haben, haben oft lange mit den Folgen zu kämpfen. Denn eine derart intensive Behandlung, wie sie bei Sepsis oft notwendig ist, schlägt sich auf Körper und Psyche. „Um das zu vermeiden, sollten betroffene Patienten ehest möglich behandelt werden, damit die Sepsis in einem frühen Entwicklungsstadium gestoppt werden kann“, appelliert der Internist, im Verdachtsfall keine Zeit zu verlieren.
Dr. Thomas Hartl
November 2012
Foto: Bilderbox