Während es die einen kaum erwarten können, in ihr neustes Badeoutfit zu schlüpfen, würden die anderen am liebsten nur im Neoprenanzug über den Strand huschen. Schuld am „Versteckspiel“ hat eine Pigmentstörung namens Vitiligo.
„Vitiligo“, auch Weißfleckenkrankeit genannt, ist eine der häufigsten chronischen, aber nicht ansteckenden Hauterkrankungen“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Josef Auböck, Abteilungsvorstand der Dermatologie am Linzer Akh. „Die Weißfleckenkrankheit ist ebenso oft verbreitet wie die Schuppenflechte. Ungefähr 0,5 bis 2 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen.“
Vitiligo kann bei Patienten jeden Alters auftreten, sie beginnt jedoch häufig bei jüngeren Menschen, um das 20. Lebensjahr. Dabei kommt es zu einer vollständigen Zerstörung der pigmentbildenden Zellen, der so genannten Melanozyten. In der betroffenen Haut kann kein Pigment mehr gebildet werden, was zu diesen typischen weißen Flecken führt.
Ursachen nicht geklärt
„Die genauen Ursachen für die Pigmentstörungen sind nach wie vor unbekannt“, erläutert Primar Auböck. „Zwar gibt es einige akzeptierte wissenschaftliche Hypothesen, in erster Linie wird eine Störung des Immunsystems angenommen, eine Autoimmunerkrankung, welche die eigenen Haut-Melanozyten bekämpft und zerstört. Dafür spricht, dass die Vitiligo nicht selten von anderen Autoimmunkrankheiten begleitet wird, die unter anderem zu Fehlfunktionen hormonproduzierender Organe (etwa Schilddrüse) führen können.
Stress
Ob negativer Stress ein Auslöser für Vitiligo ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Jedoch wissen wir aus der Psychoneuroimmunologie, dass sich Immunsystem, Nervensystem und Psyche gegenseitig beeinflussen und miteinander kommunizieren. „Positive Gedanken können durchaus das Immunsystem angenehm stimulieren. Umgekehrt könnte Dis-Stress den Ausbruch der Vitiligo zumindest beschleunigen“, so Primar Auböck.
Familiäre Disposition
Vitiligo kann jeder bekommen, egal, welche Hautfarbe oder welches Geschlecht. Es scheint aber, dass eine genetische Disposition vorliegt, also eine gewisse familiäre Veranlagung. Primar Auböck: „Zwangsläufig müssen Kinder aber nicht Vitiligo bekommen. Es wird angenommen, dass mehrere Erbfaktoren gleichzeitig in Kombination an die Nachkommen weitergegeben werden müssen.“
Der Beginn einer Vitiligo verläuft fast unauffällig und wird von den Betroffenen oft erst später bemerkt. Meistens fallen die weißen Flecken zum ersten Mal im Sommer auf, wenn die sonnengebräunte Haut den Kontrast verstärkt. Die betroffenen Körperstellen sind zumeist Augenlider, Hals, Mundwinkel, Achseln, Knöchel, Knie, Ellenbogen und Handbereich.
Während die Vitiligo in früheren Zeiten kaum therapierbar war, wurden in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten müssen individuell und nach Alter des Betroffenen, Hauttyp, Stadium der Vitiligo, Ausmaß und Form der Erkrankung eingesetzt werden.
Primar Auböck: „Wir wissen zwar wie die weißen Flecken entstehen, aber nicht um die genaue Ursache. Darum ist diese Störung im Hautsystem so schwer zu bekämpfen. Es gibt aber auch Fälle von Spontanheilungen. Und manche Menschen sprechen auf die verschiedenen Therapien gut an.“
Ein wichtiger Aspekt ist die psycho-soziale Belastung durch die Vitiligo. Die Vitiligo ist meist direkt sichtbar für die Mitmenschen. Diese Stigmatisierung verursacht bei den Betroffenen oft enorme psycho-soziale Belastungen: Ablehnung durch die Umwelt, niedriges Selbstwertgefühl, sozialer Rückzug und Depression sind mögliche Folgen. Menschen mit sehr heller Haut bereitet die Vitiligo in der Regel weit weniger Kummer, da sie infolge des geringen Farbunterschiedes oft kaum wahrnehmbar ist.
Chance auf Repigmentierung
Alle Therapien der Schulmedizin geben dem Patienten die Chance auf eine Repigmentierung der betroffenen Hautstellen. Die Behandlungserfolge sind allerdings keine Garantie, dass die Krankheit nicht wieder auftreten kann.
An schulmedizinischen Therapien kommen unter anderem verschiedene Lichttherapien (vor allem Schmalband-UVB) zum Einsatz, wobei die Erfolge individuell verschieden sind. Die Behandlungen können über ein Jahr dauern. Primar Auböck: „Eine permanente Repigmentierung wird mit derzeitigen Methoden dennoch selten erreicht.“
Lokaltherapie: Besser kein Kortison
Auch Eincremen der betroffenen Hautpartien mit entzündungshemmenden und immunmodulierenden Wirkstoffen ist eine wichtige Behandlungsschiene. Von lokalen Kortison-Anwendungen länger als zwei Monate rät Primar Auböck aber ab. „Die Nebenwirkungen stehen in keinem Verhältnis zum Ergebnis und es gibt risikoärmere Alternativen.“ Dazu zählen Cremen oder Salben, die im Gegensatz zu Kortison ein besseres Sicherheitsprofil aufweisen und keine Atrophie (dünne Haut, erhöhte Verletzlichkeit und Blutungsneigung der Haut) verursachen.
Transplantation von Pigmentzellen
Bei chirurgischen Eingriffen, also der Transplantation von pigmentbildenden Hautzellen, hat Auböck Bedenken: Die unterschiedlichen Methoden der Pigmentzelltransplantation haben zurzeit noch experimentellen Charakter, sind sehr aufwendig und stehen deshalb in keinem Verhältnis zum gewünschten Erfolg:“
Hautkrebsgefahr
Mit großem Vorbehalt ist auch ein Farbausgleich durch eine Laserbehandlung oder die Einnahme von Tyrosinaseinhibitoren zu sehen. Ebenso zurückhaltend ist die chemische Bleichung der Haut mit dem Hydrochinon-Derivat p-(benzyloxy)phenol zu beurteilen. Primar Auböck: Das kommt im Grunde einer Verstärkung und Ausweitung des primären Krankheitsbildes gleich und die Gefahr einer Hautkrebserkrankung steigt enorm, weil die Haut aufgrund der fehlenden Pigmentierung absolut keinen Eigenschutz mehr hat.
Auch der Verzicht auf aktive Behandlung stellt vor allem bei Patienten mit blasser Haut (Hauttyp 1, 2) eine annehmbare Option dar und sollte im Beratungsgespräch stets offen angesprochen werden. Der fehlende Eigenschutz in den befallenen Hautarealen ist besonders im Sommer zu beachten. Betroffene müssen regelmäßig ein Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor benutzen
Vorsicht vor leeren Versprechungen
Vorsicht rät der Experte vor alternativen Behandlungsformen. „Ich verstehe, dass die verzweifelten Menschen nach einem Ausweg suchen. Aber ich warne auch vor Scharlatanen, die nur die Hilflosigkeit der Patienten ausnützen, in ihnen falsche Hoffnungen wecken und es nur ihrer eignen Geldbörse abgesehen haben. Weder Schwarzkümmel, noch Entgiftungskuren, noch Ginseng oder wahllose Gabe von Vitamintabletten führen wirklich zum Erfolg.“ Die Behandlung von Vitiligo gehört jedenfalls in erfahrene Hände eines Dermatologen, von Eigenbehandlung ist dringend abzuraten.
Streicheleinheiten für Haut und Seele
Dennoch empfiehlt der Primar begleitende Behandlungsformen, welche die Betroffenen innerlich aufrichten und die Krankheit leichter ertragen lässt: „Der Gang zur Kosmetikerin, die der Haut entsprechende Streicheleinheiten zukommen lässt und zeigt, wie man Camouflage, ein spezial abdeckendes Make Up, richtig einsetzt, ist genauso empfehlenswert wie gesunde Ernährung oder regelmäßiger Sport.“
Elisabeth Dietz-Buchner
Mai 2011
Foto: AKH-Linz (Primar Auböck)