Die Hirnschlaggefahr wird ebenso gefürchtet wie unterschätzt. Der Infarkt im Gehirn ist die zweithäufigste Todesursache. Immer öfter werden schon 30- bis 40-Jährige zu Opfern eines Hirnschlags. Bis zum mittleren Lebensalter trifft mehr Männer als Frauen im wahrsten Wortsinn der Schlag. Nach den Wechseljahren holen die Frauen auf.
Etwa 15 bis 20 Prozent aller Schlaganfälle sind Hirnblutungen — man nennt sie hämorrhagische Infarkte. 80 bis 85 Prozent aller Schlaganfälle sind durch einen Gefäßverschluss bedingt — man spricht dann vom ischämischen Infarkt. Der unterbrochene Blutstrom stört die Sauerstoffzufuhr ins Gehirn. Der Super-Gau im Gehirn ist meist das Langzeitwerk von hohen Blutfetten, Diabetes, Bewegungsmangel, Rauchen, Alkoholmissbrauch und Stress. Bei Frauen ab den Wechseljahren kommt die Gefährdung durch Hormongaben dazu, so Univ.-Prof. Prim. Dr. Franz Aichner, Leiter der Abteilung für Neurologie am Wagner-Jauregg-Krankenhaus in Linz. Der prominenteste Wegbereiter des Hirnschlags ist jedoch noch immer ein zu hoher Blutdruck.
Kettenreaktion Herz – Hirn
Ein schwaches Herz pumpt zu wenig Sauerstoff – ein Risikofaktor für den Schlaganfall. Unregelmäßiger Puls – das Vorhofflimmern – begünstigt die Thrombosenbildung im Vorhof, die als Embolie ins Gehirn fortgeschwemmt werden können. Häufig ist die Halsschlagader verengt oder verschlossen. Dann sind große Teile einer Hirnhälfte unterversorgt oder ganz vom Blutkreislauf abgeschottet. Ob Blutung oder Gefäßverschluss – beide Szenarien sind verheerend. Pro Minute sterben Millionen Nervenzellen und kilometerweise Nervenfasern. Die Folgen: Schwindel, Sehund Sprachstörungen, halbseitige Lähmungen, Lebensgefahr. Diese Zeichen zu unterschätzen ist verhängnisvoll, denn nach spätestens zwölf Stunden ist das Zerstörungswerk voll ausgebildet. Nur in einem engen Drei-Stunden-Fenster besteht die Chance, etwa ein Gerinnsel durch die Thrombolyse aufzulösen. Nur in diesem Zeitraum ist es möglich, geschädigtes, aber noch lebendes Hirngewebe zu retten, bevor es für immer verloren ist.
Arzt und 144 – die Überlebensnummern
Sofort den Hausarzt und gleichzeitig die Rettung rufen – das ist die wichtigste Erste Hilfe. Sichere Seitenlagerung, Entfernen von Zahnprothesen, viel mehr kann der Laie nicht tun. Ein Schlaganfallpatient muss sofort ins Krankenhaus. An vielen Krankenhäusern gibt es bereits Stroke-Units, die mit einem interdisziplinären Ärzte-, Pflege- und Therapieteam auf die Schlaganfallbehandlung spezialisiert sind. Im Gegensatz zur Normalstation mit statistisch 0,8 Personaleinheiten pro Patient sorgen auf der Stroke-Unit 1,5 Personaleinheiten für die aufwändige Betreuung. Eine frühe Remobilisierung meist schon am Tag nach der Aufnahme ist entscheidend für die Genesung. Rund 40 Prozent aller Hirnschlagpatienten werden an Stroke-Units behandelt. Ziel ist es, so Univ.- Prof. Prim. Dr. Aichner, diese Quote auf etwa 70 Prozent auszubauen.
Tot oder bleibende Folgen?
Nur 20 bis 25 Prozent der Patientinnen und Patienten haben das Glück, wieder ganz gesund zu werden. Der Rest muss mit einer Behinderung leben. In etwa 5 bis 7 Prozent der Fälle tritt früher oder später ein weiterer Schlaganfall ein. Jeder fünfte Betroffene überlebt den ersten Monat nicht. Jedem dritten Schlaganfall geht eine sogenannte transiente ischämische Attacke, kurz TIA, voraus. Der Volksmund nennt diesen Schlaganfall-Vorboten verharmlosend „Schlagerl“. Die Symptome sind die des „echten“ Hirninfarkts, dauern aber nur wenige Minuten. Das Unheil hat sich damit schon angekündigt. Die TIA muss unbedingt ernst genommen und behandelt werden.
Rechtzeitig vorbeugen
Wenn eine verengte Halsschlagader Symptome, sprich Durchblutungsstörungen, verursacht, muss operiert werden. Bei der Operation kann der Belag an der Gefäßwand entfernt und die Halsschlagader etwa mit einem Stent — einem röhrchenförmigen Drahtgeflecht — aufgedehnt werden. Neue Arzneien, wie etwa Medikamente zur Senkung von Blutfetten mit gefäßschützender Wirkung, spielen in der Schlaganfallprävention eine immer größere Rolle.
Das Wichtigste aber ist ein gesunder Lebensstil. Man kann dem scheinbar unvermeidlichen Stress mit viel Bewegung im wahrsten Sinn des Wortes davonlaufen.
Klaus Stecher
Oktober 2008
Foto: Bilderbox, privat
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Univ.-Prof. Prim. Dr. Franz Aichner
Leiter der Abteilung für Neurologie, Wagner-Jauregg-Krankenhaus, Linz