Viele kennen das Gefühl, wenn sich plötzlich die Welt um einen herum zu drehen beginnt und alles schwankt. Kurzum: Man ist schwindelig. Welche Ursachen dafür verantwortlich sind und wann ein Arzt aufgesucht werden sollte, erklärt Dr. Gerald Wiest, Leiter der Schwindelambulanz am AKH Wien.
Schwindelgefühle und Gleichgewichtsstörungen zählen zu den häufigsten Beschwerden, mit denen Ärzte konfrontiert sind. Doch was ist Schwindel überhaupt? Beim Schwindel – in der medizinischen Fachsprache als Vertigo bezeichnet – ist das Zusammenspiel der Sinne gestört. „Am Gleichgewichtsempfinden sind mehrere Sinne beteiligt. Das sind die visuelle Wahrnehmung über die Augen, das Gleichgewichtsorgan im Ohr und die Tiefenwahrnehmung, die wichtig für das Körperempfinden ist und uns über die Stellung des Körpers im Raum informiert. Ist eine oder sind mehrere der Sinneswahrnehmungen oder deren zentrale Verarbeitung im Gehirn gestört, tritt Schwindel auf“, erklärt Dr. Gerald Wiest, Leiter der Arbeitsgemeinschaft „Schwindel und Gleichgewichtsstörungen“ der österreichischen Gesellschaft für Neurologie.
Schwindel als Symptom
Schwindel ist meist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern tritt als Symptom anderer, meistens HNO-ärztlicher oder neurologischer Erkrankungen auf. Das sind in den meisten Fällen Störungen des Gleichgewichtsorgans (es befindet sich im Innenohr) – man spricht dann vom peripheren Schwindel – oder des zentralen Nervensystems, was als zentraler Schwindel bezeichnet wird. Aber auch Herz-Kreislauf-Beschwerden, Durchblutungsstörungen oder die Einnahme von bestimmten Medikamenten können Schwindel auslösen. Typisches Symptom ist meist ein schwankendes Gefühl. Auch kann die Umwelt als sich bewegend wahrgenommen werden. Betroffene verlieren zudem die Raumorientierung und leiden oftmals auch unter weiteren Beschwerden wie Erbrechen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Ohrgeräuschen oder einem Schwarzwerden vor den Augen.
Formen von Schwindel
Schwindel ist aber nicht gleich Schwindel. Man unterscheidet verschiedene Arten: Dazu zählen etwa der Dreh- oder Schwankschwindel. „Wenn sich der Raum um einen herum zu drehen beginnt, wie in einem Karussell, dann ist das ein typisches Symptom des Drehschwindels“, sagt der Mediziner. Beim Schwankschwindel hingegen klagen Betroffene über Gang- und Standschwierigkeiten, ähnlich wie beim Gehen auf einem Schiff. Eine weitere Form ist der sogenannte Lagerungsschwindel (benign paroxysmal positional vertigo, kurz BPPV), der sich bei Veränderungen der Haltung des Körpers, zum Beispiel beim Vorbeugen oder beim Umdrehen im Bett beziehungsweise Aufstehen, bemerkbar macht und vermehrt bei älteren Menschen auftritt. „Der Lagerungsschwindel spielt sich im Innenohr ab und ist die häufigste Form des Schwindels. Dabei lösen sich Kalziumkarbonat-Kristalle in bestimmten Bereichen des Gleichgewichtsorgans und gelangen in das Bogengangsystem im Innenohr, wo sie dessen Dynamik und damit den Gleichgewichtssinn stören“, sagt Wiest.
Abklärung durch Facharzt wichtig
So vielfältig Schwindel ist, so notwendig machen die Diagnose und Therapie eine Zusammenarbeit von Ärzten aus den verschiedensten Disziplinen wie Neurologen oder Fachärzten für Hals-, Nasen- oder Ohrenkrankheiten bzw. Internisten. Nachzufragen ist neben der Art des Schwindels auch die Dauer und wodurch der Schwindel ausgelöst wurde – etwa durch eine Lageveränderung, im Ruhezustand oder in bestimmten Situationen. Wichtig ist jedoch: „Jeder Schwindel sollte vom Facharzt abgeklärt werden“, so der Mediziner.
Keine Vorbeugung möglich
Die Behandlung hängt schließlich von der Ursache und der Form ab. Wiest dazu: „Es wird dabei das gesamte Spektrum der Therapiemaßnahmen abgedeckt.“ Das reicht von mechanischen Repositionsmaßnahmen beim Lagerungsschwindel, durch die die Kristalle wieder an ihren ursprünglichen Platz gelangen, bis hin zur Einnahme von Kortison beim Ausfall des Gleichgewichtsorgans oder von Migränemedikamenten beim Migräne-assoziierten Schwindel. Was leider nicht möglich ist, ist Schwindelerkrankungen vorzubeugen. „Es gibt nämlich keine Disposition für das Symptom“, ergänzt der Leiter der Schwindelambulanz an der neurologischen Klinik im AKH Wien.
MMag. Birgit Koxeder
Dezember 2012
Foto: Bilderbox