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Alzheimer erkennen

Alzheimer erkennenIn Österreich wird von derzeit rund 110.000 Alzheimer-Erkrankten ausgegangen. Die Angehörigen tragen einerseits die Hauptlast der Versorgung der Patienten, andererseits können sie die Erkrankung früh erkennen. Was für eine rasche Behandlung sorgt und den Behandlungserfolg steigert.

Als erstes bemerkt es der Betroffene selbst, dass sich etwas verändert. Es fallen ihm wiederholt Namen oder Begriffe nicht mehr ein, er findet seine Hausschuhe nicht, er weiß nicht, wo er das Auto abgestellt hat. Als nächstes bemerken es die Personen aus der unmittelbaren Umgebung. Die Familie vor allem, aber auch Freunde und Arbeitskollegen stellen Veränderungen fest - vor allem, dass offenbar Defizite im Kurzzeitgedächtnis vorliegen.

Erkrankung wird verdrängt

Betroffene versuchen ihre Symptome vor ihrer Umgebung zunächst zu verbergen. Sie kaschieren ihre Erkrankung und erklären, dass es ganz normal sei, als alter Mensch Sachen zu vergessen. „Häufig wollen sie es selbst auch einfach nicht wahrhaben, dass ihr Zustand mehr ist als normale Altersvergesslichkeit, dass er bereits krankheitswertig ist“, sagt Doz. Dr. Friedrich Leblhuber, Primarius der Abteilung für Neurologisch Psychiatrische Gerontologie der OÖ Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg.

Fragen enttarnen Symptome

Selbst wenn die Diagnose erst der Arzt stellen kann, erkennen Angehörige mit einigen Fragen, ob Verdachtsmomente bestehen. Im Gespräch kann man etwa erfahren, ob sich der Betroffene an Dinge wie Geburtstage oder andere persönliche Angelegenheiten erinnert, ob er sich an jüngst vergangene Ereignisse oder Gespräche erinnert oder an Orte, an denen man zuletzt etwas Schönes erlebt hat. Diese Befragung im Familienkreis ersetzt natürlich in keiner Weise eine ärztliche Diagnose, doch hat sie insofern Bedeutung, weil Betroffene vor nahen Angehörigen ihre Symptome weniger zu verbergen versuchen als vor fremden Personen – wie etwa auch ihrem Arzt.

Frühsymptome erkennen

Persönlichkeit, Bildungsstand und körperliche Verfassung beeinflussen das Erscheinungsbild der Krankheit. Es gibt verschiedene Hinweise, die auf den Beginn einer Alzheimer-Erkrankung hindeuten. Die folgende Auflistung an Warnzeichen kann helfen, Klarheit darüber zu gewinnen, ob Auffälligkeiten bestehen. Sie ist jedoch nur eine erste Orientierungshilfe. Liegen mehrere Punkte davon vor, sollte man an eine mögliche Erkrankung denken und die Beschwerden medizinisch abklären lassen.

  • Vergesslichkeit: Wichtigstes Warnzeichen ist die Vergesslichkeit. Betroffene weisen deutliche Defizite im Kurzzeitgedächtnis auf. Termine werden vergessen; Fragen oder Aussagen werden ständig wiederholt; man vergisst, wie man technische Geräte bedient. Was gestern geschehen ist, ist heute oft nicht mehr präsent, selbst Personen, mit denen man sich eben noch unterhalten hat, kennt man plötzlich nicht mehr. Nicht jede Vergesslichkeit muss jedoch gleich auf eine Erkrankung hinweisen. „All dies bedarf einer Regelmäßigkeit. Diese Regelmäßigkeit unterscheidet eine Erkrankung von der normalen Altersvergesslichkeit. Alzheimer-Patienten vergessen nicht nur gelegentlich etwas, sondern ständig“, erklärt Leblhuber.
  • Probleme lösen und planen fällt schwer: Aktivitäten planen, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, das Lösen von Problemen fällt zunehmend schwerer. Selbst das Einbezahlen von Rechnungen kann plötzlich zur Hürde werden.
  • Alltagstätigkeiten verwirren: Mehr als bloße Zerstreutheit liegt vor, wenn der Betroffene regelmäßig vergisst, was er gerade tun wollte. Beispiel: Er bereitet ein Essen zu und fragt sich anschließend, was es heute zu essen gibt. Oder man zieht sich die Straßenschuhe an, geht zur Tür und fragt sich, wo man denn hingehen wollte. Obwohl es Sommer ist, will man Winterkleidung anziehen, man vergisst, dass man den Enkel von der Schule abholen sollte etc.
  • Gegenstände werden verlegt: Typische erstes Anzeichen einer Erkrankung ist auch das ständige Verlegen alltäglicher Dinge. Haustürschlüssel werden verlegt, gesucht, nicht gefunden; irgendwann findet sich etwa die Brille im Kühlschrank wieder, das Handy in der Waschmaschine, die Zahnbürste in der Garderobe. Davon zu unterscheiden ist jedoch das harmlose und völlig normale gelegentliche (!) Verlegen der persönlichen Utensilien.
  • Orientierungslosigkeit nimmt zu: Örtliche und zeitliche Orientierungslosigkeit tritt auf. So kann es geschehen, dass sich Betroffene selbst in vertrauter Umgebung plötzlich nicht mehr zurecht finden oder die Tageszeiten verwechseln. Sie wissen nicht mehr wo sie sich befinden und ob es z.B. Mittag oder Abend ist. Man vergisst, welcher Tag, Monat oder Jahr momentan ist.
  • Die Fähigkeit zu abstraktem Denken leidet: Oft weiß man nicht mehr, welche Bedeutung Geld als Zahlungsmittel hat, Entfernungen werden falsch eingeschätzt, man weiß mit Zahlen und Nummern oft nichts mehr anzufangen.
  • Sprachvermögen reduziert sich: Das Benennen von alltäglichen Dingen fällt zunehmend schwer. Betroffene finden die richtigen Worte nicht mehr, versuchen sich aushilfsweise mit ähnlichen Begriffen auszudrücken oder können bloß noch auf den Gegenstand zeigen, den sie meinen.
  • Sozialer Rückzug: Man beginnt sich zurückzuziehen, vermeidet gesellschaftliche Anlässe, vernachlässigt Freunde und Familie. „Dies vor allem, weil Betroffene ihre Defizite erkennen und befürchten, dass die Umgebung diese wahrnimmt“, so der Neurologe. Auch die eigenen Hobbys werden weniger beachtet.
  • Stimmung und Persönlichkeit ändern sich: Treten Änderungen des Verhaltens und der Befindlichkeit deutlich erkennbar auf, etwa wenn der Betroffene plötzlich stark reizbar, ablehnend, wenig belastbar oder auch ängstlich in Erscheinung tritt, kann dies ein Symptom für die Erkrankung sein. „Oft gehen depressive Symptome einher. Depressionen und Alzheimer gehen häufig Hand in Hand“, erklärt Leblhuber. Diese Symptome lassen aber nicht zwangsweise auf Alzheimer schließen. Stress, Überlastung und Altersdepression können ebenso ursächlich für ein verändertes Verhalten sein. Dauerstress wiederum kann ursächlich Auslöser für Alzheimer sein.

Frühe Diagnose und Behandlung wichtig

Alzheimer bedeutet eine degenerative Erkrankung des Gehirns, die mit einem Abbau der intellektuellen Fähigkeiten und der psychosozialen Kompetenz einhergeht. Werden Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit erkannt, sollte dies möglichst früh medizinisch untersucht und behandelt werden. Erst wer über seine Diagnose Bescheid weiß, kann sich auf die Erkrankung einstellen und medikamentöse oder nicht-medikamentöse Therapien in Anspruch nehmen, die den Verlauf der Erkrankung zwar verzögern, nicht jedoch zum Stillstand bringen können.
Lebensstiländerung, körperliche Aktivität und Gedächtnistraining sollten sobald wie möglich beginnen, sie verlangsamen die Alzheimer-Erkrankung vor allem in den Frühstadien. Medikamente verzögern den Krankheitsprozess effektiver, wenn sie frühzeitig eingenommen werden. Alzheimer ist gut behandelbar. Eine Demenz kann zwar am Ende der Erkrankung stehen, das muss aber keinesfalls so sein. Der Prozess kann auch stabil gehalten werden. Freilich muss dafür einiges getan werden. „Gedächtnistraining, körperliches Ausdauertraining und Krafttraining sind nötig und hilfreich, zudem muss man das Augenmerk auf Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht legen. Hier gilt es frühzeitig anzusetzen“, sagt Leblhuber.

Dr. Thomas Hartl
November 2011


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020