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Elektroden im Kopf: Tiefe Hirnstimulation

Elektroden im Kopf: Tiefe HirnstimulationEgal ob Parkinson, Dystonie oder essentieller Tremor: Hilft die medikamentöse Therapie bei diesen Krankheiten nur mehr unzureichend, steht für einige Patienten eine weitere Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung: die tiefe Hirnstimulation. Mit dem Einsetzen eines so genannten Hirnschrittmachers lassen sich zwar die Krankheiten nicht heilen, aber deren Symptome deutlich verbessern, sagt Univ.-Prof. Dr. Walter Pirker von der Medizinischen Universität Wien.

Die tiefe Hirnstimulation ist ein Behandlungsverfahren, das bei Bewegungsstörungen eingesetzt werden kann. Denn Ursache dieser Erkrankungen ist eine Funktionsstörung einer Gruppe von Nervenzellen im Gehirn – der Basalganglien. Der Verlust der Nervenzellen der so genannten schwarzen Substanz führt bei Parkinson zu einem Mangel des Botenstoffes Dopamin, was die typischen Symptome verursacht. „Bei der tiefen Hirnstimulation werden feine Elektroden in jene Gehirnareale eingesetzt, die von der Krankheit betroffen sind. Ein mit diesen Elektroden verbundener Schrittmacher sendet schwache elektrische Impulse aus, die die Funktion der Basalanglien beeinflussen und dadurch zur Linderung der Symptome beitragen“, so Pirker von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien.

Derzeit ist die tiefe Hirnstimulation bei folgenden Erkrankungen möglich:

  • Morbus Parkinson: Eine bislang unheilbare neurologische Erkrankung, die zum Abbau von Nervenzellen im Gehirn führt und Symptome wie Muskelsteife oder Bewegungsarmut verursacht.
  • Essentieller Tremor: Der Begriff „Tremor“ beschreibt rhythmische Kontraktionen der Muskeln. Das Zittern kann Symptom vieler Erkrankungen oder aber ein eigenständiges Krankheitsbild sein. Man spricht dann vom essentiellen Tremor, der sich vor allem durch ein Halte- und Bewegungszittern äußert.
  • Dystonie: Bei Dystonien handelt es sich um anhaltende Muskelverkrampfungen, die sich durch unwillkürliche, verzerrte Bewegungen äußern. Es kann der ganze Körper oder nur einige Körperregionen (zum Beispiel muskulärer Schiefhals) betroffen sein.

Voraussetzung für eine Operation bei Morbus Parkinson ist, dass die Betroffenen prinzipiell gut auf eine medikamentöse Therapie ansprechen, diese aber nicht mehr ausreichend hilft. Mit der tiefen Hirnstimulation lassen sich die Krankheiten nicht heilen, deren Symptome können aber gelindert werden.

Zur Operation am Gehirn

Die Operation erfolgt in zwei Schritten: Zunächst muss der Operateur ein kleines Bohrloch in der Schädeldecke machen. Je nach Ausprägung der Erkrankung ist das nur für eine oder für beide Gehirnhälften notwendig. Anschließend führt der Neurochirurg eine Elektrode durch die Bohrlöcher ein. „In welche Hirnareale genau die Elektroden müssen, wird zuvor mittels Magnetresonanztomographie ermittelt“, so der Mediziner. Die Elektrode ist sehr dünn und hat einen Durchmesser von nur 1,3 Millimeter. Für die Zielgenauigkeit während des Eingriffs sorgt ein so genannter stereotaktischer Rahmen, der den Kopf fixiert. Sind die Elektroden platziert, kontrolliert der Operateur mittels Testsimulationsgerät, ob die passende Stelle gefunden wurde. Da der Eingriff häufig unter örtlicher Betäubung stattfindet, kann der Patient über Nebenwirkungen sofort berichten. Im zweiten Schritt der Operation implantiert der Neurochirurg den Schrittmacher (Neurostimulator) unter die Haut, meist unterhalb des Schlüsselbeins. Der Hirnschrittmacher wird dann mit einem unter der Haut verlegten Kabel mit den Elektroden am Kopf verbunden. Pirker: „Bei älteren Geräten kam es bei Kopfbewegungen gelegentlich zu einem unangenehmen Spannungsgefühl am unter der Haut verlegten Kabel. In den letzten Jahren werden dehnbare Verlängerungskabel für die Implantation unter die Haut verwendet. Das Spannungsgefühl bei Kopfbewegungen tritt nun nicht mehr auf."

Optimale und individuelle Einstellung

Wurden sowohl Elektroden als auch Schrittmacher erfolgreich eingesetzt, erfolgt die individuelle Einstellung. In der Regel sind dafür mehrere Sitzungen notwendig, um eine optimale Programmierung zu erzielen. Aber auch der Patient selbst hat die Möglichkeit, den Schrittmacher ein- oder auszuschalten. Nach etwa fünf Jahren ist meistens ein Austausch des Schrittmachers notwendig, da die Batterie aufgebraucht ist. Der erforderliche Eingriff dafür ist allerdings kurz.

Erfolge der Behandlung

Das Verfahren zeigt bei den Bewegungsstörungen gute Erfolge. Pirker: „Durch die tiefe Hirnstimulation lassen sich alle motorischen Symptome der Parkinson-Krankheit gut beeinflussen, denn durch die kontinuierliche Aktivität der elektrischen Stimulation erreichen die entsprechenden Hirnareale wieder eine normale Aktivität. Der große Vorteil ist außerdem, dass kein Gewerbe zerstört wird und sich etwaige Nebenwirkungen in den meisten Fällen wieder zurückbilden.“ So führt die Behandlung bei Parkinson zu einer vermehrten Mobilität und insgesamt zur Verbesserung der körperlichen Beschwerden.
Wie jede Operation ist auch die tiefe Hirnstimulation mit Risiken verbunden. So kann es zu Blutungen im Gehirn oder Infektionen im Bereich des Schrittmachers kommen. Die Hirnstimulation kann zu Nebenwirkungen wie Kribbelgefühlen, vorübergehenden Sprachproblemen oder Sehstörungen führen. Das Verfahren ersetzt allerdings keine medikamentöse oder unterstützende Therapie (zum Beispiel Physio- oder Ergotherapie).

MMag. Birgit Koxeder
November 2010


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020