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In vitro Fertilisation: Nachhilfe für die Natur

In vitro FertilisationAm 25. Juli 1978 kam in England per Kaiserschnitt die 2600 Gramm schwere Louise Brown zur Welt. Das erste „Retortenbaby“ war geboren. Seither wurden die Verfahren, die kinderlosen Paaren zu Nachwuchs verhelfen können, immer mehr verfeinert. Die Schwangerschaftsrate bei „künstlicher Befruchtung“ liegt mittlerweile bei 30 bis 50 Prozent.

Das eigentliche „Ereignis“ um die Geburt der Louise Brown hatte schon im November 1977 stattgefunden. Der Biologe Robert Edwards und der Gynäkologe Patrick Steptoe hatten bei Lesley Brown, der späteren Mutter von Louise, reife Eizellen aus dem Eierstock entnommen, außerhalb des Körpers – in vitro, also in einem Reagenzglas – mit dem Samen des Vaters zusammen gebracht und einen aus acht Zellen bestehenden Embryo wieder in die Gebärmutter eingesetzt. Mit dem Eingriff, der später den Namen In vitro Fertilisation (IVF) erhalten sollte, hatten die Wissenschafter aus Manchester eine neue Ära in der Medizin eingeleitet. Hunderttausende Paare konnten weltweit so zu ihrem Wunschkind kommen.

Er habe keinesfalls Gott gespielt, sondern lediglich der Natur etwas nachgeholfen, meinte nach der ersten erfolgreichen In vitro Fertilisation Dr. Patrick Steptoe. Diese Einschätzung teilt auch Univ.-Prof. Dr. Franz Fischl, Facharzt für Frauenheilkunde u. Geburtshilfe in Wien. Die Ausdrücke „künstliche Befruchtung“ oder „Retortenbaby“ seien irreführend und eigentlich falsch. Fischl: „Tatsächlich ist an der Sache nichts künstlich und das Baby reift auch nicht in einer Retorte heran. Wir helfen nur dabei, Ei- und Samenzelle zusammenzubringen, wenn dies auf normalem Weg nicht möglich ist. Alles andere geht seinen natürlichen Weg.“ Die Hilfe der Medizin muss immer häufiger in Anspruch genommen werden. Zwischen zwölf und 15 Prozent der Paare können sich ihren Kinderwunsch ohne Unterstützung nicht erfüllen. Für diese Zunahme macht Fischl zwei Hauptfaktoren verantwortlich: „Einerseits zeigen Untersuchungen, dass die Samenqualität immer mehr abnimmt und andererseits schieben die Frauen das Alter, in dem sie Mutter werden wollen, immer weiter hinaus. Die Chancen auf eine Schwangerschaft nehmen auf diese Weise ab.“ Hat sich ein kinderloses Paar dazu durchgerungen, die Hilfe der Fortpflanzungsmedizin in Anspruch zu nehmen, steht am Anfang eine genaue Erforschung der Ursachen für die Unfruchtbarkeit. Mit den verschiedensten Diagnosemethoden werden die Einschränkungen der Fortpflanzungsfähigkeit akribisch aufgespürt. Erst wenn restlos geklärt ist, woran eine Schwangerschaft bisher gescheitert ist, können die weiteren Schritte festgelegt werden.

Die medizinische Hilfe reicht von der intra-uterinen Insemination (IUI) über die klassische In vitro Fertilisation bis zur intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) nach vorhergehender operativer Spermiengewinnung (MESA oder TESE). Bei der intrauterinen Insemination wird die vorher behandelte und angereicherte Samenflüssigkeit des Mannes mit einem Katheter zum vorher bestimmten fruchtbarsten Zeitpunkt im Zyklus der Frau direkt in die Gebärmutter der Frau eingebracht. Manchmal wird das Verfahren durch eine Hormonstimulation der Frau ergänzt.

Eingriffe sind ungefährlich

Eine Hormonstimulation der Frau wird jedenfalls bei der klassischen In vitro Fertilisation (IVF) angewendet, um gezielt zu befruchtungsfähigen Eizellen zu kommen. Diese werden mittels einer Ultraschall geleiteten Punktion durch die Scheide mit einer dünnen Nadel direkt aus dem Eierstock entnommen. In einer IVF-Nährlösung werden die Eizellen mit der aufbereiteten Samenflüssigkeit zusammen gebracht. Kommt es zu einer Befruchtung, werden nach zwei bis drei Tagen die befruchteten Eizellen als winzige embrionale Zellverbände von zwei bis acht Zellen in die Gebärmutter eingesetzt. Eine Sonderform der IVF ist die intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). Dabei wird eine ausgewählte und entsprechend vorbereitete Samenzelle unter dem Mikromanipulator, einem speziellen Mikroskop, mit winzigen Werkzeugen in eine Eizelle injiziert. Dieses Verfahren wird bei einem schlechten Samenbefund des Mannes angewandt. Wenn sich überhaupt keine Spermien im Ejakulat (Samenflüssigkeit) befinden, kann dieses Verfahren noch erweitert werden, indem man die Spermien mittels operativem Eingriff direkt aus dem Hodengewebe gewinnt (MESA oder TESE). Alle diese Eingriffe sind relativ ungefährlich, jedoch muss mit einer höheren Abortusrate als bei normalen Schwangerschaften gerechnet werden. Die Chancen auf eine Schwangerschaft sind relativ hoch und liegen je nach Fall zwischen 30 und 50 Prozent. Zum Vergleich: Auch die Chance, während eines Zyklus auf natürlichem Wege schwanger zu werden, liegen bei gesunden Paaren nicht höher als 25 Prozent.

InVitroFertilisation



Seit Anfang 2000 werden unter gewissen Voraussetzungen die Kosten einer IVF/ICSIBehandlung zu 70 Prozent von den Krankenkassen getragen.

Heinz Macher

Oktober 2012

Foto: Bilderbox, OÖGKK Archive, privat

Kommentar

Kommentarbild: In Vitro„Die Ausdrücke künstliche Befruchtung oder Retortenbaby sind irreführend und falsch. Tatsächlich ist an der Sache nichts künstlich und das Baby reift auch nicht in einer Retorte heran. Wir helfen nur dabei, Ei- und Samenzelle zusammenzubringen, wenn dies auf normalem Weg nicht möglich ist. Alles andere geht seinen natürlichen Weg.“
Univ.-Prof. Dr. Franz Fischl
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Wien

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020