Um die Sehkraft bei einer 'Altersbedingten Makuladegeneration' (AMD)
möglichst lange erhalten zu können, sollte bereits bei den geringsten
Anzeichen ein Augenarzt aufgesucht werden. "Im wesentlichen unterscheidet man zwei Formen der AMD: Die 'trockene', die bei 85 Prozent der Fälle vorliegt und die 'feuchte', von der 15 Prozent der Patienten betroffen sind", erklärt der Wiener Augenarzt, Universitätsprofessor Dr. Wolfgang Radner.
Während die trockene AMD zu einer langsamen, allmählichen Verschlechterung des Sehvermögens mit einem zumeist lange erhaltenen Lesevermögen führt, verläuft die feuchte AMD weitaus dramatischer und endet nicht selten innerhalb kurzer Zeit mit einem Verlust des Seh- bzw. Lesevermögens, berichtet der Mediziner.
Häufigkeit der AMD
Mit zunehmendem Alter nehmen Häufigkeit und Schwere der Erkrankung zu. Die Gefahr an einer "altersbedingten Makuladegeneration" (AMD) zu erkranken, steigt ab dem 60. Lebensjahr deutlich an. Nach dem 65. Lebensjahr findet man frühe - trockene - Formen bei fünf Prozent der Bevölkerung. "Um das 80. Lebensjahr aber bereits bei jedem Dritten", so Radner. An der gefährlichen feuchten AMD leiden rund ein Prozent der ersten Altersgruppe und etwa fünf Prozent der Senioren um die 80. "Frauen sind stärker betroffen als Männer", sagt der Spezialist.
Symptome und Sehvermögen
Als erste Anzeichen werden oft leicht verzerrte Seheindrücke wahrgenommen. "Das fällt besonders beim Blick auf gerade Linien oder symmetrische Muster - wie Fliesen - auf", so Radner. Er empfiehlt bereits bei diesen Symptomen den sofortigen Weg zum Augenarzt. "Je früher - desto besser!" Bei der feuchten AMD wachsen abnorme Blutgefäße, so genannte "choroidale Neovaskularisationen" (CNV), aus der Ader- unter die Netzhaut. Dabei wird diese von den umliegenden, für die Funktion entscheidenden, Geweben abgeschnitten und kann nicht mehr richtig funktionieren. Dadurch entsteht in der Bildmitte ein - je nach Stadium - mehr oder weniger großer grauer Ausfall im Gesichtsfeld. "Leider handelt es sich dabei um den Bereich des besten Sehvermögens, sodass dies nicht selten zu einem deutlichen, unwiederbringlichen Sehverlust führt", erklärt Radner. Stichwort Erblindung: "Prinzipiell bleibt eigentlich immer ein Restsehvermögen - um den zentralen Sehausfall herum – erhalten." Für die Patienten bedeutet dies, dass sie sich in einem Raum oder auf der Straße recht gut orientieren können. Der Verlust des Lesevermögens oder des Gesichter-Erkennens bleibt allerdings eine einschneidende Sehbeeinträchtigung, "die durchaus die gesetzliche Definition einer schweren Sehbehinderung erfüllen kann", so Radner.
Ursachen wissenschaftlich nicht nachgewiesen
Für diese typische Erkrankung des "Nicht-Jünger-Werdens" wurde in zahlreichen Studien versucht, Ursachen herauszufinden. "Es konnten jedoch, außer dem Rauchen, keine eindeutigen Risikofaktoren nachgewiesen werden", berichtet der Mediziner. Für Raucher besteht ein erhöhtes Risiko zu erkranken. Inwieweit ein hoher Blutdruck, kardiovaskuläre Erkrankungen, eine hohe Lichtbelastung (lebenslang), eine Mangelernährung oder vererbungsbedingte Faktoren eine Rolle spielen, konnte aber bisher nicht geklärt werden. "Häufiges Lesen und Fernsehen erhöhen das Risiko aber mit Sicherheit nicht", unterstreicht Radner.
Wichtige Vitamine
"Prinzipiell ist eine ausgewogene Ernährung anzuraten. Empfehlenswert bei fortgeschritteneren Stadien der trockenen AMD sind Nahrungsergänzungen mit hochdosierten antioxidativ wirkenden Vitaminen und Mineralstoffen wie Vitamin C und E, Betakarotinoiden, Zink und Kupfer", erläutert Radner.
Behandlung
Im wesentlichen zielen die heutigen Therapieformen auf die Erhaltung des noch verbliebenen Sehvermögens ab. "Eine Verbesserung des Sehvermögens über den Spontanverlauf hinaus ist jedoch nur selten zu beobachten" so der Experte.
Laser
"Zwar wurde in Studien gezeigt, dass die 'Laserphotokoagulation' eine wirksame Methode zur Behandlung einer extrafoveal - außerhalb der Netzhautmitte - lokalisierten feuchten AMD ist", erklärt Radner. "Ein Nachteil dieser Behandlung ist, dass der thermische Lasereffekt, der einer Verbrennung entspricht, nicht nur die krankhaft neugebildeten Gefäße, sondern auch die darüber liegende Netzhaut zerstört. Und das bedeutet den sofortigen Sehverlust." Diese Behandlung kann daher nur in Netzhautgebieten außerhalb des schärfsten Sehvermögens durchgeführt werden.
Photodynamische Therapie
Die photodynamische Therapie (PDT) mit Verteporfin brachte den ersten Durchbruch bei der Behandlung der feuchten AMD, berichtet Radner. Für die PDT wird ein photo(licht)sensibilisierender, durch Laserenergie aktivierbarer Farbstoff (Verteporfin) eingesetzt, der durch seine Aktivierung eine Zerstörung von krankhaften Gefäßstrukturen ohne thermische Schädigung des umliegenden Gewebes erlaubt. "Wiederholte Behandlungen sind im ersten Jahr der Behandlung meist alle drei Monate notwendig und können für weitere ein bis zwei Jahre erforderlich sein", so der Augenarzt.
Neue medikamentöse Therapieansätze
"Zwar erwiesen sich die Laserphotokoagulation und die PDT für bestimmte Patientengruppen mit feuchter AMD als wirksam, aber beide Methoden setzen nicht direkt an der Entstehungsweise der Erkrankung an und sind daher mit einer hohen Rückfallrate behaftet", schildert Radner. Neue medikamentöse Behandlungsstrategien, die auf die Entstehungsweise der abnormen Blutgefäße, die aus der Aderhaut unter die Netzhaut wachsen (CNV), abzielen, werden derzeit klinisch entweder als Einzeltherapie oder in Kombination mit der PDT getestet. Dazu gehören angiostatische Präparate, also Substanzen, welche die Bildung von Blutgefäßen hemmen. "Erste klinische Studien sind weitgehend vielversprechend", sagt Radner.
Chirurgische Therapieansätze
"Viele Patienten fragen, ob es auch eine Möglichkeit gibt bei AMD zu operieren. Die Antwort ist ja", berichtet Radner aus der Praxis. In ausgewählten Fällen könnte eine Operation sogar zu einer Verbesserung des Sehvermögens führen. In fortgeschrittenen Stadien einer AMD haben Operationen jedoch keine Erfolge erbringen können (Narbenentfernung,...). "An der Johns Hopkins Universität in den USA hat Professor DeJuan die 'Minimal Retinal Translocation' entwickelt", sagt Radner. Dabei wird die Netzhaut durch Unterspritzung mit einer speziellen Flüssigkeit über der von AMD betroffenen Stelle abgehoben und der Bereich des schärfsten Sehens davon wegverlagert, so Radner. Mit dieser diffizilen Operationsmethode konnte bei einem beachtlichen Prozentsatz der Patienten sogar eine Verbesserung des Sehvermögens erzielt werden. Nachteile dieser Methode ist die Komplikationsgefahr durch die Operation selbst und das durch die Verlagerung verändernde Richtungsempfinden des Auges (Gefahr von Doppelbildern und Verziehungen). Bei einer ähnlichen Methode wird die gesamte Netzhaut abgelöst und von der durch die Krankheit degenerierten Stelle weit entfernt wieder angelegt. Anschließend muss dann die Stellung des Auges durch Korrektur an den Augenmuskel an diese neuen Verhältnisse angepasst werden. Diese Methode kann auch bei größeren Schädigungen angewandt werden. "Sie birgt aber auch die Gefahr verschiedener Operations-Komplikationen in sich und bedarf neben einer herausragenden chirurgischen Fertigkeit einer profunden Risikoeinschätzung", betont Radner. "Insgesamt werden diese beiden chirurgischen Methoden, und hier insbesondere die 'Minimal Retinal Translocation' als Behandlungsalternative bei kleineren AMD Herden, meiner Meinung nach unterschätzt", sagt der Universitätsprofessor. "Keine Erfolge bringt der Versuch, zugrunde gegangenes Pigmentepithel bei Pigmentepithelatrophien - einer Form der trockenen AMD - durch Transplantation oder Translokation (aus einem anderen Bereich des Auges) zu ersetzen."
Experimentelle Therapieansätze
Die Transplantation von Netzhaut bzw. Pigmentepithel oder das Einsetzen eines elektronischen Chips zur Wiederherstellung des Sehens wurde von einem Forscherteam in den USA voran getrieben. Radner selbst arbeitete an der Johns Hopkins Universität, USA, bei den Wissenschaftern und kommt zu dem Schluss: "Unsere Ergebnisse sind zwar verheißungsvoll, ein Einsatz am Patienten ist jedoch kurz- bis mittelfristig sicher nicht zu erwarten."
Cornelia Schobesberger
April 2006
Foto: Bilderbox