Patienten mit Leukämie oder Lymphdrüsenkrebs steht eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Führt die herkömmliche Therapie zu keinem Behandlungserfolg, können auch Stammzellen aus einer Nabelschnur die erhoffte Rettung bedeuten.
Zur Standardtherapie bei schweren Blutkrankheiten zählen Chemotherapie und Bestrahlung. Kommt es dadurch zu keiner Heilung bzw. kommt es nach einem Rückfall zu einem Wiederauftreten der Krankheit, wird eine Stammzelltransplantation in Betracht gezogen. Wird weder in der Familie noch in der weltweiten Fremdspenderdatenbank ein passender Spender gefunden, bleibt als wirksame Therapieoption eine Nabelschnurbluttransplantation.
Die Suche nach dem Spender
In der Knochenmarkspendezentrale Österreich werden die Daten der Patienten zur Austestung von Gewebsmerkmalen gesammelt. Danach kann in der weltweiten Datenbank nach einem passenden Fremdspender gesucht werden. In Österreich sind etwa 60.000 Spender registriert. Weltweit wurden bereits 14 Millionen potenzielle Spender ausgetestet und in die Datenbank aufgenommen. Die Suche nach einem passenden Stammzellspender dauert zwischen eineinhalb und zwei Monaten. „Die Wahrscheinlichkeit einen Fremdspender zu finden, liegt bei etwa 80 Prozent“, erklärt Dr. Otto Krieger vom Krankenhaus der Elisabethinen in Linz. Er ist Leiter der Knochenmarktransplantation und hat im Jahr 2010 die erste Nabelschnurbluttransplantation in Oberösterreich durchgeführt.
Ausgetestet werden als Erstes die Geschwister eines Kranken. „Diese passen aber eher selten, manche sind auch nicht erreichbar oder selbst nicht gesund“, sagt Krieger. Gibt es keinen Geschwisterspender, beginnt die Fremdspendersuche. Für etwa 20 Prozent der Patienten bleibt die Nabelschnurbluttransplantation die letzte Hoffnung.
Stammzelltransplantation
Zur Vorbereitung einer Transplantation muss sich ein Patient in der Regel einer Chemotherapie und manchmal auch einer Bestrahlung unterziehen. Anschließend erfolgt die Infusion der Stammzellen. Die Stammzellen wandern in das Knochenmark des Empfängers, siedeln sich dort an und produzieren nach einigen Wochen wieder gesunde Blutzellen.
In der Zeit der Transplantation ist die Immunabwehr der Patienten äußerst geschwächt, weswegen sie auch in streng isolierten und sterilen Einzelzimmern untergebracht werden.
Jährlich werden in Österreich etwa 400 solcher Eingriffe vorgenommen. Im Unterschied zu früher gibt es heute keine Altersgrenze mehr für die Patienten. Allerdings sollten sich diese in einem guten Allgemeinzustand ohne Begleiterkrankungen befinden, um die doch sehr anstrengende Prozedur zu überstehen. Bei der Transplantation von Fremdspenderstammzellen kann es zu teilweise schweren Abstoßungsreaktionen auf den Empfänger kommen.
Etwa die Hälfte der Transplantationen geschieht autolog, d. h. das Knochenmark bzw. die Blutstammzellen des Patienten wurden vorher ihm selbst entnommen und nach spezieller Aufbereitung wieder verabreicht. Die andere Hälfte stammt von fremden Spendern. Von den etwa 200 Fremdspenden sind wiederum drei bis fünf Prozent Nabelschnurbluttransplantationen. Im Jahr 2010 waren es in Österreich insgesamt schon zwölf. „Im weltweiten Durchschnitt finden zwischen fünf und sieben Prozent der Transplantationen mit Nabelschnurblut statt“, erklärt Krieger.
Das Nabelschnurblut
Für eine Transplantation wird eine gewisse Mindestanzahl an Stammzellen benötigt. Man rechnet mit etwa 30.000 Zellen pro Kilogramm Körpergewicht. Im Nabelschnurblut ist zwar die Konzentration von Stammzellen sehr hoch, trotzdem ist das meistens zuwenig für einen erwachsenen Menschen. Das ist auch der Grund, warum man anfangs nur Kinder damit behandelt hat. „Um genug Zellen für einen Erwachsenen zu bekommen, kann man aber auch das Blut von zwei Nabelschnüren kombinieren“, so Krieger. Die Zellen müssen somit nicht nur mit dem Empfänger kompatibel sein, sondern auch untereinander.
Schnelle Verfügbarkeit
Ein entscheidender Vorteil der Stammzellen aus dem Nabelschnurblut ist ihre schnelle Verfügbarkeit. Außerdem ist der Anteil an unausgereiften Stammzellen sehr hoch, weshalb die Austestung der Gewebsfaktoren nicht so genau sein muss. Beim Fremdspender testet man zwölf Faktoren aus, beim Nabelschnurblut hingegen genügen sechs. Mindestens vier von diesen sechs Gewebsmerkmalen müssen mit dem Empfänger übereinstimmen. Das Nabelschnurblut muss nicht mehr extra aufbereitet werden. Es wird in flüssigem Stickstoff zwischengelagert und erst am Tag der Transplantation aufgetaut. Zur Sicherheit wird das Blut direkt vor einer Infusion noch einmal ausgetestet.
Ausschluss von Erbkrankheiten
Die Regenerationszeit, also die Zeit, in der sich die Stammzellen zu normalen Blutzellen entwickeln, beträgt beim Nabelschnurblut etwa vier bis sechs Wochen. Damit ist sie deutlich länger als bei den Fremdspendertransplantationen, wo sie nur etwa zwei Wochen beträgt. Durch die verzögerte Regeneration der blutbildenden Zellen ist beim Nabelschnurblut die Mortalitätsrate etwas erhöht. Aufgrund der unreiferen Zellen gibt es hingegen weniger Abstoßungsreaktionen. Keinen bedeutenden Unterschied gibt es bei den Rückfallsraten. Ein Nachteil des Nabelschnurblutes kann es auch sein, dass man Erbkrankheiten grundsätzlich nicht ausschließen kann. „Die Gefahr, dass man Erbkrankheiten transplantiert, ist jedoch sehr gering“, sagt Krieger. Treten in einer Familie Erbkrankheiten auf, wird auf eine Transplantation verzichtet.
Nabelschnurblutdatenbank
Weltweit sind bereits 440.000 Nabelschnurblutpräparate eingelagert und stehen für eine Therapie zur Verfügung. Gesammelt und verwaltet werden die Daten aus der ganzen Welt von der Organisation Eurocord. Diese stellt nach Anfrage den Ärzten eine Liste mit Informationen über passende Präparate zur Verfügung. Man erfährt, wo sich die entsprechenden Präparate befinden, und wie viele Zellen sie jeweils enthalten. Der logistische und finanzielle Aufwand ist hoch, da letztlich nur etwa drei Prozent des eingelagerten Nabelschnurblutes jemals für eine Transplantation benötigt werden. Die Nabelschnurblutbanken in Österreich befinden sich derzeit noch im Aufbau. Für zwei davon, eine in Graz und eine in Linz, läuft bereits das Zertifizierungsverfahren für Eurocord.
Therapie auch in Oberösterreich
1988 wurde in Frankreich das erste Mal bei einem Kind eine Nabelschnurbluttransplantation durchgeführt. 2001 folgte die erste Transplantation in Österreich bei einer erwachsenen Leukämiepatientin an der Grazer Universitätsklinik. Im Krankenhaus der Elisabethinen erfolgte im Jahr 2010 der erste derartige Eingriff bei einem Erwachsenen in Oberösterreich. Es handelte sich um eine 58-jährige Frau, die die erste Phase der Prozedur erfolgreich überstand. Nach den Universitätskliniken in Graz und Wien sind die Elisabethinen in Linz das erste nicht-universitäre Krankenhaus, an dem diese Therapie angeboten wird. „Für Patienten mit Leukämiekrankheiten oder Lymphdrüsenkrebs steht somit auch in Oberösterreich das ganze Spektrum der bekannten Therapien zur Verfügung, womit sich die Heilungschance für diese Patienten erhöht hat“, so Krieger.
Dr. Thomas Hartl
April 2011
Foto: Bilderbox