Hodenkrebs
ist eine seltene Erkrankung. 60 bis 80 Männer pro Jahr sind in Oberösterreich
betroffen. Es handelt sich zumeist um Männer zwischen 15 und 35 Jahre, sehr
selten um ältere Männer. Im Vergleich zu anderen Krebsarten tritt Hodenkrebs
also sehr früh auf. In den meisten Fällen ist nur ein Hoden betroffen.
Symptome erkennen
Ein Hodentumor erzeugt keine Schmerzen und auch sonst zeigen sich in den Anfangsstadien der Erkrankung keine Symptome, die Alarm auslösen könnten. Hodenkrebs ist zunächst nur durch eine (schmerzlose) Verhärtung des Hodens erkennbar. „Entweder lassen sich derbe, harte Knoten ertasten, ähnlich einem Knopf oder einem kleinen Stein. Oder der Hoden wird als ganzer groß und hart“, erklärt Prim. Dr. Wolfgang Loidl, Leiter des Prostatazentrums des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Linz.
Treten Verhärtungen oder Schwellungen auf, bedeutet das noch nicht, dass man an einer Tumorerkrankung leidet. Schwellungen können auch durch gutartige Erkrankungen verursacht werden, z.B. durch eine Nebenhodenentzündung. Auffälligkeiten am Hoden sollte man in jedem Fall ernst nehmen und einen Arzt aufsuchen.
Erst im fortgeschrittenen Stadium erzeugt das Gewicht des rasch wachsenden Tumors Leistenschmerzen.
Weitere mögliche Symptome bei fortgeschrittener Erkrankung:
- Vergrößerte Lymphknoten im hinteren Bauchraum können Rückenschmerzen auslösen
- Übelkeit
- Atemnot
- Knochenschmerzen
- Lymphödem eines Beines
- Bei Ausbreitung der Erkrankung im Körper können viele verschiedenen Beschwerden hinzukommen.
Selbstuntersuchung rettet Leben
Um möglichst schnell auf eine Erkrankung reagieren zu können, sollte sich jeder junge Mann einmal im Monat die Hoden selbst abtasten. „In vielen Fällen bemerkt die Ehefrau oder Freundin des Betroffenen, dass etwas mit den Hoden nicht stimmt und schickt ihn dann glücklicherweise zum Arzt“, sagt Loidl.
Risikofaktoren
Es gibt nur wenige bekannte Faktoren, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko anzeigen. Einerseits gibt es genetische Dispositionen, häufig ist also auch der Vater und/oder Großvater betroffen, andererseits ist bekannt, dass ein Hodenhochstand ein erhöhtes Risiko darstellt. Bei einem Hodenhochstand bleiben beim Neugeborenen die Hoden in der Leistengegend und wandern nicht in den Hodensack. Wird diese Fehllage der Hoden lange Zeit nicht behandelt, steigt das Risiko, später an Hodenkrebs zu erkranken. „Ein weiterer Risikofaktor ist das Rauchen. Annahmen hingegen, dass enge Hosen oder Radfahren eine Erkrankungsrisiko darstellen, sind eindeutig falsch“, so Loidl.
Diagnose
Ein Urologe stellt mittels Tastung, Ultraschall- und Blutuntersuchung einen Befund. Besteht Verdacht auf Hodenkrebs, wird eine Biopsie (Gewebeentnahme) durchgeführt. Bestätigt sich der Verdacht, wird der Hoden während derselben Operation entfernt und weitere Untersuchungen (Röntgen, Computertomographie) durchgeführt, um das Stadium der Erkrankung festzustellen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bilden die Grundlage der Therapie.
Therapie
Hodenkrebs lässt sich sehr gut therapieren, die Heilungschancen liegen bei knapp 100 Prozent. Nur bei jenen Betroffenen, die sich erst sehr spät entschließen können, mit ihrem Problem zum Arzt zu gehen, kann in manchen Fällen nicht mehr geholfen werden. Ohne Behandlung zerstört der Krebs das gesunde Hodengewebe und kann sich rasch in die Organe des Körpers ausbreiten. „Niemand müsste heute mehr an einem Hodentumor sterben. Ich kann nur appellieren, bei Verdacht sofort zum Arzt zu gehen“, sagt Loidl.
Die Wahl des Verfahrens ist abhängig von der Tumorart und dem Stadium der Erkrankung. Für die Behandlung stehen folgende Verfahren zur Verfügung:
- Operation: Entfernung des befallenen Hodens samt Nebenhoden und Samenstrang. Eventuell Entfernung von Lymphknoten im Bauchraum bzw. von Metastasen in einzelnen Körperorganen. Ergibt eine Biopsie, dass auch der zweite Hoden von Vorstufen eines Tumors befallen ist, wird auch dieser entfernt. Bei Vorliegen eines gutartigen Tumors kann eine Teilentfernung des Hodens sinnvoll sein. Da Hodentumoren schnell wachsen, ist eine rasche Operation nötig.
- Chemotherapie: Kommt zum Einsatz, wenn sich die Erkrankung im Körper ausgebreitet hat.
- Hochdosischemotherapie bei Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium.
- Strahlentherapie.
In vielen Fällen kommt auch eine Kombination von Operation, Bestrahlung und/oder Chemotherapie zum Einsatz.
Die Entfernung eines Hodens beeinträchtigt weder die Potenz noch die Fruchtbarkeit, weil der gesunde Hoden die Funktion des entfernten Hodens übernimmt. Werden beide Hoden entfernt (selten), müssen Medikamente die männlichen Geschlechtshormone ersetzen.
Auf Wunsch werden entfernte Hoden durch Silikonimplantate ersetzt. „Dies ist durchaus möglich, wird aber selten nachgefragt“, so Loidl.
Nachsorge
Nach Abschluss der Therapie sollten regelmäßige Nachsorgeuntersuchung erfolgen. Rückfälle treten zwar nur selten auf, dennoch sind sie, vor allem in den ersten Jahren nach dem Erstauftreten der Erkrankung, durchaus möglich. Wieder gilt: Je früher ein Rückfall erkannt und behandelt wird, desto erfolgreicher kann die Behandlung durchgeführt werden.
Unterstützung wichtig
Die Diagnose Krebs ist in jedem Fall ein Schock und der Beginn einer einschneidenden Veränderung im Leben. Dies trifft im Besondern bei Hodenkrebs zu, da die Betroffenen in den meisten Fällen sehr jung sind, manchmal trifft es sogar Minderjährige.
Die Situation ist aus mehreren Gründen belastend: Die jungen Patienten sind enorm gestresst und oft scheint eine ganze Welt zusammenzubrechen. Bei einem diagnostizierten Hodentumor bleibt in der Regel kaum Zeit, die Situation mental zu bewältigen und sich mögliche Therapieschritte langfristig zu überlegen. Kommt ein Patient in die Klinik, erfolgen sofort weitere medizinische Untersuchungen. Auch eine Sperma-Abgabe wird erforderlich, um diese einzufrieren (für den Fall, dass der Patient unfruchtbar wird); der Patient wird in der Regel bereits am Tag nach der Aufnahme im Spital operiert. Die Therapien an sich sind sehr belastend, Chemotherapie etc. sind schwerwiegende Verfahren und bringen meist Nebenwirkungen mit sich. Eine Diagnose Hodenkrebs stellt zudem das Mannsein inklusive Sexualität und Familienplanung infrage.
„Besonders wichtig ist es, diese Männer mental zu unterstützen. Familiärer Zusammenhalt ist in einer solchen Ausnahmesituation sehr wichtig. Wenn einem bei der Diagnose Krebs die Ehefrau oder die Freundin im Stich lässt, weil sie mit der Situation nicht leben kann, ist das oft dramatisch für die Erkrankten“, so Loidl.
Dennoch: Man muss sich vor Augen halten: Eine Therapie rettet fast in jedem Fall das Leben. „Man sollte daher keinesfalls den Kopf in den Sand stecken und nicht zum Arzt gehen, das wäre fatal. Man kann nicht vor dem Problem davon laufen. Und nach der Therapie kann man sein Leben gesund weiter leben. Das zu wissen ist wichtig. Jeder Bursch und jeder Mann sollte darüber aufgeklärt werden, sei es beim Bundesheer oder in der Schule. Die Botschaft ist klar. Hodenkrebs ist heilbar, aber nur, wenn man das Richtige tut: Sich selbst kontrollieren und bei Verdacht sofort zum Arzt gehen“, so der Appell von Primarius Loidl.
Dr. Thomas Hartl
März 2014
Foto: shutterstock