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Gehirnjogging: Training für die grauen Zellen

Alter Mann spielt ein Brettspiel mit einem kleinen MädchenWer rastet, der rostet: Das gilt nicht nur für die Muskeln, sondern auch für das Gehirn. Die graue Masse sollte laufend trainiert werden, um einer Abschwächung der Signalübertragung und somit dem Vergessen vorzubeugen.  

Das menschliche Gehirn hat unglaubliche Potenziale, derer sich viele Menschen aber nicht bewusst sind. Es besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen, die bereits bei der Geburt vorhanden sind. Allerdings müssen sich diese erst im Laufe der Zeit vernetzen. Dennoch schöpft das Gehirn nicht immer sein ganzes Potenzial aus, wie Univ.-Prof. Dr. Hans Lassmann, Leiter der Abteilung für Neuroimmunologie am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien, erklärt: „Beispielsweise haben Areale des Assoziationskortex, dabei handelt es sich um einen Teil des Großhirns, eine große Reservekapazität. Aber auch bei einigen Erkrankungen, wie bei Parkinson, sieht man deutlich, dass es bereits zu einem Verlust von 70 bis 80 Prozent der Nervenzellen in einem Teil des Mittelhirns, der Substantia nigra, gekommen ist, wenn erste klinische Symptome auftreten. Das alles zeigt, dass das Gehirn vieles kompensieren kann.“  

Wie das Gehirn lernt

Doch wie merkt sich das Gehirn überhaupt bestimmte Dinge? Wie funktioniert das Lernen? Was es dafür braucht, sind unzählige Nervenzellen, die über Verbindungsstellen – sogenannte Synapsen – mit anderen Nervenzellen in Kontakt treten. Grundlage für das Lernen ist die sogenannte Langzeitpotenzierung (LTP). Je häufiger zwei Nervenzellen miteinander kommunizieren, umso stärker gestaltet sich ihre Verbindung. Mit der Zeit wird es immer leichter und effizienter, dass die eine Zelle die andere stimuliert. „Man braucht also einen geringeren Stimulus, um die gleiche Reizantwort zu erhalten“, erklärt der Neuroimmunologe. Durch Lernen und Training gibt es aber noch einen zweiten Effekt: Neue Verbindungen werden gebildet. „Die Nervenzellen sind also nicht mehr durch einzelne Synapsen miteinander verbunden, sondern durch mehrere“, so Lassmann.  

Besser vernetzt

Warum nun einige Menschen besser lernen und intelligenter sind als andere, erklärt der Wissenschaftler folgendermaßen: „Das ist nicht einfach zu beantworten, allerdings sind zwei Komponenten entscheidend: Zum einen ist das ein angeborener Faktor. So gibt es Menschen, die eine höhere Kapazität des Gehirns aufgrund genetischer Faktoren haben. Zum anderen ist ein entsprechendes Training von großer Bedeutung.“ Je mehr man also bereits von klein auf „einspeichert“, desto leistungsfähiger sind die grauen Zellen.  

Mehr Kapazität

Apropos Training: Hier unterscheidet man zwei Phasen. Und zwar einerseits die Phase des Hirntrainings im unreifen Alter von der frühen Kindheit bis zur Pubertät. „Während dieser Zeit werden durch entsprechendes Training Hirnareale für bestimmte Funktionen bestimmt. Je mehr man in eine bestimmte Richtung trainiert, umso größere Areale werden für diese Funktion reserviert“, so Lassmann. Das ist auch der Grund, warum man in jüngeren Jahren Dinge rascher lernt. „Man hat mehr Platz, um neue Funktionen einzuspeichern“, sagt der Experte. Wächst ein Kind zum Beispiel mehrsprachig auf, so werden im Gehirn im Bereich des Sprachzentrums größere Areale und mehr Kapazität für diese Fähigkeit reserviert. Der Vorteil: Im späteren Leben fällt es diesen Menschen ebenso leichter, neue Sprachen zu lernen. Andererseits gibt es die Phase des Hirntrainings im reiferen Alter. „Entsprechendes Training führt auch im höheren Alter zu Veränderungen, die die Informationsverarbeitung in definierten Regionen verbessern und erleichtern“, bestätigt der Neuroimmunologe.  

Training gegen das Vergessen

Wie verbessert man nun aber die geistige Leistungsfähigkeit? Lassmann: „Man muss nicht spezifische Trainingsmaßnahmen einsetzen, da man ja dann nur diesen jeweiligen Aspekt trainiert. Es geht allgemein darum, aktiv zu bleiben und alle verschiedenen Funktionen des Gehirns möglichst breit zu trainieren. Eine gute Methode, die das Hirn als Ganzes trainiert, ist, aktiv Musik zu betreiben, weil dafür sehr viele Funktionen des Gehirns notwendig sind. Schlecht hingegen ist, wenn man nach der Pensionierung das Leben darauf beschränkt, passiv vor dem Fernseher zu sitzen.“ Denn: Neben dem Lernen gibt auch den gegenteiligen Effekt: Die Signalübertragung schwächt ab, wenn Gehirnareale wenig genützt werden. „Die Verstärkung der neuronalen Verbindung geht wieder verloren, wenn das Netzwerk nicht aktiviert wird. Die Verbindungen funktionieren also weniger effizient, was man im Wesentlichen unter ‚Vergessen‘ zusammenfassen kann“, erklärt Lassmann. Trainiert man hingegen regelmäßig die grauen Zellen, umso besser kann man das Altern oder durch Erkrankungen bedingte Defekte ausgleichen. Dabei ist allerdings auch die persönliche Einstellung wichtig. Denn: „Positive Emotionen verstärken den Trainingseffekt“, sagt der Immunologe.  


MMag. Birgit Koxeder-Hessenberger

August 2014


Foto: shutterstock

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020