Es kann mitten in einem Gespräch mit Freunden passieren, während einer Besprechung in der Arbeit oder beim Autofahren: Der Schlafdrang ist plötzlich so groß, dass Menschen, die unter Narkolepsie leiden, ihm nicht widerstehen können und einschlafen. „Betroffene sind entweder phasenweise oder fast dauernd müde und haben eine erhöhte Einschlafneigung in monotonen Situationen. Sie schlafen besonders schnell ein und das auch in ungewöhnlichen Situationen“, erklärt Univ.-Prof. DDr. Josef Zeitlhofer, Facharzt für Neurologie an der Medizinischen Universität Wien. Bei der Narkolepsie handelt es sich somit um eine neurologische Erkrankung, bei der die Schlaf-Wach-Regulation gestört ist. Die Schlafanfälle dauern meist nur wenige Minuten, können aber mehrmals täglich auftreten. Geben Narkoleptikern diesem Bedürfnis nach und schlafen einige Minuten, können sie meist mehrere Stunden bis zur nächsten Schlafattacke überbrücken.
Wenn die Muskeln erschlaffen
Ein weiteres Kennzeichen neben der übermäßigen Tagesmüdigkeit und der erhöhten Einschlafneigung ist der Verlust der Muskelspannung. In der Fachsprache wird das als Kataplexie oder affektiver Tonusverlust bezeichnet und kann alle Körpermuskeln betreffen. „Der affektive Tonusverlust tritt – wie der Name verrät – nach Affekten bzw. Gemütsregungen wie Lachen, Ärger oder Angst auf“, erklärt der Mediziner. Die Folgen sind vielfältig: Die Betroffenen sprechen plötzlich undeutlich, lassen Gegenstände fallen oder sacken während des Gehens zusammen. „Es ist aber auch eine vollständige Lähmung des ganzen Körpers möglich. Die Kataplexie kann von Sekundenbruchteilen bis zu wenigen Minuten dauern, hat jedoch keine körperlichen Folgen und löst sich von selbst“, so Zeitlhofer.
Schlafanfälle und Schlaflähmungen
Etwa einer von 2.000 Menschen leidet unter Narkolepsie, wobei die Erkrankung meist im jungen Erwachsenenalter beginnt. Doch wie kommt es überhaupt dazu? Zeitlhofer: „Das steht leider noch nicht fest. Bisher weiß man nur, dass die Erkrankung in manchen Populationen häufiger vorkommt. Manchmal steht auch ein Schädel-Hirn-Trauma am Beginn, was jedoch ein Auslöser und nicht die Ursache ist. Eine genetische Veranlagung scheint auch eine Rolle zu spielen.“
Halluzinationen und Schlaflähmung
Während einer Schlafattacke kommt der Betroffene vorzeitig in eine REM-Phase („Rapide Eye Movement“) – eine von mehreren Schlafphasen, die durch schnelle Augenbewegungen, eine erhöhte Gehirnaktivität, eine schnellere Atmung, eine erschlaffte Muskulatur und einen beschleunigten Herzschlag gekennzeichnet ist. Bei einigen Narkoleptikern kommt es während der Schlafattacken auch zu einer Schlaflähmung. Sie dauert nur ganz kurze Zeit an und tritt beim Einschlafen oder Aufwachen auf. Kennzeichnend ist, dass sich die Betroffenen überhaupt nicht bewegen können, obwohl sie wach sind. Beim Einschlafen oder Aufwachen kann es aber auch zu Halluzinationen kommen.
Regelmäßige Ruhephasen wichtig
Auch wenn die Erkrankung bisher noch nicht geheilt werden kann, gibt es einige Behandlungsmöglichkeiten. So beinhaltet die Therapie sowohl die Einnahme von Medikamenten gegen die Tageschläfrigkeit und den Verlust der Muskelspannung als auch Allgemeinmaßnahmen. Dazu zählt etwa die Einhaltung von regelmäßigen Ruhephasen am Tag. „Um die Wachheit tagsüber zu verbessern, sollten Betroffene zudem auf eine gesunde Ernährung, körperliches Training und ausreichend Nachtschlaf achten. Auf Nikotin und Alkohol sollte man verzichten, da letzterer die Einschlafneigung verstärkt. Auch gilt es, Übergewicht zu vermeiden“, so Zeitlhofer. Wichtig ist zudem, sich tagsüber kurze Ruhepausen zu gönnen. „Weil die Kataplexie durch starke Affekte wie Ärger ausgelöst wird, sollte man auf ein harmonisches Leben achten. Anfälle lassen sich aber auch durch persönliche Tricks, wie beispielsweise das Anhalten von Luft oder Bewegung im Freien, unterdrücken“, ergänzt der Experte.
Fehlendes Verständnis
Wer in den ungewöhnlichsten Situationen dazu neigt einzuschlafen, kann Probleme im Berufs- sowie im Privatleben bekommen. Oft fehlt es Außenstehenden am Verständnis für die Erkrankung und für die Betroffenen selbst ist diese in einigen Fällen mit einem langen Leidensweg verbunden. „Ich kenne Patienten, bei denen es 20 bis 30 Jahre gedauert hat, bis die Diagnose festgestanden ist. Wenn man einen Arzt aufsucht und erklärt, dass man bei Besprechungen sehr leicht einnickt, kann es leicht vorkommen, dass dieses Symptom nicht ernst genommen wird“, erklärt Zeitlhofer.
MMag. Birgit Koxeder-Hessenberger
September 2014
Foto: shutterstock