ADHS
ist geprägt durch beeinträchtigte Aufmerksamkeit, Überaktivität und
Impulsivität. Die Erkrankung besteht seit Geburt an, diagnostiziert wird sie
meist erst im Kindergarten- oder Schulalter, in vielen Fällen erfolgt aufgrund
fehlender Abklärung jedoch niemals eine Diagnose.
Rund fünf Prozent der schulpflichtigen Kinder sind betroffen, dreimal mehr Buben als Mädchen. Bis zu zwei Drittel haben zusätzlich Lernstörungen wie etwa Lese/Rechtschreibschwäche. Es fällt Betroffenen schwer, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, der Bewegungsdrang ist enorm, still zu sitzen eine Qual.
ADHS ist gut behandelbar
ADHS ist eine Erkrankung, die zwar noch nicht medizinisch heilbar, aber gut zu behandeln ist. Äußerst wichtig für eine erfolgreiche Therapie ist es, dass die Familie, aber auch die Betreuer im Kindergarten und die Lehrer in der Schule informiert und wenn möglich, mit einbezogen werden.
Kinder mit starker ADHS-Ausprägung fallen auf. Ohne Behandlung ist eine Normalität im Alltag sehr schwer zu erreichen. Ziel einer Therapie ist die Verbesserung der Lebensqualität, die darin besteht, dass das Kind bessere Beziehungen zu seiner Umwelt aufbauen kann, ein stabiles und gesundes Selbstwertgefühl bekommt und vor allem auch, dass es eine der eigentlichen Begabung entsprechende Schulausbildung absolvieren kann. „Diese Kinder sind häufig durchschnittlich bis überdurchschnittlich intelligent, schaffen aber aufgrund ihrer Erkrankung und der Tatsache, dass das Schulsystem darauf kaum Rücksicht nehmen kann, oft nicht einmal einen Hauptschulabschluss“, hält Mag. Marina Gottwald, Klinische Psychologin und Psychotherapeutin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Landesnervenklinik Wagner Jauregg Linz, fest.
Individuelle Therapie mit vielen Bausteinen
Je nach Ausprägung der Erkrankung und dem Schweregrad der Symptome sollte eine Behandlung individuell auf das jeweilige Kind, seine Begabungen und Lebenssituation ausgerichtet sein und aus verschiedenen Bausteinen bestehen (multimodale Therapie). Medikamente, Psychotherapie und Ergotherapie kann man auf Krankenschein erhalten, für alle anderen Therapien müssen die Eltern selbst aufkommen.
Anti-Aggressionstraining
Kinder mit ADHS erfahren wegen ihres abweichenden sozialen Verhaltens häufig Zurückweisung, Ablehnung und Tadel. Ein Teil der Kinder reagiert darauf mit Aggression und Trotz. „Das Therapieziel soll darin bestehen, die sozialen Kompetenzen zu fördern, die Konfliktlösungsmöglichkeiten zu erweitern und das Selbstbewusstsein zu stärken“, so Gottwald. Weiters können Konfliktlösungsstrategien und generell der Umgang mit den eigenen Gefühlen erlernt werden.
Aufklärung
Die Aufklärung aller beteiligten Personen (Eltern, Kindergarten, Kindergarten, Hort, Schule) über das Krankheitsbild ADHS und die Schwierigkeiten, die die Erkrankung für das Kind mit sich bringt, ist Voraussetzung einer erfolgreichen Therapie. Das Wissen um ADHS erhöht die Bereitschaft der Umwelt, das betroffene Kind besser zu verstehen und es zu unterstützen.
Bewegungstherapie
Kinder mit ADHS weisen häufig motorische Schwächen auf. Körperwahrnehmung, Bewegungssteuerung und Koordination bereiten oft Schwierigkeiten, können jedoch durch spielerische Schulung verschiedener Bewegungsformen gefördert werden. Verschiedene Bewegungstherapien werden angeboten, so etwa Sport, Gestalt- und Tanztherapie.
Eltern- und Pädagogentraining
Eltern stoßen bei der Erziehung von ADHS-Kindern schnell an ihre Grenzen. Ohne Wissen um die Erkrankung und den richtigen Umgang mit dem Kind sind Konflikte vorprogrammiert. „Eine Aufklärung und Schulung der Eltern kann das Familienklima und die Entwicklung des Kindes deutlich verbessern. Nur wenn man weiß, wie das eigene Kind die Welt erlebt und wie es funktioniert, kann man es fördern und ihm helfen. Ebenso wäre es wünschenswert, dass alle Pädagogen, die mit ADHS-Kindern zu tun haben, im Umgang mit der Erkrankung geschult sind. Eltern sollten sich regelmäßig mit den Lehrern zusammensetzen und die Lage besprechen. Nur eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten hilft dem Kind, aber auch den Eltern und den Lehrern“, so die Klinische Psychologin.
Ergotherapie
Liegen Störungen der Grob- und/oder Feinmotorik vor, empfiehlt sich eine Ergotherapie. Hierbei werden die motorischen Fähigkeiten und das Gedächtnis trainiert und das Kind lernt, Probleme des Alltags besser zu meistern (z.B. lernt es seine Aufgaben zu planen).
Konzentrationstraining
Dabei lernt das Kind, seine Konzentration zu erhöhen und besser zu steuern. Betroffene Kinder haben keinen Reizfilter im Gehirn, der zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen unterscheidet, sie nehmen alle Reize (Töne, Bilder, Gerüche etc.) gleich stark wahr. Das Kind lernt in der Therapie, sich nicht so leicht von äußeren und inneren Reizen und Impulsen ablenken zu lassen und unwichtige Reize auszublenden. Ziel ist es auch, dass das Kind mit der Zeit eigenständiger lernen und in Eigenverantwortung handeln kann. Ausdauer und Motivation sollen gesteigert und die Planung der eigenen Handlungen verbessert werden. „Das Kind lernt, den Fokus auf seine Aufgabe zu legen. Es soll erkennen, wenn es abgelenkt wird und sich selbst wieder zur Konzentration auf die Aufgabe auffordern. Das ist freilich ein langer Prozess. Bei Hausaufgaben braucht das Kind lange Zeit die Unterstützung der Eltern. Das Kind braucht jemanden, der anwesend ist, nicht schimpft, sondern es bei der Bewältigung der Aufgaben geduldig unterstützt“, sagt Mag. Gottwald.
Medikamentöse Therapie
Sind die Eltern einverstanden, können zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen medikamentöse Psychostimulanzien eingesetzt werden. In der Mehrzahl der Fälle verringern sich bei deren regelmäßiger Einnahme die hyperaktiven, impulsiven und unaufmerksamen Verhaltensauffälligkeiten. Die Medikamente bewirken jedoch keinen nachhaltigen Erfolg, die Wirkung endet mit dem Absetzen der Tabletten. „Medikamente werden meist nur bei schwerer Ausprägung von ADHS eingesetzt, vor allem, wenn der Leidensdruck beim Kind groß ist. Sie ermöglichen in manchen Fällen erst den Einsatz der anderen Therapiebausteine. Medikamente alleine sind aber nicht sinnvoll, sie müssen immer in Kombination mit anderen Behandlungen eingesetzt werden“, so die Klinische Psychologin.
Musiktherapie
Regelmäßiger Musikunterricht wirkt sich positiv auf das Gehirn aus. Bei Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen arbeiten die beiden Gehirnhälften asynchron, sie können durch regelmäßiges Musizieren synchronisiert werden. Zudem wirkt sich regelmäßiges Musizieren positiv auf die Konzentrationsfähigkeit, Hyperaktivität und Impulsivität aus. „Da man Musik in Bewegung ausübt, ist sie entwicklungsfördernd und sehr zu empfehlen. Freilich nur, wenn das Kind das möchte. Es sollte sich auch das Instrument selbst aussuchen dürfen“, sagt Gottwald. Ebenso sind auch alle anderen kreativen Tätigkeiten förderlich, z.B. Malen, Zeichnen etc.
Psychotherapie
Unter den vielen verschiedenen Formen von Psychotherapien hat sich bei der Behandlung von ADHS vor allem die Verhaltenstherapie als wirkungsvoll erwiesen. Sie hilft den Kindern und Jugendlichen, bestimmte Fertigkeiten wie etwa genaues Hinhören bei Anweisungen, Kontrolle der eigenen Impulse durch Selbstbeobachtung zu erlernen.
Tiergestützte Therapie
Der Umgang mit Tieren hilft Kindern in vielen Fällen beträchtlich weiter. Sie kann zu einer Verbesserung der Selbstwahrnehmung, der Aufmerksamkeit und des Selbstwertgefühles führen. „Manche Kinder leben richtig auf, können entspannen und ihr Sozialverhalten verbessert sich“, so die Klinische Psychologin.
Professionelle Hilfe
Über die Auswahl und Zusammenstellung einer geeigneten Therapie sollte man sich an ausgebildete Fachkräfte, wie z.B. Kinder-und Jugendpsychiater, Klinische Psychologen oder Schulpsychologen zur genauen diagnostischen Abklärung und daraus folgenden individuellen Therapiezusammenstellung wenden. Dabei kann man sich an niedergelassene Fachkräfte, Institutionen oder Krankenhäuser wenden.
Dr. Thomas Hartl
September 2014
Foto: shutterstock