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Buch 100 Medizin-Mythen

Cochrane Collaboration: 100 Medizin-Mythen aufgedeckt

Beinahe täglich werden in Zeitungen, Zeitschriften oder im Internet neue, effektive Behandlungen oder Tests vorgestellt. Die Berichte können bei Lesern Erwartungen, aber auch Ängste, hervorrufen. Was hinter diesen Berichten steckt und mit welchen Fakten sie untermauert werden, beurteilt die Plattform medizin-transparent.at. Die Plattform ist Teil der österreichischen Zweigstelle der Cochrane Collaboration mit Sitz in Krems. 

Gemeinsam mit dem „Verein für Konsumenteninformation“ (VKI) ist die medizin-transparent.at 100 Medizin-Mythen auf den Grund gegangen und hat über diese Mythen ein Buch auf den Markt gebracht. 

Mythen aufgedeckt 

Berichten in den Medien zufolge müssten Erkrankungen wie Alzheimer, Krebs oder Rheuma längst besiegt sein. Fast täglich werden in Artikeln, Inseraten oder in als redaktionelle Beiträge getarnten Anzeigen neuen, „sensationellen“ vermeintlichen Wundermitteln und Behandlungen angepriesen. So ziemlich alle Geißeln der Menschheit lassen sich damit angeblich ausrotten. Für Konsumenten ist es kaum möglich, den Wahrheitsgehalt solcher Aussagen einzuschätzen, beschreibt der VKI die Inhalte der Zusammenarbeit. 

Geschäftemacherei? 

Dass man für diese Mittel, Tinkturen und Therapien tief in die Brieftasche greifen muss, wird von todkranken oder von langer Krankheit gezeichneten Menschen in Kauf genommen. Meldungen über scheinbar gesundheitsschädliche Lebensmittel und Behandlungen lassen zudem aufhorchen und tragen zu Verunsicherung bei, so der VKI.

In dieser Situation Orientierung zu geben, ist das Anliegen des neu erschienenen Buches, für das Konsumentenschutz und Wissenschaft eine Kooperation eingegangen sind. Wissenschaftler von medizin-transparent.at, einem Projekt der Österreichischen Cochrane Zweigstelle, haben Wirkstoffe, Verfahren und Therapien genau unter die Lupe genommen. Sie durchforsteten die verfügbare Literatur nach wissenschaftlichen Belegen und geben mit diesem Wissen Antwort auf 100 Fragen, die sich vielleicht viele Leser schon einmal gestellt haben. 

Zur Bewertung 

Bei der Recherche und Bewertung der Informationen orientieren sich die wissenschaftlichen Experten von medizin-transparent.at streng an der wissenschaftlichen Beweislage, erklären die Autoren im Vorwort des Buches. Sie treffen ihre Aussagen evidenzbasiert – das bedeutet, dass sich die Bewertung darauf bezieht, wie stark die Behauptung wissenschaftlich untermauert ist. „Sie sagt nur aus, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Behandlung überhaupt einen Effekt hat, aber nicht, wie groß dieser Behandlungseffekt ist“, so die Autoren im Buch.

Ist die Beweislage beispielsweise „unzureichend“, bedeutet dies, dass es überhaupt keine aussagekräftigen Studien gibt beziehungsweise dass nur sehr vage oder widersprüchliche Hinweise vorliegen.

Bei einer niedrigen Beweislage ist die Faktenlage nicht gut abgesichert. Für eine Einschätzung des Behandlungseffektes bzw. der Sicherheit sind weitere, gut ausgeführte Studien notwendig. Und bei einer mittleren Beweislage wären für eine bessere Einschätzung des Behandlungseffektes weitere, gut ausgeführte Studien notwendig. 

Nur bei einer „hohen“ Beweislage ist die gegebene Antwort (egal ob sie positiv oder negativ ausfällt) eindeutig und sehr gut abgesichert. 

Themenübersicht 

Das Themenspektrum ist breit gefächert und reicht etwa von A wie Abnehmen, über Alzheimer, Cholesterin, Depressionen bis zu Migräne, Rheuma und Schlaflosigkeit und Z wie Zähne. 

Beispiel Probiotika 

Ob Probiotika eventuell durch Antibiotika bedingten Durchfall verhindern können, bewerten die Experten aus Krems die Beweislage als niedrig: „Allerdings ist eine Prophylaxe nur bei einem unter 13 Patienten erfolgreich“, so die Autoren.

Weil Antibiotika nicht nur krank machende Bakterien abtöten, sondern auch nützliche, die in unserer Darmflora die Verdauung unterstützen und krankmachende Keime am Wachstum hindern, werden manchmal zu den verschriebenen Antibiotika probiotischen Kapseln empfohlen.

Die Autoren zitieren eine neuere Studie mit knapp 3.000 Teilnehmern, die zu dem Schluss kommt, dass Probiotika derartige Durchfälle nicht verhindern können. Allerdings wurden darin nur stationär aufgenommene Spitalspatienten untersucht, die zumindest 65 Jahre alt waren und häufig auch an anderen Krankheiten litten. Auf die Gesamtbevölkerung lassen sich diese Ergebnisse deshalb nicht übertragen.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse bisheriger Studien zeigt zwar, dass Probiotika antibiotikabedingte Durchfälle möglicherweise durchaus verhindern können, sie scheinen allerdings nicht immer zu wirken, so die Autoren. Für eine gesicherte Literatur Empfehlung sind größere, nach strengeren wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte Studien notwendig.


Mag. Christian Boukal

Februar 2017

 

Foto: Verein für Konsumenteninformation (VKI)


Bezugsquelle

Cochrane Collaboration 100 Medizin MythenSoeben ist die zweite Auflage des Bandes erschienen. Das Buch ist auf der Homepage des VKI  oder im Buchhandel zu beziehen.

 


Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020