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Blinddarmentzündung: Der Wurmfortsatz

Mädchen wird der Bauch abgetastetBlinddarmentzündung ist keine Kinderkrankheit. Treten Bauchschmerzen im Kindes- und Jugendalter auf, wird meist sofort an eine Blinddarmentzündung gedacht. Die Infektion kann sich jedoch auch viel später bemerkbar machen: Der zweite Altersgipfel liegt nach dem 60. Lebensjahr.

 

Der Blinddarm kann eigentlich nichts für seinen schlechten Ruf. Denn bei der Blinddarmentzündung ist nicht dieser selbst, sondern der Wurmfortsatz (Appendix vermiformis) betroffen. Dieses Anhangsgebilde des Blinddarms sitzt am Übergang vom Dünn- zum Dickdarm und kann Schmerzen verursachen. Dafür gibt es zwei Ursachen, erklärt Univ.-Prof. Dr. Christoph Gasche von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Universität Wien: „Entweder eine Infektion, klassischerweise durch Viren, oder ein mechanischer Verschluss, etwa durch sogenannte Stuhlsteine.“ Die Entzündung betrifft nicht nur Kinder: Vor den 1970er Jahren wurde der Wurmfortsatz bei circa 70 bis 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen noch vor dem 20. Geburtstag entfernt. Bei den Geburtsjahrgängen danach ist dies nur bei 10 bis 20 Prozent der Fall. Professor Gasche: „Weil die Diagnostik besser geworden ist, muss nicht bei jedem Bauchschmerz an eine Operation gedacht werden. Das bedeutet aber auch, dass heute viele Menschen den Wurmfortsatz noch haben. Deshalb kommen Entzündungen im fortgeschrittenen Alter häufiger vor als früher.“


Gefährlicher Durchbruch

Die Blinddarmentzündung – von Medizinern Appendizitis genannt – beginnt in den meisten Fällen mit Übelkeit, Erbrechen oder Appetitlosigkeit. In weiterer Folge treten Bauchschmerzen auf. Sie sind anfangs in der Mitte des Bauches rund um den Nabel spürbar, bevor sie sich in den rechten Unterbauch verlagern. Die Beschwerden verstärken sich beim Husten oder Gehen. Wird hingegen das rechte Bein im Liegen angehoben, lassen die Schmerzen nach. Zudem können Betroffene unter Fieber leiden. Aufgrund der anfangs unspezifischen Symptome und weil es sich beim Wurmfortsatz um ein variables Organ handelt, ist die Diagnose nicht immer einfach: „Der Appendix liegt nicht immer im rechten Unterbauch, sondern es gibt verschiedene Lagevarianten, wie etwa im linken Unterbauch. Dadurch kann der Schmerz auch woanders wahrgenommen werden“, hält Dr. Christoph Gasche fest. Bei jeder Art von Bauchschmerz muss deshalb eine Blinddarmentzündung abgeklärt werden. Denn zu spät entdeckt kann es zu einem Durchbruch (Perforation) kommen: Der Wurmfortsatz platzt auf, Stuhl und Darmbakterien gelangen in den Bauchraum und können zu einer Entzündung des Bauchfells führen – eine lebensgefährliche Situation.

 

Ohne Funktion

Damit es nicht so weit kommt, ist eine frühzeitige Therapie entscheidend. Die Entzündung lässt sich – je nach Schweregrad – antibiotisch oder chirurgisch behandeln. „Bei unkomplizierten Fällen kann man die Infektion durch die Gabe von Antibiotika meist recht gut in den Griff bekommen“, sagt der Experte. Falls nicht, muss der Wurmfortsatz operativ mittels Bauchschnitt oder Schlüsselloch-Chirurgie entfernt werden. Ist der Wurmfortsatz einmal weg, hat das keine Auswirkungen auf die Betroffenen. Schließlich erfüllt er keine Verdauungsfunktion. Da der Appendix jedoch viele Lymphzellen enthält, gibt es die Vermutung, dass er für das Immunsystem von Bedeutung sein könnte. Die genaue Aufgabe ist allerdings noch nicht bekannt und Professor Christoph Gasche hält sogar fest: „Es gibt sozusagen kein Blinddarmverlustsyndrom.

 

Allerdings kann die Entfernung des Wurmfortsatzes vor der Entstehung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, der Colitis ulcerosa, schützen.“ Die operative Entfernung des Wurmfortsatzes wird als Appendektomie bezeichnet und ist heutzutage ein Routineeingriff. Das war jedoch nicht immer so: Früher war die Blinddarmentzündung eine gefürchtete Erkrankung, die im Mittelalter gemäß dem Hauptsymptom als Seitenkrankheit bezeichnet wurde. Heute lässt sich der entzündete Wurmfortsatz klassisch mittels Bauchschnitt entfernen, wofür ein mehrere Zentimeter langer Schnitt notwendig ist. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit eines minimalinvasiven Eingriffs (Schlüsselloch-Chirurgie) mittels Bauchspiegelung. Die Vorteile: Je nach Verfahren ist nur ein oder sind nur mehrere kleine Schnitte notwendig. „Die Schlüsselloch-Chirurgie ist dann empfehlenswert, wenn der Blinddarm nicht im rechten Unterbauch liegt oder wenn man nicht sicher weiß, ob es sich um eine Entzündung des Wurmfortsatzes handelt“, erklärt Dr. Gasche. Selten kommt es zu Komplikationen nach der Operation. Dazu zählen Wundheilungsstörungen, Nachblutungen oder Verwachsungen im Bauchraum.

 

MMag. Birgit Koxeder-Hessenberger

Jänner 2015

 

Foto: shutterstock, privat

 

Kommentar

Kommentarbild von Univ.-Prof. Dr. Christoph Gasche zum Printartikel „Es gibt bis auf Orang-Utans praktisch keine Tiere, die einen Wurmfortsatz besitzen. Ich persönlich glaube daher, dass es vollkommen irrelevant ist, ob man ihn hat oder nicht.“
Univ.-Prof. Dr. Christoph Gasche
Universitätsklinik für Innere Medizin III, Universität Wien

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020