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COPD: Auch Nichtraucher können erkranken

Mann hustet und wird von Arzt untersuchtBisher galt COPD, neben Lungenkrebs, als die Raucherkrankheit schlechthin. Doch heute weiß man, dass nicht nur Raucher unter der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung leiden, berichtet das Allgemeine Krankhaus Linz anlässlich des Welt-COPD-Tages am 19. November 2014.

Untersuchungen haben gezeigt, dass ein erheblicher Anteil der COPD-Patienten nie aktiv geraucht hat. Bei vier von fünf nichtrauchenden COPD-Betroffenen wird die Erkrankung jedoch nicht diagnostiziert, obwohl sie unter denselben Beschwerden und Lebensqualitätseinbußen wie betroffene Raucher leiden.


Viele COPD-Patienten sind Nichtraucher

Zigarettenrauchen ist der wesentlichste Risikofaktor für COPD. Diese Erkenntnis existiert seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts und ist der Grund dafür, dass sich einige Studien zur Krankheitshäufigkeit und nahezu alle klinischen COPD-Studien auf Raucher konzentriert haben. „Erst in den letzten Jahren ist das Interesse an anderen Risikofaktoren gewachsen und hat durchaus erstaunliche Erkenntnisse erbracht“, erläutert Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht, Sekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie und Vorstand der Abteilung für Lungenheilkunde, AKh Linz.


„Eine bereits 2009 im Lancet publizierte Übersichtsarbeit hat aufgezeigt, dass weltweit gesehen zwischen 25 und 45 Prozent aller Patienten mit COPD niemals aktiv geraucht haben. Während dieser Prozentsatz in reichen, entwickelten Ländern zwischen maximal 25 und 30 Prozent liegt, ist er in Schwellen- und Entwicklungsländern meist bei über 35 Prozent.“


Ergebnisse der internationalen BOLD-Studie (Burden of Obstructive Lung Disease) haben gezeigt, dass 23% aller klinisch relevanten COPD-Fälle bei Nichtrauchern auftreten. Rund sechs Prozent aller Nichtraucher zeigten irreversible obstruktive Lungenfunktionseinschränkungen, die auf COPD zurückzuführen sind.

Beschwerden bei Nichtrauchern

Die BOLD-Studie hat ebenso gezeigt, dass Raucher und Nichtraucher bei vergleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion keine signifikanten Unterschiede ihrer respiratorische Beschwerdesymptomatik (Atemnot, Husten, Sputumproduktion) und Lebensqualität zeigen. Dies steht im Einklang mit der Annahme, dass unterschiedliche (inhalative) gesundheitsschädigende Substanzen zu ähnlichen chronischen Entzündungsreaktionen und den damit verbundenen Lungenfunktionsschädigungen und Beschwerden führen.

Immer mehr Frauen erkranken an COPD

„Das ‚Gesicht der COPD‘ wird allmählich weiblich. Das hat nicht nur mit dem veränderten Rauchverhalten von Frauen – es rauchen heute mehr junge Frauen denn je –, sondern auch mit dem Umstand zu tun, dass an COPD erkrankte Nichtraucher zumeist weiblich sind“, so Lamprecht. Mehrere Studien haben Hinweise dafür geliefert, dass Frauen empfindlicher auf die Effekte von Tabakrauch reagieren. Es könnte daher spekuliert werden, dass Frauen auch gegenüber anderen Noxen eine erhöhte Empfindlichkeit zeigen und so der höhere Anteil an betroffenen Nichtraucherinnen erklärbar wäre.

Wesentlicher Risikofaktor: Berufliche Staubbelastung

Während in der Vergangenheit das Hauptaugenmerk auf dem Risikofaktor Rauchen gelegen ist, rücken nun zunehmend auch andere Risikofaktoren ins Blickfeld. Neben der Passivrauchbelastung sind insbesondere Staubbelastungen am Arbeitsplatz zu bedenken. Die Analyse einer amerikanischen Gesundheitserhebung hat gezeigt, dass insgesamt etwa 19 Prozent der COPD-Erkrankungen arbeitsplatzbezogen sind, unter Nichtrauchern war der Prozentsatz mit 31 Prozent noch deutlich höher.

Diese Zahlen verwundern nicht, wenn man bedenkt, dass durchschnittlich 40 Prozent aller Berufstätigen (30% der Frauen, 62% der Männer) einen „staubigen“ Arbeitsplatz haben. Eine in „Thorax“ publizierte Studie hat gezeigt, dass Nichtraucher, die an einem Arbeitsplatz mit Staubentwicklung tätig sind, ein 70-proznetig höheres Risiko für COPD haben als Nichtraucher an unbelasteten Arbeitsplätzen.


Problematisch sind neben Stäuben aber auch verschiedene Gase und Chemikalien (Schweißrauch, Isocyanate, Cadmium, Vanadium, und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe). Eine Form der meist langjährigen Staubbelastung zeigt sich insbesondere in der Landwirtschaft: Die BOLD-Studie zeigte, dass, obwohl unter den landwirtschaftlich tätigen Personen mehr Nichtraucher waren (54% vs. 45%), dort die Häufigkeit von COPD signifikant höher ist als bei der Normalbevölkerung. Für zum Beispiel Salzburg wäre jeder 13. COPD-Erkrankungsfall vermeidbar, gäbe es den Risikofaktor landwirtschaftliche Staubbelastung nicht.

„Biomasse“ & COPD

Unter dem Begriff Biomasse subsummiert man organische Stoffe biogener und damit nicht fossiler Art. Dies umfasst in der Natur lebende und wachsende Materie und daraus resultierende Abfallstoffe. Dazu gehören beispielsweise Holz, Dung und Ernterückstände, die in weiten Teilen der Erde als Energieträger zum Heizen und Kochen Verwendung finden.


Global gesehen verwenden ca. die Hälfte aller Haushalte und etwa 90 Prozent der Haushalte in ländlichen Gegenden von Entwicklungsländern Biomasse als wichtigen Energieträger. Verbrennung von Biomasse zum Heizen und Kochen ohne Rauchabzug ist eine wesentliche Ursache für Feinstaubbelastung in Innenräumen. Während in entwickelten Ländern die Belastung durch die Verbrennung von Biomasse praktisch keine Rolle (mehr) spielt, sind in Indien, China und Afrika bis zu 80 Prozent aller Haushalte betroffen. Ungefähr drei Milliarden Menschen – gut die Hälfte der Weltbevölkerung – sind diesem Risikofaktor daher regelmäßig ausgesetzt. In Entwicklungsländern können fast die Hälfte aller Todesfälle durch COPD der Belastung durch Biomasse-Verbrennung zugeordnet werden. Der überwiegende Teil (75%) betrifft Frauen, die diesem Risikofaktor stärker ausgesetzt sind.

Schlussfolgerungen

Das wachsende Verständnis für die Existenz von COPD bei Nichtrauchern beeinflusst sicherlich die Wahrnehmung der Erkrankung in der Öffentlichkeit. Der Umstand, dass es sich bei COPD nicht zwangsläufig und ausschließlich um eine „selbstverschuldete Erkrankung des Rauchers“ handelt, könnte auch Forschungsförderungen und –aktivitäten günstig beeinflussen.


Gemessen daran, dass etwa  6 Prozent der Nichtraucher die Kriterien einer klinisch signifikanten und behandlungsbedürftigen COPD erfüllen, erscheint die Ausdehnung von vorsorgemedizinischen Lungenfunktionsuntersuchungen auf Nichtraucher durchaus sinnvoll, erklärt die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie.



Mag. Christian Boukal / Öst. Ges. f. Pneumologie

November 2014


Foto: shutterstock

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020