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Nesselsucht: Die Haut juckt und brennt

Wie ein Griff in Brennnesseln fühlt sich die Hauterkrankung „Nesselsucht“ an. Die Ursache herauszufinden, gestaltet sich meist schwierig. Während die akute Form nur wenige Probleme verursacht, leiden chronische Patienten oft mehrere Jahre lang an den Symptomen.

 

Von Nesselsucht (Fachbegriff Urtikaria) ist jeder Vierte zumindest einmal im Leben betroffen. Nesselsucht bezeichnet eine der am häufigsten auftretenden Hauterkrankungen und hat nichts mit einer Sucht zu tun. In den meisten Fällen liegt eine akute Nesselsucht vor, die nach Tagen (maximal nach sechs Wochen) ohne Probleme wieder abheilt. Schätzungen gehen davon aus, dass jeder vierte Mensch im Laufe seines Lebens von einer akuten Urtikaria betroffen ist. Viel schwieriger zu ertragen und zu behandeln ist die chronische Form, die auch viele Jahre lang zu Beschwerden führt. Jeder Hundertste Europäer ist davon betroffen.

 

Symptome

Urtikaria ist durch das plötzliche Auftreten von juckenden Quaddeln gekennzeichnet, ähnlich denen, die Brennnesseln (Urtica) verursachen. Die Quaddeln können einzeln und klein sein, sie können aber auch großflächig auftreten und sich über den ganzen Körper ausbreiten. Auch weißliche Flecken können sich bilden; ebenso wie tiefe Schwellungen der Haut, sogenannte Angioödeme.

 

Bei der Nesselsucht handelt sich um eine Entzündung der Haut. Typische Symptome sind:

  • Schwellung
  • Rötung
  • Schmerzen
  • Unangenehmer Juckreiz

„Es fühlt sich so an, wie wenn man in Brennnesseln greift. Bei manchen schmerzt das richtig, bei anderen tritt nur ein heftiges Jucken auf, welches schmerzähnlich ist“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Georg Stingl, Leiter der Abteilung für Immundermatologie und Infektiöse Hautkrankheiten an der Univ.-Klinik für Dermatologie, AKH/MedUni Wien.

 

Akute Form

Eine akute Urtikaria ist meist einfach zu behandeln. Oft heilt sie spätestens sechs Wochen wieder ab. Ein Beschwerdetagebuch kann helfen, die Auslöser zu finden. Dabei notiert man jeden Tag den Schweregrad der Symptome, die eingenommen Nahrungsmittel und Medikamente.

 

Mögliche Auslöser gibt es in großer Zahl. Es handelt sich um physikalische Reize wie:

  • Kälte, Wärme (z.B. durch ein heißes Bad)
  • Sonnenlicht
  • Druck, Vibration, Reiben, Kratzen auf der Haut

 

Auch verschiedene Allergien sind mögliche Auslöser. Bei Kontakt mit dem Allergen kommt es zur Ausschüttung von Histamin. Die Folge: Die Gefäße weiten sich und es kommt es zur typischen Rötung, zu Juckreiz und Schwellungen.

Mögliche allergische Auslöser sind Medikamente wie Aspirin oder Penicillin, toxische Rückstände von Spritzmitteln in Obst und Gemüse oder in Fleisch gespritzte Medikamente oder auch Metalle im Körper (z.B. Amalgam in Zahnplomben). Nahrungsmittel (z.B. Getreide, Kuhmilch, Fisch, Eier, Nüsse, Gewürze) sind ebenso mögliche Auslöser wie Insektenstiche und Tierhaare. Ebenso können die Beschwerden durch Überempfindlichkeiten (Pseudoallergie) gegen Nahrungsmittelzusätze (Farb-, Aroma- und Konservierungsstoffe) ausgelöst werden. Auch eine Nahrungsmittelvergiftung kann ursächlich sein. Zudem können verschiedene Erkrankungen Auslöser sein, etwa Viruserkrankungen (z.B. Hepatitis), innere Erkrankungen (z.B. Magen-Darm-Erkrankungen), Autoimmunerkrankungen, Infekte im HNO-Bereich, Infektionen mit Parasiten. Auch große körperliche Anstrengung, emotionale Erregung und psychischer Stress können zu den Quaddeln führen.

 

Beim Arzt abklären lassen

Auch wenn man häufig keine konkreten Ursachen findet, lassen sich bei einem Teil der Patienten durchaus Auslöser finden. Oft ist ein Betroffener gleich gegen mehrere Stoffe allergisch. „Um die Ursachen abklären zu können, sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen und sich auf Allergien testen lassen, z.B. mit einem Prick-Test. Nur so kann der Patient herausfinden, ob bei ihm eine der bekannten Ursachen dahinter steckt oder nicht“, so Stingl. Eine erste Abklärung kann beim praktischen Arzt oder beim Dermatologen erfolgen. Wird ein bestimmter Auslöser gefunden, lassen sich die Probleme künftig durch Vermeidung dieses Auslösers verhindern.

 

Chronische Form

Von einer chronischen, also dauerhaften Nesselsucht spricht man, wenn diese mehr als sechs Wochen lang auftritt. Typisches Symptom sind ebenfalls Quaddeln auf der Haut. „Meist sind diese klein, also nur Millimeter oder wenige Zentimeter groß, manche Patienten haben 50 bis 100 solcher Quaddeln. Sie bestehen eine Zeit lang, dann verschwinden sie wieder und treten an anderer Stelle wieder auf“, erklärt der Dermatologe. Entweder treten die Beschwerden täglich und relativ gleichmäßig auf, oder es wechseln sich Krankheitsschübe und symptomfreie Phasen ab, wobei die jeweiligen Phasen Wochen oder Monate andauern können.

Eine anhaltende Urtikaria ist eine körperlich, psychisch und sozial belastende Hautkrankheit, die in manchen Fällen die Lebensqualität extrem einschränken kann. Andauernder Juckreiz und Brennens stören den Schlaf, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. „Auch die Partnerschaft und das Sexualleben leiden in schweren Fällen. Begleiterkrankungen wie Depressionen, soziale Isolation, Ängste bis hin zu Suizidgedanken sind möglich, wenn man die Erkrankung nicht ausreichend behandelt“, so Stingl.

Bei der chronischen Form der Urtikaria ist es schwierig oder unmöglich, den oder die Auslöser zu finden. „In 80 Prozent der Fälle bleiben die Ursachen völlig im Unklaren. Auch die von den Patienten vermuteten Ursachen erweisen sich oft als falsch“, hält Stingl fest.

 

Therapie

Bei der Nesselsucht spielen die Mastzellen eine entscheidende Rolle. Mastzellen sind Abwehrzellen des Immunsystems, die normalerweise aktiv werden, wenn Parasiten und Bakterien in den Körper eindringen. Bei einer Nesselsucht aufgrund einer allergischen Reaktion reagieren die Mastzellen fehlerhaft und setzen Histamin frei. Diese Freisetzung ist das Startsignal für eine sich ausbreitende Entzündung der Haut. Dabei öffnen sich die Hautgefäße, die Haut schwillt an, wird rot, juckt und letztendlich bilden sich Quaddeln.

Entscheidend für die Therapiewahl sind die Schwere der Symptome, die Krankheitsaktivität und die Lebensqualität der Patienten. Eine akute Urtikaria wird mit Antihistaminika und Cortison behandelt und heilt in der Regel rasch ab.

 

Die Behandlung der chronischen Urtikaria erweist sich mitunter als schwierig. Manche Patienten haben lange diagnostische und therapeutische Irrwege von Arzt zu Arzt hinter sich, bis ihnen geholfen werden kann. „Mittlerweile gibt es aber gute Medikamente, die zumindest die Quaddelbildung verhindern. Da man häufig nicht weiß, warum diese krankhafte Hautreaktion auftritt, kann man nur die Beschwerden behandeln, nicht aber die Auslöser“, sagt der Experte.

 

Bei Patienten mit bloß leichter und mittlerer Nesselsucht reichen Antihistaminika aus, um das von den Mastzellen produzierte Histamin nicht zur Wirkung kommen lassen. Antihistaminika sind arm an Nebenwirkungen und in der Regel gut wirksam. Bleibt der Therapieerfolg aus, kann die Dosis des Antihistaminikums gesteigert werden. Zudem kann Kortison kurzfristig (nicht auf Dauer!) eingesetzt werden.

 

Dr. Thomas Hartl

März 2015

 

Foto: shutterstock

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020