Nach einer Krebstherapie folgt die Zeit der medizinischen Kontrollen. Diese dauern in der Regel fünf Jahre lang. Sie wahrzunehmen ist ebenso wichtig wie ein gesunder Lebensstil.
Nach einer Krebsbehandlung wird Patienten empfohlen, an Programmen zur medizinischen Nachsorge teilzunehmen. Das bedeutet im Wesentlichen die Durchführung medizinischer Kontrolluntersuchungen (z.B. körperliche Untersuchung, Blutentnahme, bildgebende oder endoskopische Verfahren). Sie dienen dazu, Rezidive (Rückfälle) frühzeitig zu erkennen. Aber auch Langzeitfolgen einer Krebserkrankung oder ihrer Behandlung – wie etwa Erschöpfung, Depressionen oder geschwächtes Immunsystem – sollen dadurch früher erkannt und therapiert werden.
Bis Risiko deutlich gesunken ist
Die Nachsorgeuntersuchungen dauern meist so lange an, bis das Risiko für einen Rückfall deutlich gesunken ist. Als Faustregel dafür gelten fünf Jahre. „Wie lange regelmäßige Kontrolluntersuchungen tatsächlich notwendig sind, hängt von der Krebsart, vom individuellen Krankheitsverlauf und von den Nebenwirkungen und Spätfolgen der Erkrankung und der Therapie ab“, erklärt Prim. Dr. Daniela Gattringer, Leiterin des Instituts für Physikalische Medizin und Rehabilitation im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz. Das Intervall der Kontrolluntersuchungen ist zu Beginn der Nachsorge meist kurz (z.B. alle drei Monate), treten keine Probleme auf, werden die Abstände nach und nach verlängert. Bei vielen Patienten ist einige Jahre nach der Erkrankung nur mehr eine einzige Untersuchung pro Jahr vorgesehen. Treten jedoch Beschwerden auf, sollte möglichst bald ein Arzt aufgesucht werden – auch zwischen zwei Nachsorgeterminen. Das gleiche gilt, wenn sich ein Patient übermäßig Sorgen um seine Gesundheit macht: Nicht zu lange warten und in Angst leben, sondern sich untersuchen lassen.
Ärzte stellen im Rahmen der Kontrolluntersuchungen bei Bedarf auch Kontakt zu anderen Fachleuten her, wie etwa Physiotherapeuten oder Ernährungsberatern. Wer unter Ängsten und Depressionen leidet und Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung benötigt, sollte dies in der Nachsorge ansprechen. Patienten leiden häufig an massiven Rezidivängsten und sollten in diesen Fällen einen Psychoonkologen aufsuchen. Anlaufstellen sind meist die Stellen der Krebshilfe. Manche Patienten verarbeiten ihre Ängste, indem sie sich einer Selbsthilfegruppe anschließen.
Selbst ist der Patient
Aus der Sicht des Patienten stellt die Zeit der Nachsorge oft einen neuen Lebensabschnitt dar. Ist die Zeit der Akuttherapie vorüber, beginnt für viele eine Zeit der Neuorientierung. Die erlebte Erkrankung ist eine so dramatische Erfahrung, dass viele Betroffene nun eine Art Lebensbilanz ziehen. Fragen wie „Was kann und will ich noch tun, was kann ich ändern in meinem Leben?“ tauchen auf und wollen beantwortet werden.
Auch gesundheitlich bietet die Zeit nach der Ersttherapie die Gelegenheit einer persönlichen Rezidivvorsorge. Denn man kann als Patient einiges dazu beitragen, dieses Risiko zu senken. Zwar besteht nach Abschluss der Akuttherapie die Möglichkeit einer Rehabilitation, in der man die Verbesserung des Lebensstils erlernen kann, doch vielen Patienten ist diese Möglichkeit noch nicht bekannt.
Auch im Rahmen einer medizinischen Nachsorge erfahren Patienten meist nur auf Nachfrage, was sie selbst tun können, um ihr Rezidivrisiko zu vermindern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Es ist jedoch für die eigene Gesundheit und das Wohlergehen von entscheidender Bedeutung, als Patient auch aktiv an seinem Lebensstil und damit seiner Gesundheit zu arbeiten.
Lebensstil optimieren
Eine große Anzahl an wissenschaftlichen Studien belegt, dass bestimmte Lebensstil-Maßnahmen das Risiko eines Rezidivs senken. Ziel ist es, ein körperlich aktives Leben zu führen, Übergewicht zu vermeiden (vor allem das Bauchfett sollte möglichst vermieden werden) und natürlich nicht zu rauchen.
Die folgende Maßnahmen werden Patienten in der Phase der Nachsorge (und darüber hinaus) daher empfohlen.
Sport und Bewegung
Bewegung und Sport ist erwiesenermaßen ein probates Mittel, um das Mortalitäts- und Rezidivrisiko zu senken. Das gilt für viele Krebsarten. „Die Studienlage ist vor allem bei Brust- und Darmkrebs eindeutig, sie besagt, dass man durch regelmäßige Bewegung sein Risiko um zirka ein Viertel senken kann“, so Gattringer. Die WHO empfiehlt mindestens 150 Minuten Bewegung pro Woche, am besten aufgeteilt in Einheiten von fünf mal 30 Minuten. Zusätzlich sollte man zwei- bis dreimal pro Woche moderates Krafttraining ausführen und ganz allgemein sich im Alltag möglichst viel bewegen.
Bewegung reduziert die Entzündungsaktivitäten im Körper, vermindert oder verhindert Übergewicht und hilft zudem bei der Angstbewältigung und bei Depressionen. Bewegung ist aber nicht nur in der Nachsorge hilfreich, schon während der Tumorbehandlung sollte man sich so viel bewegen, wie eben persönlich möglich und gut verträglich ist, weil Bewegung auch die Nebenwirkungen der Therapie reduzieren kann.
Gesunde Ernährung
Krebspatienten wird empfohlen, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Biologische, regionale und saisonale und ballaststoffreiche Lebensmittel sind zu bevorzugen, sie enthalten am wenigsten Toxine. „Welche Ernährungsform konkret in der Zeit der Nachsorge empfohlen wird, ist von verschiedenen individuellen Faktoren, wie Tumorart, Körpergewicht, Muskelmasse und Begleiterkrankungen abhängig. Am besten ist es, sich von Diätologen beraten zu lassen“, meint Primaria Gattringer.
Stress vermeiden
Stress führt zu einem erhöhten Cortisolspiegel, der die Funktion der Immunzellen, die man für die Tumorabwehr braucht, unterdrücken kann. (Unter Stress ist hier eine lang anhaltende, negativ empfundene Belastungssituation gemeint) Meditation hilft beim Stressabbau ebenso wie körperliche Bewegung.
Persönliches Risikoprofil
Um das Risiko eines Rezidivs zu vermeiden, sollte man möglichst viele der oben angeführten Punkte umsetzen. „Ansetzen sollte man dabei vor allem dort, wo man bisher nachlässig war und daher individuell das größte Verbesserungspotential vorhanden ist. Dazu muss der Patient in sich gehen und überprüfen, in welchen Bereichen Veränderungen sinnvoll sind. Wer sich etwa bisher kaum bewegt hat, der sollte auf jeden Fall mit Sport beginnen“, rät Gattringer.
Reha
Sein Verbesserungspotential besser einschätzen und umsetzen zu können, kann man in einer onkologischen Rehabilitationsmaßnahme (Reha) erlernen. „Für viele Betroffene ist es wichtig, eine solche Reha zu nutzen, damit sie mit Empfehlungen zur Lebensstiländerung nicht alleine gelassen werden und sie bei der Umsetzung unterstützt werden. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass Patienten, die alleine versuchen, einen Lebenswandel herbeizuführen, ihre Ziele kaum erreichen und rasch wieder in alte Muster zurückfallen. Am Anfang, also gleich nach der Therapie ist die Motivation meist sehr hoch, diese flacht aber zunehmend ab. Eine Reha kann dem entgegenwirken“, sagt Gattringer.
Dr. Thomas Hartl
Mai 2015
Foto: shutterstock