Rheumatische Erkrankungen sind durch die Patienten durchaus selbst zu beeinflussen. Wichtig sind Information und Wissen über die Erkrankung und die Bereitschaft, sein Leben auf die Erkrankung einzustellen. In Patientengruppen kann all dies erlernt werden.
Rheuma kann in nahezu 300 unterschiedlichen Formen auftreten – angefangen von leichten Wirbelsäulen-Beschwerden über Abnützungserscheinungen in den Gelenken bis hin zur Zerstörung der Gelenke verbunden mit lebensbedrohlichen Komplikationen an inneren Organen. Die chronische Polyarthritis ist die häufigste entzündliche Rheumaerkrankung.
Die Diagnose einer chronischen Polyarthritis oder einer anderen Rheumaerkrankung kann ein schockierendes Erlebnis sein. Ungewissheit über die Bedeutung der Diagnose, Hilflosigkeit und Suche nach Antworten auf unzählige Fragen sind oft die Folge. Aufklärung über die Art der Erkrankungen, die Therapiemöglichkeiten und Maßnahmen zu Selbsthilfe fördern die Lebensqualität. „Es braucht seine Zeit bis man lernt, mit Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Einnahme vieler Medikamente und auch mit deren Nebenwirkungen umgehen zu können“, sagt Gertraud Schaffer, Präsidentin der Österreichischen Rheumaliga, die seit 24 Jahren mit rheumatoider Arthritis lebt.
Neben der ärztlichen Therapie (Medikamente, Physiotherapie etc.) hat der Patient selbst großen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung. Durch einfache Maßnahmen kann er viel für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden beitragen.
Sich informieren
Um den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen zu können, ist es notwendig, über die Krankheit gut informiert zu sein und zu wissen, was im Körper vor sich geht. „Gut auf sich schauen kann man nur, wenn man sich aktiv über die Diagnose und die möglichen Behandlungsformen und begleitenden Maßnahmen informiert und sich mit dem behandelten Rheumatologen berät“, sagt Schaffer.
Ernährung
Es gibt keine Rheumadiät, aber es gibt gewisse Dinge, die man in Sachen Ernährung beachten sollte: Viel Gemüse essen, wenig Fleisch und Wurst. Eine gesunde Mischkost ist vorteilhaft, ebenso wie eine mediterrane Kost mit viel Fisch, Gemüse und Olivenöl. Süßspeisen sind zwar nicht verboten, aber man sollte seinen Zuckerkonsum (Softdrinks, Süßigkeiten, Schokolade) ebenso drosseln wie große Kaffee- und Alkoholmengen.
Bewegung
In Bewegung bleiben ist sehr wichtig. „Einerseits ist Bewegung gut für die Knorpel, andererseits reduziert man dadurch Gewicht und nimmt Belastung von den Gelenken. Zudem baut man Fettgewebe ab. Das ist wichtig, weil Entzündungsprozesse vor allem bei Arthrosen auch im Fettgewebe stattfinden“, erklärt OÄ Dr. Ulrike Stuby, Rheumatologin am AKH Linz.
Zahn- und Mundhygiene, nicht rauchen
Bei vielen Rheumaarten spielen Entzündungen eine entscheidende Rolle. Entzündungen können durch Bakterien ausgelöst werden. Eine häufige Eintrittspforte für Bakterien in den Körper sind die Schleimhäute im Mund. Diese können durch mangelnde Mund- und Zahnhygiene angegriffen sein und Bakterien einlassen. Ebenso greift das Rauchen die Schleimhäute an und Bakterien können den natürlichen Schutzschild durchbrechen.
Schmerzbewältigung
Man kann als Patient selbst Einfluss nehmen, wie sehr man unter seinen Schmerzen leidet. Es gibt viele verschiedene Entspannungsverfahren (z.B. Jacobson, Autogenes Training). Auch die Einstellung zu den Schmerzen (ob man sie ablehnt oder annehmen kann) wirkt sich auf die subjektive Schmerzwahrnehmung und das persönliche Leid aus.
Krankheit annehmen
Grundvoraussetzung für eine gute Lebensqualität ist es zu lernen, mit der Krankheit umzugehen und auch zu lernen sie anzunehmen. „Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, je früher man lernt, seine Krankheit anzunehmen, auf seinen Körper zu hören und sich an eine mögliche Veränderung des Tagesablaufes zu gewöhnen, desto leichter wird es für einen“, so Schaffer.
Sich austauschen
Schmerzpatienten sind häufig mit Unverständnis der sozialen Umgebung konfrontiert. Schmerzen sieht man nicht, wer chronische Schmerzen nicht selbst erlebt (hat), ist nicht in der Lage, sich in einen Betroffenen hineinzuversetzen. Vielen Patienten hilft es, sich in Selbsthilfegruppen mit anderen Menschen gleicher Erkrankung auszutauschen, denn dadurch erkennt man, dass man mit seiner Erkrankung nicht alleine da steht. Hier erfahren Patienten die Akzeptanz, die ihnen sonst oft nicht entgegengebracht wird.
„In der Gruppe wird ganz offen über Diagnose, mögliche Therapieformen, alternative Möglichkeiten, Bewegung, Ernährung und vieles mehr gesprochen. Oft kann einem in den Gesprächen auch die Angst vor der Medikamenteneinnahme genommen werden. Für viele sind solche Gespräche eine gute Möglichkeit zu lernen, mit seiner eigenen Krankheit umzugehen. Viele erfahren, dass durch eine Lebensstiländerung und Entspannungstechniken sowie eine regelmäßige konsequente Bewegungstherapie Schmerzen reduziert werden. Dadurch bekommt man eine andere Sichtweise und die Bereitschaft zur Veränderung wird größer“, erzählt Schaffer.
Auch wird in den Gruppen gesprochen, wie man am besten mit einem Arzt kommuniziert. Wichtig ist auch, dass ein Betroffener sein Behandlungsziel mit seinem Arzt definiert und nach dessen Festlegung auch einhält.
Lernen in der Gruppe
Manche Spitäler (wie das AKH Linz) bieten eine Rheumaschule für Patienten mit chronischer Polyarthritis an, in der Patienten Selbstkompetenz erlernen können. „Man muss sich entscheiden, ob man die Erkrankung als schicksalhaft hinnimmt, oder ob man dagegen etwas tun will. Es ist auch wichtig, dass Patienten motiviert mitarbeiten, damit sie die nötigen Veränderungen dauerhaft in ihr Leben integrieren und nicht sofort wieder in alte Muster fallen, sobald es ihnen ein bisschen besser geht“, sagt Stuby.
Selbstmanagement sichert Lebensqualität
Die Präsidentin der Rheumaliga über die Lage von Betroffenen: „Ich weiß aus meiner langjährigen Gruppenarbeit, dass nicht jeder Betroffene die Kraft hat zu kämpfen und auch nicht bereit ist, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Selbstmanagement ist aber enorm wichtig. Auch die Familie und Freunde müssen miteinbezogen werden. Und: es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten, wenn das Gesundheitsbild es erfordert. Ich kann allen ‚Rheumatikern‘ nur raten, geben Sie nicht auf, suchen Sie nach Möglichkeiten, um eine gute Lebensqualität zu erlangen. Auch wenn Sie einige lieb gewonnene Lebensgewohnheiten aufgeben oder umstellen müssen, es gibt sicherlich noch vieles, was Ihr Interesse wecken kann und was Ihnen viel Spaß macht. Einen Versuch ist es wert. Nur wer nichts für seine Gesundheit tut, hat verloren. Ein Leben mit Rheuma ist nicht immer leicht, trotzdem gibt es Zeitfenster wo Ihre Krankheit nicht aktiv ist. Nutzen Sie diese Zeit und gönnen Sie sich Gutes für Psyche und Seele. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Motivation bei Ihrer Gesundheits- und Krankheitsbewältigung.“
Dr. Thomas Hartl
Juli 2015
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