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Mikroskop mit Glasblättchen und Blutstropfen darauf

Myelodysplastisches Syndrom

Massiven Störungen der Blutbildung kann ein Myelodysplastisches Syndrom zugrunde liegen. Heilungschancen dieser schweren Erkrankung bestehen nur im Fall einer Stammzellentransplantation. Neue Medikamente können immerhin helfen, den drohenden Übergang zu einer akuten Leukämie deutlich zu verzögern.

 

Unter dem Begriff Myelodysplastisches Syndrom (MDS) wird eine Gruppe von Erkrankungen zusammengefasst, bei denen die Blutbildung im Knochenmark gestört ist. Dort entwickeln sich aus unreifen Vorläuferzellen verschiedene Typen von Blutzellen, die im Körper für unterschiedliche Aufgaben zuständig sind. Es handelt sich dabei um

  • Rote Blutkörperchen (Erythrozyten): Sind für den Sauerstofftransport zuständig
  • Weiße Blutkörperchen (Leukozyten): Sind Teil des Immunsystems
  • Blutplättchen (Thrombozyten): Sind zur Blutgerinnung nötig.

 

Blutbildung gestört

Bei einem MDS sind die Reifung der Knochenmarksstammzellen und damit die Blutbildung gestört. Entweder werden zu wenige Blutzellen entwickelt oder sie sind in ihrer Funktion eingeschränkt. Je nach Patient können die roten Blutkörperchen und/oder die weißen Blutkörperchen und/oder die Blutplättchen betroffen sein. Bei einem MDS sind zu wenige funktionsfähige Zellen der betroffenen Art zu finden, stattdessen finden sich im Knochenmark zu viele unreife krankhafte Zellen (Blasten).

MDS tritt in der Regel erst in höherem Lebensalter auf. Das durchschnittliche Alter der Patienten bei der Diagnose liegt zwischen 60 und 65 Jahren. In manchen Familien tritt die Erkrankung zwar gehäuft auf, MDS wird jedoch nicht vererbt.

 

Symptome und Ursachen

Mögliche Symptome sind Blutarmut (Anämie: Sie ist das häufigste Symptom eines MDS) sowie Blutungsneigung oder eine erhöhte Infektanfälligkeit (wenn Blutplättchen oder weiße Blutkörperchen betroffen sind). „Treten Symptome wie Blutarmut bereits in jungen Jahren auf, bedeutet dies nicht von vornherein, dass ein MDS vorliegt, denn Blutarmut kann auf viele verschiedene Gründe zurückzuführen sein. MDS als Ursache kommt nur dann in Betracht, wenn keine anderen Gründe gefunden werden“, sagt Dr. Sonja Burgstaller, Oberärztin in der Abteilung für Hämatologie und Onkologie am Klinikum Wels-Grieskirchen.

Weitere mögliche Beschwerden sind sehr unspezifisch, sie können also auf alle möglichen Ursachen hindeuten. So sind Patienten oft chronisch müde und blass, schwindelig, kurzatmig und/oder kaum leistungsfähig. Die Ursachen für MDS sind meist ungeklärt. Mitunter kommen Chromosomenveränderungen im Erbgut in Betracht, ausgelöst zum Beispiel durch eine vorangegangene Chemotherapie, eine Bestrahlung oder Lösungsmittel wie etwa Benzol. In den meisten Fällen liegt aber eine eindeutige Ursache nicht vor.

 

Diagnose

Die Diagnose ist oft schwierig zu erstellen. „Um MDS zu erkennen oder um es ausschließen zu können, sollte man einen Hämatologen aufsuchen. Primär wird das Blut des Patienten untersucht, auch eine Punktion des Knochenmarks ist für die Diagnose MDS unerlässlich“, erklärt Burgstaller.

 

Therapie

Die Therapie orientiert sich vor allem am Alter, dem allgemeinen Gesundheitszustand und dem Schweregrad des MDS (Hoch- oder Niedrigrisiko).

 

Niedrigrisiko-MDS: Hier wird versucht, den Funktionsverlust des Blutes zu ersetzen, ohne die Erkrankung heilen zu können. In Betracht kommen

  • Transfusion von roten und weißen Blutzellen oder Blutplättchen
  • Medikamente,
    • die die Blutbildung stimulieren
    • die das Immunsystem beeinflussen (bei bestimmten Formen des MDS)
    • die Eisen im Blut binden (das ist unbedingt nötig, weil Bluttransfusionen sonst eine Eisenüberladung des Körpers verursachen würden)
  • Antibiotika bei Infekten
  • bestimmte Impfungen

 

Hochrisiko-MDS: Es bestehen mehrere Behandlungsmöglichkeiten:

  • Allogene (von einem fremden Spender) Stammzelltransplantation
  • Veränderung des DNA-Stoffwechsels mittels Medikamenten
  • Intensive Chemotherapie.

 

Stammzellentransplantation

Diese Methode ist die einzige, die Heilung von MDS ermöglichen kann. Dabei werden alle Zellen im Knochenmark des Patienten durch Bestrahlung und Chemotherapie zerstört. An ihre Stellen müssen Spenderstammzellen von einem anderen Menschen implantiert werden, welche die Blutbildung neu starten sollen.

Die Voraussetzungen einer Stammzellentransplantation sind jedoch hoch:

  • Sie kann in der Regel nur bei Menschen bis maximal 60 Jahren eingesetzt werden.
  • Man benötigt einen passenden Stammzellen-Spender.
  • Der Patient muss körperlich in guter Verfassung sein, um die schwere Therapie zu verkraften.

Ist eine Stammzelltransplantation nicht möglich, kommen die folgenden Verfahren zum Einsatz.

 

Medikamente

Medikamente, die den DNA- und RNA-Stoffwechsel verändern, werden eine Woche lang verabreicht, dann folgt drei Wochen lang Pause. Dann wieder eine Woche Medikation, dann wieder drei Wochen Pause. Dieser Therapiezyklus kann solange fortgesetzt werden, solange die Medikamente wirksam bleiben. Wenn die Medikamente wirken (die Ansprechrate liegt bei ca. 50 Prozent), dann bessert sich das Blutbild und es sind weniger Blutprodukte erforderlich. Der Einsatz von Medikamenten bringt zwar keine Heilung des MDS, aber er kann den Übergang in eine akute Leukämie deutlich verzögern und damit Lebenszeit für den Patienten gewinnen. Schlägt die Therapie nicht an, dann wird versucht, den Patienten mit Blutkonserven zu stabilisieren.

„Der Einsatz von Medikamenten hat in den letzten Jahren die Situation auch von betagten Patienten verbessert. Auch über 80-Jährige vertragen diese Therapie sehr gut, denn sie bringt kaum Nebenwirkungen mit sich“, sagt Burgstaller.

 

Chemotherapie

Chemotherapie galt in früheren Jahren als Standardtherapie, sie wird seit einigen Jahren jedoch immer seltener eingesetzt, da neue Medikamente bessere Erfolge bei geringeren Nebenwirkungen brachten.

 

Krankheitsverlauf

Die Anzahl der Blasten (unreife Knochenmarkszellen) gilt als Indiz, ob ein Hochrisiko- oder Niedrigrisiko-MDS vorliegt oder ob bereits eine Leukämie eingetreten ist. Ab 20 Prozent Blasten im Knochenmark liegt eine akute Leukämie vor.

In 25 bis 30 Prozent geht ein MDS in eine akute Leukämie über. MDS wird in diesen Fällen als eine Vorstufe zur Leukämie gesehen und wird daher auch Präleukämie oder schleichende Leukämie genannt. Der Übergang von einer MDS zur Leukämie erfolgt fließend.

Bei einem Niedrigrisiko-MDS beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung acht bis neun Jahre, bei einem Hochrisiko-MDS unter einem Jahr. Besteht die Möglichkeit einer Stammzelltherapie, ist jedoch auch eine Heilung des MDS möglich.

„Diese Zahlen zur Lebenserwartung sind jedoch nur Durchschnittswerte, im Einzelfall kann die Lebenserwartung auch wesentlich höher oder niedriger liegen. Diese hängt auch davon ab, ob komplexe Genveränderungen vorliegen. Ebenso spielen Alter und Vorerkrankungen eine Rolle“, erklärt Burgstaller.

 

Dr. Thomas Hartl

August 2015

 

Foto: shutterstock

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020