Die Manuelle Lymphdrainage (ML) wurde in den 1930er Jahren von Dr. Emil Vodder, einem dänischen Philologen und Physiotherapeuten, gemeinsam mit seiner Frau Estrid entwickelt. Diese Massagemethode dient der Entstauung von Ergüssen in Geweben des menschlichen Körpers. Das Lymphgefäßsystem entspricht dabei einer Art „Kanalisation“ des Körpers und ist nahe am arteriellen Kreislauf angelegt.
Durchgeführt wird die ML in Krankenhäusern, der freien Praxis, Instituten für Physikalische Medizin und auch in der Lymphödemklinik Wittlinger im tirolerischen Walchsee. Andreas Wittlinger, Therapieleiter und Fachlehrer für manuelle Lymphdrainage: „Ähnlich der Abwasserregelung in einer Stadt werden durch das Lymphsystem Schlackenstoffe, Entzündungsstoffe und -verursacher und Schmerzsubstanzen aus dem Gewebe und somit aus ihrem Wirkungsbereich entfernt. Durch ganz leichtes Verschieben in Längs- und Querrichtung der Haut wird die körpereigene Rückführung der Schlackenstoffe um das 5fache beschleunigt.“ Weiters bewirkt die Manuellen Lymphdrainage (ML) einen schmerzlindernden und beruhigenden Effekt auf den Organismus. Diese Wirkungen sind mehrfach wissenschaftlich bestätigt worden. Daraus beschreibt Wittlinger die folgenden Indikationen.
Verletzungen
Nach Unfällen, Operationen, Muskelrissen, Prellungen, Zerrungen erfahren die betroffenen Patienten durch den erhöhten Abtransport von Blutzellen, Entzündungsstoffen und Schmerzsubstanzen eine sofortige Erleichterung im geschwollenen bzw. operierten Gebiet. Es sollte sofort nach Entstehen der Schwellung mit der Lymphdrainage begonnen werden.
Hämatom vor der Behandlung Hämatom nach 10 Behandlungen (=10 Tagen)
Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfälle
Die manuelle Lymphdrainage ist die einzige nebenwirkungsfreie Massagemethode, die – frühzeitig eingesetzt – für einen Abtransport der sogenannten lymphpflichtigen Last innerhalb des Kopfes sorgt. Im Rahmen der Wundheilung kommt es nach einer Einblutung bzw. einer Verstopfung (Embolie) zu einer lokalen Entzündung, die noch mehr gesundes Gehirngewebe zerstört. Setzt der Abtransport gleich am ersten Tag nach der Schädigung ein, wird eine deutlich bessere und schnellere Rehabilitation erreicht.
Lymphödeme jeglicher Art
Lipödeme
Diese krankhafte Fettverteilungsstörung betrifft nur Frauen, meist an der unteren Extremität und beginnt in Pubertät bzw. in der Schwangerschaft. Durch eine pathologische Fettzellenvermehrung kommt es zu einer längeren Wegstrecke des Lymphgefäßsystems, der Kanalisation, was in Folge zu einem Ödem, einer Schwellung, führt. Weiters wird das Gewebe sehr druck- und stoßempfindlich – die Patientinnen entwickeln sehr schnell Hämatome (blaue Flecken). Auch leichtes Kneifen ist bereits deutlich schmerzhaft. Durch die Manuelle Lymphdrainage wird die Schmerzempfindlichkeit des Gewebes deutlich reduziert, der beschleunigte Abtransport des Ödems reduziert das Spannungsgefühl.
Narbenbehandlung
Untersuchungen von Prof. Dr. Paul Hutzschenreuter von der Universität Ulm zeigen, dass die Behandlung mit ML eine bessere Wundheilung mit einer guten Narbenbildung bewirkt. Bei einer bereits bestehenden Narbe wird eine Wiederherstellung des gestörten Lymphabflusses erzielt. Wenn Operationsnarben Lymphbahnen unterbrechen und sich dort lokale Ödeme bilden, lassen sich diese abdrainieren, da die Verbindung der unterbrochenen Lymphbahnen wiederhergestellt ist. Ebenso gute Ergebnisse kann man bei großflächigen Narben, z.B. nach Verbrennungen, erzielen. Hyperkeratotische (stark verhornte) Narben verlieren Juckreiz und Rötung und werden weich. Oft werden durch die Behandlung operative Narbenkorrekturen überflüssig. Allerdings ist die Narbenbehandlung bei älteren Narben zeitaufwendig. Besonders bewährt hat sich die Manuelle Lymphdrainage auch nach kosmetischen Operationen, wie z. B. Facelifting oder Fettabsaugung.
Arthrosen
Knie- oder Schultergelenksarthrose können sehr gut im akuten, entzündlichen Stadium mit ML behandelt werden. Die Entzündung verursacht die Schwellung und den Schmerz, der durch die ML schnell reduziert werden kann.
Weichteilrheumatismus
Zum Beispiel Carpaltunnelsyndrom, Schleimbeutelentzündung, sind für die ML-Therapie sehr gut geeignet. Hier kann, je nach Ödemumfang, mit Wärmeanwendung kombiniert werden. Die Therapiegriffe der Manuellen Lymphdrainage werden bei diesen Krankheitsbildern in Kombination mit Bewegungstherapie eingesetzt.
Sonstige Indikationen
„Durch mehr als 45 Jahre Erfahrung glauben wir auch an eine immunologische Komponente der manuellen Lymphdrainage nach Dr. Vodder. So haben wir bei allergischem Heuschnupfen ebenso Erfolge wie beim Down-Syndrom, die sehr oft an einem gestörten Immunsystem leiden. Schmerzen beim Milcheinschuß nach der Geburt sind bewiesenermaßen (Gyn. Station in KH Düsseldorf) nach zweimaliger ML-Behandlung zu über 90 % verschwunden“, so Wittlinger.
Prinzipiell hält Wittlinger fest: „Jegliche Schwellungen, die nicht durch ein Herz- oder Nierenproblem entstanden sind, können sehr erfolgreich mit Manueller Lymphdrainage nach Dr. Vodder behandelt werden.“ Kontraindikationen wie z. B. Fieber, akute bakterielle Entzündungen, Krebsgeschehen müssen jedoch berücksichtigt werden.
Mag. Christian Boukal / Andreas Wittlinger
September 2015
Foto: shutterstock, Lymphödemklinik Wittlinger