Bluthochdruck wird meist mit Medikamenten behandelt. Sprechen Medikamente nicht an, besteht die Möglichkeit, Nervenfasern rund um die beiden Nierenarterien zu veröden. Dadurch kann es gelingen, den Blutdruck deutlich und langfristig zu senken.
Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Bluthochdruck (Hypertonie) weltweit das Gesundheitsproblem Nummer eins. Fast jeder dritte Todesfall in Europa geht auf Bluthochdruck zurück. Die Folgeerkrankungen reichen von Herzinfarkt bis zu Schlaganfall. Bluthochdruck verursacht sogar mehr Todesfälle als Krebs. Von Hypertonie spricht man, wenn die Blutdruckwerte wiederholt bei 140/90 mmHg oder darüber liegen. Der optimale Blutdruck eines Erwachsenen liegt bei 120/80 mmHg.
Lebensstil und Medikamente
Lässt sich der Blutdruck mit Lebensstilmaßnahmen (Gewichtsreduktion, viel Bewegung, Rauchstopp, wenig Alkohol und gesunde, salzarme Ernährung) nicht in einen gewünschten Bereich senken, werden in einem nächsten Schritt zumeist Blutdrucksenker verordnet. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl solcher Medikamente. Die medikamentöse Einstellung spielt bei den meisten Bluthochdruckpatienten eine entscheidende Rolle, um die Werte zu senken. Ihre Wirkung hängt meist von der richtigen Dosis sowie von der Therapietreue (regelmäßige und dauerhafte Einnahme) des Patienten ab. Dies bereitet in der Praxis oft Probleme, deren Lösung Geduld benötigt. Einerseits setzen Ärzte mitunter zu wenige oder ungeeignete Medikamente ein, andererseits nehmen Patienten ihre Medikamente nur unregelmäßig oder setzten sie wegen der Nebenwirkungen ab. Oft sind mehrere Anläufe nötig, bis die geeigneten Medikamente gefunden werden.
Manche Menschen vertragen jedoch nur wenige dieser Medikamente oder sie sprechen auf die Arzneien nicht an. Bei rund 15 Prozent der Patienten bewirken selbst drei oder mehrere Blutdruckmittel gleichzeitig keine Besserung. Angesichts der drohenden Gesundheitsrisiken bedeutet das eine hohe Gefahr für Leib und Leben. Ob jemand wirklich therapieresistent (bezogen auf die Medikamente) ist, sollte durch eine Langzeit-Blutdruckmessung abgeklärt werden. Auch muss ausgeschlossen werden, dass der hohe Blutdruck Folge einer anderen Krankheit ist. Besonders wenn die Werte sehr rasch steigen oder die Betroffenen noch sehr jung sind, liegt oft eine solche „sekundäre Hypertonie“ zugrunde. Kann diese ausgeschlossen werden, gibt es für erwiesenermaßen therapieresistente Patienten seit wenigen Jahren eine neue Erfolg versprechende Methode, die sogenannte Renale Denervation.
Verödung von Nervenfasern
Die Renale Denervation ist ein minimal invasiver Eingriff. Eine kleine Sonde wird dazu unter Narkose mittels Katheter von der Leistenarterie bis in die Nierenarterie vorgeschoben und für je zwei Minuten auf bis zu 70 Grad Celsius erhitzt. Der Arzt verödet dadurch Nervenfasern in der Umgebung der Nierenarterien, welche überaktiv sind und so zum Bluthochdruck beitragen. Diese Nerven zählen zum sogenannten Sympathikus-Teil des vegetativen Nervensystems, das den Blutdruck bei psychischer oder körperlicher Belastung steigen lässt. „Verödung bedeutet, dass die Nervenenden unter hohen Temperaturen quasi verkocht werden und in der Folge ihre Arbeit einstellen. Jeweils vier bis sechs Punkte an beiden Nieren werden auf diese Weise behandelt. Der Eingriff dauert etwa eine halbe Stunde“, sagt Primar Doz. Dr. Clemens Steinwender vom Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Linz, in dessen Abteilung diese Methode bereits über 200 Mal angewendet wurde.
Niere und Blutdruck sind eng miteinander verbunden. Den Zusammenhang von hohem Blutdruck und Niere erklärt Steinwender so: „Die Nieren steuern Nervenaktivität und Hormone, die den Blutdruck beeinflussen. Die Niere ist somit eine Schaltstelle für die Blutdruck-Regulation. Sie tauscht Signale mit dem Gehirn aus, die den Blutdruck über das sympathische Nervensystem, das für Stress zuständig ist, steigern können.“ Wenn Medikamente gegen Bluthochdruck nicht wirken, dann liegt das oft daran, dass die Nervenfasern in den Nierenarterien überaktiv sind. Durch die Verödung können Nervenimpulse, die den Blutdruck in die Höhe treiben, nicht mehr verschickt werden.
„Der Eingriff empfiehlt sich, wenn man es trotzt der Medikamente nicht schafft, den systolischen, also den oberen Blutdruckwert nicht unter 160, bei Diabetikern nicht unter 150 zu bringen. Der Eingriff ist schonend und es gibt kaum Komplikationen. Nebenwirkungen oder Schäden an den Nieren haben wir bislang bei keinem Patienten beobachtet.“, erklärt der Kardiologe.
Erfolgsrate
Bei der Hälfte bis zu zwei Dritteln der Patienten ist der Eingriff erfolgreich, der Blutdruck sinkt also signifikant. Wie schnell und in welchem Ausmaß der Blutdruck sinkt, ist individuell sehr unterschiedlich. Manche Patienten sprechen sehr rasch an und weisen bereits wenige Tage nach dem Eingriff verbesserte Werte auf, bei anderen braucht es Wochen oder Monate, bis sich eine Besserung einstellt. Jede Senkung des Blutdrucks senkt das Risiko schwerer Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Internationale Studien konnten zeigen, dass der Blutdruck bei erfolgreichen Behandlungen mittels renaler Denervation nach einem Jahr um durchschnittlich 28/10 mmHg, nach drei Jahren sogar um 33/19 mmHg gefallen war. Bei manchen Patienten, die gleichzeitig an Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck litten, hat die Verödung zudem auch eine Verbesserung des Blutzuckerspiegels mit sich gebracht.
„Übersehen werden darf jedoch nicht, dass es auch Untersuchungen gibt, die keine messbare Verbesserung der Blutdruckeinstellung durch die renale Denveration beobachteten. Weitere intensive Forschung ist daher unverzichtbar“, sagt Steinwender.
Bei jedem Zweiten bis Dritten bleibt der Eingriff ohne Wirkung, die Blutdruckwerte sinken nicht. „Bei diesen Patienten bleibt dann nur die Hoffnung, mittels neuer Medikamenten-Kombinationen den Blutdruck doch noch in den Griff zu bekommen“, sagt der Kardiologe. Warum manche Patienten auf Medikamente nicht ansprechen oder die Verödung der Nerven keine Wirkung zeigt, ist bislang noch nicht bekannt.
Nach dem Eingriff
„Der Erfolg des Eingriffs, also die Senkung des Blutdrucks, dürfte oft ein bleibender sein. Seit rund fünf Jahren machen wir diese Eingriffe und unsere Erfahrungen zeigen, dass, wenn die Methode wirkt, sich der Effekt meist mit der Zeit nicht abbaut, der Blutdruck also anhaltend gesenkt bleibt. Ob dadurch das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt tatsächlich sinkt, ist anzunehmen. Ausgewertete Studien dazu gibt es aber noch nicht, dafür ist die Methode noch zu neu“, sagt Steinwender.
Nach einem erfolgreichen Eingriff werden die Medikamente (anders als bei Einführung der Methode erwartet) jedoch nicht abgesetzt oder reduziert. Damit ist auch klar, dass der Eingriff keine Ersatztherapie für Menschen sein kann, die blutdrucksenkende Medikamente ablehnen. Die Medikamente müssen zwar weiterhin eingenommen werden, die Patienten sind nach erfolgreichem Eingriff aber medikamentös besser einstellbar, das heißt, die Medikamente entfalten dann die gewünschte Wirkung.
Dr. Thomas Hartl
November 2015
Foto: shutterstock