DRUCKEN
Ärzte bei einer OP

Vorhofflimmern – Ohne Medikamente therapieren

Patienten mit Vorhofflimmern leiden an einer vorübergehenden oder dauernden Herzrhythmusstörung. Bemerkbar sind eher unspezifische Beschwerden wie Leistungsabfall, Müdigkeit, starkes Herzklopfen oder Schlafstörungen. Auch unter Herzrasen leiden Betroffene. Eine australische Studie beschäftigte sich mit der Frage, ob „agressives Risikomanagement“ das Vorhofflimmern günstig beeinflussen kann, berichtet die deutsche Medizinplattform medscapemedizin.de. 

Das Team um Dr. Rajeev Pathak von der University of Adelaide, Australien, untersuchte, wie sich zusätzliche Lebensstiländerung – Gewichtsverlust, Bewegung, weniger Alkohol – im Vergleich zu ausschließlicher medikamentöser Behandlung auswirkt. Die Studie wurde auf der Jahrestagung der American Heart Society vom 7. bis 11. November 2015 in Orlando, Florida, präsentiert. 

Das Risikofaktoren-Management wirkt 

Mit der randomisiert-kontrollierten Studie wollten die Australier unter anderem den Einfluss des Risikofaktoren-Managements auf elektrische und anatomische Eigenschaften der Vorhöfe, auf Herzstrukturen sowie auf Entzündungen untersuchen.

Die ursprüngliche Studie ARREST-AF (Aggressive Risk Factor Reduction Study-Atrial Fibrillation = Aggressive Risikofaktoren-Reduktions-Studie-Vorhofflimmern) desselben Teams aus 2014 hatte bereits gezeigt, dass Patienten, die nach einem operativen Eingriff (Lungenvenenablation) zusätzlich einem ärztlich gesteuertem Risikofaktoren-Management (RF-Management) unterworfen waren, mit größerer Wahrscheinlichkeit frei von Vorhofflimmern waren. Die zu Studienbeginn vollzogenen Lebensstiländerungen – etwa Gewichtsverlust, körperliche Bewegung, verbesserte Schlafqualität und Anpassung des Alkoholkonsums – hatten einen immensen Nutzen bezüglich des Vorhofflimmerns bewirkt. 

Wie wirkt das Risikofaktoren-Management? 

Dennoch tat sich die Kollegenschaft der Kardiologen schwer mit diesen Studienergebnissen. Sie stellte sich die Frage, wie Lebensstiländerungen etwas bewirken können, was mit Medikamenten und Katheter-Behandlungen nicht erreichbar war. Um die Mechanismen besser zu verstehen, entschlossen sich die Autoren aus Australien, einen Schritt weiter zu gehen und jenseits der vorhandenen Evidenz zu ergründen, wie das Risikofaktoren-Management diesen Nutzen bewirken konnte.

Dazu stellten die Forscher Reihenuntersuchungen mit Patienten mit Vorhofflimmern und Übergewicht, die das Arrhythmiezentrum der Universitätsklinik Adelaide aufsuchten, an. 67 Patienten wurden im Verhältnis 1:1 auf eine Standardtherapie versus eine Sprechstunde mit intensivem Management der Risikofaktoren (RF-Management) zufällig verteilt. Dabei waren die Charakteristika der Patienten zu Studienbeginn in beiden Gruppen vergleichbar.

Die Eingangsuntersuchungen umfassten elektrophysiologische Messungen, die MRT-Darstellung des Herzens sowie Blutanalysen. Am zweiten Testdurchlauf nahmen nicht mehr alle Patienten teil. Es waren Folgebefunde für 26 Patienten der Standard- und 24 Patienten der RF-Management-Gruppe verfügbar, berichtet medscapemedizin.de. 

40 Prozent der Patienten symptomfrei 

Im Vergleich zu Kontrollpatienten mit Standardtherapie verloren die Patienten mit RF-Management im Durchschnitt mehr Körpergewicht, hatten einen niedrigeren Blutdruck, besser kontrollierte Blutzuckerwerte und günstigere Lipidprofile, obwohl sie weniger Medikamente einnahmen.

Die Langzeit-EKG-Messung über sieben Tage zeigte, dass Patienten mit RF-Management weniger und kürzere Perioden von Vorhofflimmern hatten. 40 Prozent der Patienten der RF-Management-Gruppe waren frei von Vorhofflimmern und benötigten dafür weder Medikamente noch einen operativen Eingriff.

In der Kontrollgruppe gab es keine Änderung der regionalen links- bzw. rechtsatrialen Refraktärzeit (Dauer, die eine Nervenzelle zur „Erholung“ braucht, bis sie wieder Signale übertragen kann). In der RF-Management-Gruppe dagegen stieg die durchschnittliche atriale Refraktärzeit signifikant an. Das bedeutet, dass es zu weniger Herzschlägen und damit zu weniger Herzjagen kam.

Die Ultraschalluntersuchung der Herzen zeigten bei der risikofaktoren-kotrollierten Gruppe eine Volums-Verringerung der linken Herzhälfte und eine dünnere Scheidewand der beiden Herzhälften, die üblicherweise bei Erkrankten verdickt ist. Die Entzündungsmarker besserten sich in der RF-Management-Gruppe, jedoch nicht in der Kontrollgruppe.

RF-Management konnte also in der Studie die Krankheitslast durch Vorhofflimmern reduzieren, die kardialen Gewebestruktur und die elektrischen Eigenschaften bedeutsam verbessern sowie die Marker für Thrombosen und Entzündungen senken. 

Kernziele der kardiologischen Therapie durch RF-Management erfüllt 

Vorhofflimmern ist eine progressive Erkrankung und die Wahrscheinlichkeit eines fortgeschrittenen Erkrankungsstadiums steigt mit der Zahl der Risikofaktoren. Daten aus der Grundlagenforschung untermauern die Beobachtung, dass Adipositas, Schlafapnoe und Bluthochdruck die Erkrankung begünstigen können.

Es war bereits bekannt, dass perikardiales Fett (im Herzbeutel) mehr als nur ein unbedeutendes Randphänomen ist, weil die Störung des Blutflusses beim Vorhofflimmern das Schlaganfallrisiko erhöht. Die ärztlich angeleitete Verringerung solcher Risikofaktoren bei Patienten mit Vorhofflimmern hat in dieser Studie zu günstigeren Labor- und EKG-Messwerten, zu strukturellen und elektrophysiologischen Verbesserungen am Herzen und zu einer verringerten Thrombogenität (Entstehung von Thrombosen) geführt und damit Kernziele der kardiologischen Therapie erfüllt. 

Weitere Untersuchungen von Vorteil 

Wenn sich die Ergebnisse dieser Studie in weiteren Untersuchungen bestätigen, werden sie nicht nur die Gesundheit von Patienten mit Vorhofflimmern steigern, sondern auch der kardiologischen Community verdeutlichen, dass Lebensstiländerungen ebenso wirksam sein können wie Medikamente.

Damit hat die Studie das Potenzial, die therapeutische Vorgehensweise bei Patienten mit Vorhofflimmern zu verändern und Pathak hat sich mit diesen Forschungsergebnissen den Young Investigator’s Award im Wettstreit mit hervorragenden Mitbewerbern mehr als verdient, so medscapemedizin.de.

 

Der gesamte Artikel ist (nach Registrierung) hier  abrufbar.

 

Mag. Christian Boukal / medscapemedizin.de

Dezember 2015


Foto: shutterstock

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020